Nächste Seite
Tarifkonflikt im Landesdienst:

Sitzblockade vor dem Landtag

Das sitzen wir jetzt aus“ war das Motto des Sitzstreiks der Landesbeschäftigten am 17. Mai vor dem Landtag. Rund 750 Beschäftigte aus Schleswig-Holstein hatten sich auf mitgebrachten Stühlen für einige Stunden vor dem Landeshaus niedergelassen und demonstrierten dagegen, dass die Arbeitgeber, die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), ihnen seit Monaten einen Tarifvertrag verweigerten. Gleichzeitig wiesen sie mit ihrer Aktion darauf hin, dass es sich um den mit Abstand längsten Tarifkonflikt des Öffentlichen Diensts in der Geschichte Deutschlands handelte: Viele der Beschäftigten befanden sich seit dem 14. Februar 2006 im unbefristeten Streik.

Neben diversen Skatrunden wurden die Streikenden vom „Kieler Streikensemble“ unterhalten. Aufgeführt wurde ein Stück über 1-Euro-Jobs und den zunehmenden Stellenabbau im Öffentlichen Dienst. In diesem Zusammenhang wies ver.di-Sekretär Frank Hornschu in seiner Rede auf die Uni Hamburg hin: Dort arbeiten mittlerweile über einhundert 1-Euro-Jobber. Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge im Forschungsbereich sogar eine Wissenschaftlerin, die sich auf ihrer ehemaligen tarifgebundenen Stelle nun als ALG-II-Empfängerin wieder fand.

Die Streiks der Landesbediensteten in den letzten Monaten krankten wesentlich am mangelnden Organisationsgrad der Beschäftigten: Gerade einmal 5% von ihnen sind in ver.di organisiert. Und von diesen beteiligten sich aktiv meist nur die Arbeiter am Streik. In Schleswig-Holstein kam erschwerend hinzu, dass die Beschäftigten der Uni-Kliniken nicht zum Streik aufgerufen werden konnten, da ver.di für sie einen viel kritisierten Beschäftigungspakt vereinbart hat. Zudem waren die Landesbediensteten das erste Mal seit Bestehen der BRD zum Streik aufgerufen. In früheren Konflikten erkämpften stets die Busfahrer und Müllwerker Tarifverträge und Lohnerhöhungen. Aber diese gehören, soweit sie nicht schon privatisiert sind, zu den Kommunen. Und diese hatten bereits vergangenes Jahr einen Tarifvertrag vereinbart.

Auch der Sitzstreik wird dazu beigetragen haben, dass die TdL und ver.di sich am 19. Mai doch auf einen neuen Tarifvertrag verständigt haben. Auf der Habenseite können die Beschäftigten verbuchen, dass nun auch für sie das neue Tarifrecht des TVöD gilt, das den angestaubten BAT abgelöst hat. Zudem konnte ein, wenn auch ausgefranster, Flächentarifvertrag erhalten bleiben. Jedoch mussten sie dafür diverse Kröten schlucken. Während der extrem langen Laufzeit bis Ende 2009 werden sie für 2006 und 2007 geringe Einmalzahlungen erhalten. Erst 2008 werden die Entgelte tabellenwirksam um 2,9% erhöht. Die Arbeitszeit wird nach einer komplizierten Rechenformel in jedem Bundesland anders aussehen: Für Schleswig-Holstein werden es statt 38,5 in Zukunft im Mittel rund 38,7 Stunden in der Woche sein. Lediglich für die Bereiche, in denen die Beteiligung am Streik besonders groß war, zum Beispiel dem Küstenschutz, den Straßenmeistereien und den Landeskliniken, bleibt es bei der bisherigen Arbeitszeit. Am katastrophalsten wird sich aber die in den Tarifvertrag aufgenommene Regelung auswirken, dass in der Zukunft die Länge der Arbeitszeit in gesonderten Landestarifverträgen ausgehandelt werden kann. Federn lassen mussten die Beschäftigten auch beim Weihnachts- und Urlaubsgeld. Hier fällt die Kürzung bei den unteren Einkommensgruppen weniger drastisch aus als bei den Besserverdienenden.

Die neuen Regelungen sollen in abgewandelter Form - und mit deutlich größeren Gehaltssteigerungen - auch für die Ärzte an den Landeskliniken gelten. Eine Vereinbarung, die ver.di deutliche Kritik eingebracht hat. Schließlich vertritt die Gewerkschaft nur eine Handvoll Ärzte. Die meisten sind im Marburger Bund organisiert, der die Tarifunion mit ver.di im vergangenen Jahr aufgekündigt hatte. Dieser steht derzeit selbst in Verhandlungen mit der TdL und fordert Einkommenszuwächse von 30% für die in Kliniken angestellten Ärzte.

Etwas Gutes hatte die Tarifauseinandersetzung aber doch: Durch die monatelange Hinhaltetaktik der Arbeitgeber und ihren offensichtlichen Versuch, den Flächentarifvertrag zu zerschlagen wird in Gewerkschaftskreisen wieder verstärkt darüber nachgedacht, wie das gesetzliche Verbot von Generalstreiks auszuhebeln ist und es auch in Deutschland zukünftig zu politischen Streiks als Kampfmittel kommen kann. (mk)