Un petit de Francaise
Neidvoll kann man dieser Tage mal wieder auf Frankreich blicken. Eine
breite Allianz aus Schülern, Studenten, Basisgewerk-
schaftern und den sehr trägen Gewerkschaftsapparaten hat es geschafft,
den Kündigungsschutz zu verteidigen. Die zweijährige Probezeit
für Jugendliche unter 26 ist fürs erste vom Tisch. Diesseits
des Rheins sind unterdessen die Kapitalisten seit Jahren deutlich erfolgreicher
darin, die Lohnabhängigen zu melken. Damit das auch so bleibt, haben
CDU und SPD sich in ihrem Koalitionsvertrag zum Beispiel darauf geeinigt,
die Probezeit auf zwei Jahre (!) auszudehnen. Für alle. Da stellt
sich die Frage: Wieso ist es hierzulande eigentlich so schwierig, Französisch
zu lernen?
Um die Unterschiede in den Voraussetzungen zu illustrieren, muss man gar nicht in den historischen Mottenkisten herum wühlen und auf die Ahnenreihen gescheiterter Revolutionen hie und erfolgreicher dort verweisen – was auch seine Berechtigung hätte. Es reicht schon, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in Frankreich in den sozialen Auseinandersetzungen seit Mitte der 90er Jahre eine politische Kultur entstanden ist, die die Lufthoheit des Neoliberalismus – seine Hegemonie, würde Gramsci sagen – herausfordern kann. Dazu gehören Massenorganisationen wie ATTAC, eine vielschichtige Basisgewerkschaftsbewegung (Solidaires) oder ein sehr kämpferischer Verband der Kleinbauern (Confederacion Paysanne). Dazu gehört aber auch ein intellektuelles Klima, indem ökonomische Sachbücher, die die neoliberalen Theorien widerlegen, auf den Bestsellerlisten rangieren. Vor allem gehört dazu, dass man gelernt hat, über den Tellerrand der eigenen (betrieblichen) Probleme zu blicken.
Diesbezüglich könnten wir in Kiel ganz konkret einen Nachhilfekursus
gebrauchen. Im Rathaus formiert sich einen ganz große Koalition für
den Winterschlussverkauf des Kieler Familiensilbers. Der Verkauf von KVG,
Bädern, Stadtwerken und anderem ist keine Sache, die nur die dortigen
Beschäftigten angeht. Das ist auch eine Frage der Nutzer, das heißt
fast aller Kielerinnen und Kieler. Wir brauchen schleunigst Bürgerinitiativen
gegen den Verkauf und vor allem ein Bündnis, dass die Beschäftigten
in den entsprechenden Betrieben mit allen anderen Interessierten – zum
Beispiel auch mit den Studenten, die sich gerade gegen Studiengebühren
und anderes wehren – zusammen bringt. (wop)