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Kommentar:

Der mörderische Alltag

Die „Reisewarnungen“ des ehemaligen Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye haben viel Staub aufgewirbelt. „Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen“, hatte er  im Deutschlandradio Kultur gesagt. Während sich die Regierenden noch im Beschwichtigen übten, holte die Realität sie ein: Am Morgen des 19. Mai noch hatte Berlins Innensenator Körting (SPD) im Deutschlandradio vollmundig erklärt, er könne dunkelhäutigen Besuchern der Hauptstadt „uneingeschränkt“ empfehlen, „sich zu allen Zeiten alle Ecken Berlins anzuschauen.“ Wenige Stunden später wird Giyasettin Sayan, seit 1995 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, von zwei jungen Männern zusammengeschlagen. Der PDS-Parlamentarier berichtet, dass die Täter mit einer Flasche auf sein Kopf und Gesicht ein chlugen und dabei riefen: „Scheiß Türke, wir kriegen dich.“

Alltag in Deutschland. Die Amadeu-Antonio-Stiftung rechnet vor, dass in Deutschland seit 1990 mindestens 133 Menschen durch rassistische Gewalt ums Leben kamen. Man kann diese Gewalt mit einigem Recht als die radikalisierte Variante der Abschottungspolitik der EU-Staaten sehen. Unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands hat sich in Europäischen Union eine aggressive Politik gegen Flüchtlinge und Einwanderer durchgesetzt, die jeden Dunkelhäutigen unter  General- verdacht stellt, die nur noch nach dem richtigen Pass schaut und vollkommen unerfindlich für menschliches Leid geworden ist. Abgelehnte Asylbewerber werden selbst nach Afghanistan und in den Irak abgeschoben, alte Asylbescheide von Flüchtlingen aus diesen Staaten gar widerrufen und an den Außengrenzen der EU sterben die Menschen zu hunderten, da es für Flüchtlinge und Arbeitsmigranten aus den meisten Ländern keinen legalen Weg mehr in den Norden gibt. Die Botschaft, die von dieser Politik ausgeht ist eine doppelte. Den Einwanderern, Flüchtlingen und selbst den dunkelhäutigen Touristen wird klar gemacht: Ihr seit unerwünscht. Der deutschen Öffentlichkeit hingegen vermitteln man das Bild des „wir“-gegen-„die“, wobei „die“ „natürlich“ nicht hierher gehören. Erst wenn dieses Schema durchbrochen ist, kann die Gewalt der Rechten wirksam isoliert und bekämpft werden. (wop)