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Holtenau wird nicht ausgebaut:

Erfolg nach fünf Jahren

Der Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau ist nun endgültig vom Tisch. Entscheidend war das Machtwort von Wirtschaftsminister Dietrich Austermann vom 24. Januar 2006. Für viele kam dieses plötzliche Aus völlig überraschend. Der Verlauf der Ausbaudiskussion in den letzten fünf Jahren ließ eher eine Fortsetzung dieser Debatte in Form einer längerfristigen Hängepartie erwarten. Diese Option stellte das letzte von Schleswig-Holstein und Hamburg in Auftrag gegebene Gutachten zur Vorbereitung eines gemeinsamen Luftverkehrskonzeptes auch als eine mögliche Variante in Aussicht. Die Landesregierung tat gut daran, die leidige  Ausbau- diskussion endlich zu beenden. Ein Ausbau des Flughafens hätte sich nicht gerechnet. Selbst eine unter Umwelt-, Lärm- und Sicherheitsaspekten mehr als fragwürdige XXL-Ausbauvariante unter Einschluss von Charter-, Luftfracht- und Billigflugverkehr hätte keine Chance auf einen nur ansatzweise rentablen  Flug- hafenbetrieb geboten. Grund war der periphere Standort Kiels, die Wettbewerbssituation zu den relativ nah gelegenen Flughäfen in Hamburg-Fuhlsbüttel und Lübeck-
Blankensee, vor allem aber die Veränderungen im Luftverkehr der letzten fünf Jahre. Einbrüche beim Passagieraufkommen als Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001, die neue Konkurrenzsituation durch Discount-Airlines, aber vor allem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland führten zu einer drastischen Änderung des Nachfrageverhaltens im Luftverkehr.

Ein Vergleich mit den optimistischen Annahmen der damaligen „Potenzialanalyse zum Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau“ vom Januar 2001 macht die geradezu dramatischen Einbrüche im Fluggastaufkommen deutlich: Für das Jahr 2005 wurden damals rund 200.000 Passagiere für Kiel prognostiziert (sog. „Szenarium 2“). Es sollten täglich sieben Linienverbindungen innerhalb Deutschlands und Europa (Kopenhagen) realisiert werden. Schon in 2006 sollte der Flughafenausbau erfolgen und die Fluggastzahlen dann auf über 250.000 Personen hochschnellen. Noch optimistischere Szenarien gingen sogar von noch deutlich höheren Passagierzahlen aus. Die nüchterne Realität sieht derzeit so aus, dass im Dezember 2005 die letzte noch in Holtenau verbliebene Linienverbindung durch die dänische „Cimber-Air“ eingestellt wurde. Mit großen finanziellen Anstrengungen des Landes und der Stadt (2 Mio. Euro Subventionen für zwei Jahre) ist es zumindest vorerst gelungen, ab Mai 2006 eine regelmäßige Anbindung nach München durch „Cirrus Air“ anzubieten. Darüber hinaus ist von weiteren „Linienverbindungen“ nach Frankfurt und Berlin in 9-sitzigen (!) Maschinen die Rede. Andere Fluggesellschaften brachten sich durch Vorschläge von durch Anschubfinanzierungen mit Steuermitteln geförderten Linienflügen nach Frankfurt mit Zwischenstopp in Lübeck (!) mit eher zweifelhaftem Erfolg ins Gespräch. Im Ergebnis muss man aber feststellen, dass der Linienverkehr von und nach Kiel-Holtenau zwischenzeitlich mehr oder weniger zum Erliegen gekommen ist.

