Ausverkauf der Stadtwerke?
Auf Anregung der Attac-Arbeitsgruppe „Bündnis Kielwasser“ fand
am 16. Mai 2006 im Legienhof eine Podiums- und Disskussionsveranstaltung
gegen den Verkauf weiterer Anteile der Kieler Stadtwerke an den Mannheimer
Energiever-
sorger-Konzern MVV statt. Ca. 100 Teilnehmer zeigten starkes Interesse,
die eingeladenen Parteienvertreter von CDU, SPD und GRÜNEN zur Rede
zu stellen, ob sie die aus dem Rathaus verlauteten Verkaufsabsichten unterstützen.
In der ersten Podiumsrunde stellten Kritiker der Privatisierung und Bündnispartner
ihren Standpunkt dar. Attac verwies auf die grundsätzlichen Folgen
des Verlusts der Daseinsvorsorge, stellte die politischen Ursachen wie
die finanzielle Aushungerung der Kommunen und die Notwendigkeit einer veränderten
Steuerpolitik zur Diskussion und forderte den sofortigen Rückkauf
der Kieler Stadtwerke, wie auch stärkere direkte Kontrolle der Betriebe
der Daseinvorsorge durch die Bevölkerung. Verdi und der Betriebsrat
der Stadtwerke wiesen auf die bereits bestehende Absicht des MVV-Konzerns
noch in diesem Jahr mit seinem Mehrheitsanteil den Betrieb auszuschlachten
und in externe, ausgegliederte GmbHs und Geschäftsfelder umzuwandeln,
mit der Folge weiteren Arbeitsplatzabbaus und der Zerschlagung eines eigenständig
operierenden Betriebes der Kieler Stadtwerke. Der Kieler Mieterbund stellte
die konkreten Auswirkungen für den Verbraucher und die zu erwartenden
Kostensteigerungen dar. Vom Bündnis Kielwasser wurde auf die Gefahren
für die Versorgungssicherheit, die Qualität und die Preise verwiesen
und die Arbeitsplatzvernichtung und den Demokratieabbau angeprangert. Der
MVV-Konzern wurde als Global Player mit dem Ziel der Profitmaximierung
entlarvt.
Die Parteienverteter Jürgen Hahn von der SPD und Lutz Oschmann von den GRÜNEN bekundeten danach auf dem Podium, dass sie auf keinen Fall weitere Anteile verkaufen wollen. Gerd Reimers für die CDU versprach nur ein gründliches Abwägen der Argumente. Jürgen Hahn und Geerd Reimers sind gleichzeitig Vertreter im Aufsichtsrat der Stadtwerke, vermieden aber Äußerungen zu den geplanten Ausschlachtungsabsichten des Konzerns.
Ein attac-Vertreter berichtete über Beispiele aus anderen Städten, wo die Privatisierung verhindert oder rückgängig gemacht werden konnte, wie z.B. Ahrensburg.
Über die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens berichtete Herr Tovar, der als einzigstes Mitglied aus dem Rathaus öffentlich seine Entscheidung für den Verkauf als größten Fehler bezeichnete. Er unterstützt das Bündnis Kielwasser und empfiehlt ein Bürgerbegehren, falls ein Verkauf weiterer Anteile von der Ratsversammlung angestrebt wird. In Kiel müßten dann konkret 10% der Bürger mobilisiert werden, d.h. 1.800 Unterschriften in 4 Wochen gesammelt werden. Ein Ratsentscheid wäre dann bis zu einer durchzuführenden Wahl aller Bürger aufgeschoben.
Der NABU erklärte, warum auch Umweltverbände gegen die Privatisierung sind, denn sie befürchten, dass dann wegen Demokratiemangel und Gewinnmaximierung die Energieversorgung weiterhin mit umweltschädlicher Kohle betrieben wird, statt ökologisch sinnvollere Varianten zu prüfen.
Ver.di verwies noch auf die anderen in der Stadt anstehenden Privatisierungen wie Abwasser, Seehafen, KVG und ABK und mahnte dazu, diese nicht zu vergessen. Verwiesen wurde noch auf das neue Energiewirtschaftsgesetz, mit dem die Netze reguliert werden und die die Energiekonzerne zum Vorwand nehmen um Arbeitsplätze abzubauen, weil sie ja zu Kosteneinsparungen gezwungen wären (10 Mio. Einnahmeverlust für den MVV-Konzern wegen der durch die Regulierungsbehörde vorgeschriebenen verbilligtem Netznutzungspreise.). Von den ehemals 1.800 Beschäftigten sind bei den Stadtwerken nur noch 1.000 übrig, davon nur 777 Vollzeitkräfte.
In der nachfolgenden aufgeregten Diskussion fielen besonders mehrere
Vertreter der GRÜNEN, insbesondere Tönjes, auch ein ehemaliges
Aufsichtsratsmitglied der Stadtwerke, mit persönlichen Anschuldigungen
und Pöbeleien aus dem Rahmen. Die Schuld für den Verkauf der
Stadtwerke suchten sie allein in einer verfehlten Personalpolitik, durch
zu hohen Personalbestand, zu hohe Lohnabschlüsse und Mästung
von Vorstandsmitgliedern. Sie warfen dem Betriebsrat, ver.di und der SPD
vor, die Stadtwerke in einen Saustall verwandelt zu haben. Konzerne hätten
den Betrieb gerne gekauft, wegen des selbstverursachten „Rationalisierungspersonals“.
Gleichzeitig empfahlen sie das neue Energiewirtschaftsgesetz, wobei offensichtlich
die Bundes-
GRÜNEN mitgewirkt haben. Regulierungsbehörden ermöglichten
den Wettbewerb und damit die Absenkung der überhöhten Energiepreise.
So die Theorie der GRÜNEN, die aber kein Wort darüber verloren,
dass die Bundesgrünen an den Steuererleichterungen für Konzerne
und Vermögende beteiligt sind und damit das finanzielle Aushungern
der Kommunen mit verschuldet haben. Die Vertreter-GRÜNEN versuchten
sich als die besseren Energieberater zu verkaufen und wünschten mehr
Vertrauen in die staatlichen Regulierungsbehörden um die Stromnetze
zu schützen. Sie forderten Energiesparkonzepte und einen „Energiepakt“
der Kommunen und schürten den Glauben an die Regulierung des Marktes
für billigen Strom. Welche Auswirkungen die Liberalisierung der Märkte
für Betriebe, Beschäftigte und Bevölkerung tatsächlich
haben, konnte auf der Veranstaltung nur kurz am Beispiel der Telekom von
verdi-Vertetern dargestellt werden. Die neoliberale Positionierung der
GRÜNEN bedarf noch einer gründlicheren Offenlegung und Diskussion.
Die GRÜNEN versuchten damit das Ziel der Veranstaltung zu verhindern, ein Bündnis gegen den Ausverkauf der Stadtwerke und für Rekommunalisierung in Kiel aufzubauen.
Der größte Teil der Anwesenden unterstützt dies aber
und das neue erweiterte Bündnis Kielwasser trifft sich jeweils am
2. und 4. Montag im Monat in der Pumpe um weiteres Vorgehen und Aktionen
zu besprechen. Wer Infos haben möchte und sich aktiv beteilgen möchte,
kann sich auch auf der Interneseite www.buendnis-kielwasser. de in einer
Mailingliste eintragen. (Uwe Stahl)