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Eckhard Henscheid:

Ein Querdenker auf Abwegen

Eckhard Henscheid, Ikone der literarischen Satire, polemischer Kritiker des „Dummdeutschen“, Mitbegründer der Satire-Zeitschrift Titanic und der Autorengruppe „Neue Frankfurter Schule“ und Musikliebhaber gegen den Strom, las auf Einladung der Buchhandlungen Dawartz und Eckard Cordes im Kieler Literaturhaus aus seinen kürzlich bei Zweitausendeins im Rahmen einer Gesamtausgabe erschienenen Schriften zur Musik. LinX sprach mit Henscheid über sein musikkritisches und politisches Querdenkertum, aber auch über sein jüngstes und vielfach kritisiertes Engagement für die neu-rechte Wochenzeitung Junge Freiheit. (jm)

LinX: Herr Henscheid, was verbinden Sie mit Kiel?

Eckhard Henscheid (E.H.): Ich habe hier schon einige Lesungen gemacht, aber mehr noch verbindet mich mit Kiel die Barschel-Affäre. Darüber in der „Titanic“ schreibend habe ich das damals intensiv verfolgt, ich war ein richtiger Kenner dieser Tragikomödie. Das wäre auch ein schöner Komödienstoff fürs Theater gewesen, aber man hat mich nie gefragt. Vielleicht wollen die Leute im Theater Bedeutendes sehen, dies war ja eher eine Ansammlung von Seltsamkeiten und Schrulligkeiten absonderlicher aber zeittypischer Figuren, nicht viel anders als in Bayern, doch für unsere Augen und Ohren etwas exotischer.

LinX: Bevor Sie zur Literatur kamen, wollten Sie Musiklehrer werden, daraus wurde nichts, aber Ihrer Leidenschaft für Musik hat das keinen Abbruch getan.

E.H.: Der Berufswunsch ist – zum Glück – an einem gebrochenen Finger gescheitert und die Musik wurde zu einem ernst gemeinten Hobby, nicht viel anders als bei Adorno. So ergab sich das Vergnügen über Musik zu schreiben. Denn die Fachleute können das nicht lesbar und das ist dann die Chance des Amateurs, Beispiel Mozart im Mozart-Jahr: dort Aspekte herauszustellen, die die Vollprofis nicht interessieren.

LinX: Querdenkerisch, auch ein wenig als Entsockelung?

E.H.: Querdenker ist ein inflationäres Modewort, aber im Grunde ist es nicht falsch, Terrains zu beackern, die eigentlich naheliegend sind, gar nicht so quer, Wege, die von den Fachleuten nicht beschritten werden, was die Chance gibt, etwas abseitig Aspekte zu entdecken, die auf der Hand liegen, die aber der Denkfaulheit der professionellen Musikdeuter Jahrhunderte lang entgangen sind oder die sie nicht für würdig erachten.

LinX: Querdenkend auch als politischer Autor – die „Neue Frankfurter Schule“ hatte ja einen durchaus gesellschaftskritischen Anspruch?

E.H.: So ganz einig waren sich die Mitglieder da nie, weder theoretisch, noch in ihrem praktischen politischen Verhalten. Aber mit einiger Vorsicht könnte man sagen, dass es eine politische Prägung gibt, selbst wenn keiner interessiert wäre einen Demonstrationszug anzuführen. Wenn man es mehr in einer künstlerisch verspielten Weise begreift, dann bin ich schon ein politischer Autor. Allerdings wird es immer schwieriger politische Satire zu schreiben. Ich mache das häufig, aber nicht mit dem Gefühl, dass das mein Hauptberuf wäre. Das ist eher Begleitmusik zum politischen Geschehen, dergestalt dass bei den Politikern bestimmte Worthülsen besonders beliebt sind, die man sprachkritisch herausstellen kann. Das ist wohl die einzige Möglichkeit einer Satire, die sich nicht mit Spaß begnügt, sondern falsches Bewusstsein wie die Gutmenschen-Rhetorik verdienstvoll kritisiert. Auch wenn man sich nicht einbilden sollte, dass man die politische Landschaft damit verändert. Diesen Großanspruch aus den 60er Jahren würde heute wohl niemand mehr vertreten.

LinX: Gleichwohl haben Sie sich jüngst sehr konkret politisch eingemischt, in den Streit der „Jungen Freiheit“ mit den Veranstaltern der Leipziger Buchmesse, die der „Jungen Freiheit“ kein Podium bieten wollten. Zusammen mit Personen, die eher dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, haben Sie in einer Unterschriften-Aktion und zuletzt auch in einem Interview der „Jungen Freiheit“ für diese Partei ergriffen.

E.H.: Die Unterschrift war eine Selbstverständlichkeit. Warum soll ich einem rechts-konservativen Blatt, und mehr ist es meiner Ansicht nach nicht, meine Unterschrift verweigern, nur weil ich politisch einer anderen Szene angehöre? Was die Buchmessenveranstalter da versuchten, war opportunistisch und völlig ahnungslos. Die haben inzwischen wohl selber eingesehen, dass sie nicht genau wussten, wovon sie eigentlich faseln. Diese Gesellschaft, nicht nur die Linke, braucht offenbar ein schwarzes Schaf, einen Buh-Mann, all dies erfüllt die Junge Freiheit. Das ist schon erstaunlich, wo es in Deutschland doch einige Presse- und andere Organe gibt, die viel reaktionärer, dämlicher und gefährlicher sind. Man erntet allerdings keinen Beifall damit, dass man eine Unterschrift leistet für die Pressefreiheit. Gefährlich wird es aber doch erst durch dieses Lagerdenken, wenn die Betroffenen für solche Selbstverständlichkeiten nur noch ihre eigene rechte Klientel mobilisieren können. Ich habe in vier Jahren regelmäßiger Lektüre keinen einzigen rechtsradikalen Artikel in der „Jungen Freiheit“ finden können.

LinX: Das sah der Verfassungsschutz anders. So äußerte sich 2004 der NPD-Vorsitzende Udo Voigt in einem Interview der „Jungen Freiheit“, Hitler sei „ein großer deutscher Staatsmann“ gewesen. Begeben Sie sich als 68er da nicht in ein gefährliches Fahrwasser?

E.H.: Das war wohl Schlamperei des Interviewers. Aber wenn man das zum Maßstab nimmt, dann wären einige Zeitungen verfassungswidrig, dergleichen Unsinn fand sich auch früher in der FAZ. Im übrigen bin ich kein 68er und ich möchte weder mit den Rechten noch mit manchen Linken auf einen Gruppenabend gehen. In der Linken gibt es allerdings eine Neigung zur üblen Nachrede und Inquisition. Vielleicht muss ich mich deshalb jetzt doch von einer immer unklarer werdenden linken Szene verabschieden und eine neue Heimat finden, wohl nicht bei der Jungen Freiheit, aber auch umgekehrt nicht gerade bei der linken Tageszeitung junge Welt.