Das liegt aber keinesfalls daran, dass hier nur kleinere Turboprop-Maschinen eingesetzt werden können, wie damals in der Potenzialanalyse noch kritisch bemerkt wurde. Die Gutachter gingen übrigens davon aus, dass diese Flugzeugtypen heute schon gar nicht mehr eingesetzt werden könnten. Diese Fehleinschätzung wird auch dadurch widerlegt, dass Hersteller dieser Flugzeuge sich momentan vor Aufträgen kaum retten können. Es gibt darüber hinaus Beispiele für gut frequentierte Business-Airports mit im Vergleich zu Kiel noch kürzeren Start- und Landebahnen. Aber das ist nicht das Hauptproblem in Kiel. Selbst bei einem Ausbau und dem Einsatz von größeren Passagierjets wären aufgrund des zu geringen Marktvolumens nur wenige Flüge pro Tag zu einzelnen Destinationen zu erwarten gewesen. Geschäftsleute benötigen aber Vielfalt in den Flugzielen, hohe Frequenzen auf den einzelnen Strecken und günstige Flugtarife neben einer guten Erreichbarkeit des Flughafens. Das hätte Kiel-Holtenau im Vergleich zu den Angeboten eines sich in unmittelbarer Nähe befindlichen größeren Flughafens wie Hamburg-Fuhlsbüttel niemals bieten können. Die wirklichen Ausbaugegner waren also nicht protestierende Bürger oder renitente Bürgermeister in angrenzenden Gemeinden, sondern Firmen und Geschäftsreisende, die sich zunehmend mehr eindeutig gegen die Nutzung der Flugangebote Kiel-Holtenaus entschieden haben. Wie die neuen Linienverbindungen von der Geschäftswelt angenommen werden, muss zunächst einmal abgewartet werden.

Im Ergebnis waren die damaligen Ausbauplanungen daher eindeutig vom Wunschdenken unter Vernachlässigung der wirtschaftlichen Realitäten bestimmt. Unstrittig ist, dass der Wirtschaftsraum rund um die Landeshauptstadt Kiel (sog. K.E.R.N.-Region) die Anbindung an einen leistungsfähigen Flughafen mit regelmäßigen Verbindungen innerhalb Deutschlands, Europas und zu den internationalen Drehkreuzen dringend benötigt. Die Straßenanbindung an den Hamburger Flughafen über die Autobahn ist in den letzten Jahren deutlich verbessert worden. Hier wären den Individualverkehr ergänzende schnelle Busverbindungen mit integrierten Check-In-Lösungen begrüßenswert. Vor allem aber fehlt bislang noch das schienengebundene Pendant hierzu. Überlegungen wie der sog. „Metro-Express“ sollten insofern sorgfältig geprüft werden. Aber auch die schnelle Weiterfahrt vom Hamburger Hauptbahnhof per Express-Bahn nach Fuhlsbüttel wäre eine sinnvolle Verbesserung im Vergleich zur heutigen Situation. Es gibt also durchaus realistische Lösungsansätze, die im Sinne der hiesigen Wirtschaft wären. Ein Ausbau Kiel-Holtenaus wäre in jedem Fall die unwirtschaftlichste von diesen gewesen.

Es bleibt für einen möglichen Ausbau lediglich das sog. „Provinz-Argument“: Kiel als Landeshauptstadt müsste doch über einen (größeren) Flughafen verfügen. Im Zuge überregionaler Kooperationen und einer Föderalismusdiskussion in Deutschland sollten derartige, eher im Bereich der Psychologie angesiedelte Argumente eigentlich der Vergangenheit angehören. Nicht jede Landeshauptstadt in Deutschland braucht alle möglicherweise denkbaren Infrastruktureinrichtungen, nur weil sie gewisse zentrale Funktionen zu erfüllen hat. Sinnvoll ist, was unbedingt nötig ist und nicht, was theoretisch denkbar und wünschenswert wäre – vor allem vor dem Hintergrund leerer öffentlicher Kassen. Da hilft auch nicht das gerne zitierte Argument weiter, dass ein Flughafen im Prinzip wie ein Radweg zu betrachten sei, also weit abseits jeder betriebswirtschaftlichen Effizienz. Kiel und das Land Schleswig-Holstein können letztlich froh sein, dass ihnen eine teure Investitionsruine erspart geblieben ist. Jetzt gilt es, die eingesparten Mittel für sinnvolle Investitionen oder den Schuldenabbau zu verwenden. Kiel sollte aber nunmehr den Blick nach vorne richten und sich auf seine wahren Stärken konzentrieren: Die maritime Wirtschaft und die verschiedenen Hochschulen sowie die damit verbundenen Forschungseinrichtungen. Kiel ist damit auch ohne größeren Flughafen keinesfalls aus der Welt verschwunden.

Aus: Düsenfluch Nr.8, Zeitung der Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung in Kiel-Holtenau