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Zoff bei der Wahlalternative:

Vorstände abgesetzt

Der Bundesvorstand der WASG hat ernst gemacht und die Landesvorstände in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern abgesetzt. In beiden Bundesländern hatten die WASG-Landesverbände beschlossen, gegen die jeweils mit der SPD koalierende L.PDS bei den kommenden Landtagswahlen anzutreten. Nun wurden Beauftragte des Bundesvorstandes eingesetzt, die bei den Landeswahlleitern die Wahlanzeigen zurückzogen. Ob diese dies akzeptieren ist noch offen. Genauso steht noch die Klärung vor dem WASG-Bundesschiedsgericht des aus.

Anfang Mai hatte der WASG-Bundesparteitag mit knapper Mehrheit dem Bundesvorstand für die jetzt eingeleiteten Maßnahmen grünes Licht gegeben.  Voraus- gegangen waren dem eine Erpressung durch Oskar Lafontaines und andere führende Mitglieder der Linksfraktion im Bundestag, die  Spaltung gedroht hatten, sollte der Parteitag ihnen nicht folgen. Nach dem besagten Beschluss waren drei Mitglieder des Bundesvorstandes zurückgetreten, da sie die Zwangsmaßnahmen nicht mittragen wollten. Thieß Gleiss (Autor der Sozialistischen Zeitung aus Köln) verblieb im Vorstand, stimmte jedoch gegen die Amtsenthebungen. Voll auf Linie ist hingegen Bundesvorstandsmitglied Christine Buchholz von Linksruck. Die Linksrucker, die sich noch vor einem Jahr engagiert an einem (gescheiterten)  Volksbe- gehren zur Abwahl des Berliner Senats beteiligt hatten, haben mal wieder aus ihrer Londoner Zentrale einen ihrere berüchtigten Linienschwenks verordnet  be- kommen und kämpfen nun mit allen Mitteln für die Unterstützung der L.PDS-Kandidatur.

Weinige Tage nach dem Eingreifen der Zentrale hielt der Berliner Landesverband einen Sonderparteitag ab, der bereits seit längerem einberufen war.  Erwartungs- gemäß blieb der Bundesvorstand in der Minderheit. Knapp zwei Dutzend Delegierte, darunter eine Reihe Linksrucker, hielten ihm die Stange, rund 90 Delegierte solidarisierten sich mit dem abgesetzten Landesvorstand. Die Atmosphäre war extrem kämpferisch. Der ver.di-Betriebsgruppenvorsitzende am Großkrankenhauses Charité, Carsten Becker, der auch auf der WASG-Landesliste kandidiert, berichtete von den Erpressungsversuchen des L.PDS-Senators Flierl. Lohnverzicht oder Entlassungen heißt die Alternative, vor der „Demokratische Sozialist“ die Belegschaft stellt. Diese hat bereits mit Warnstreiks geantwortet. Auch andere Kandidatinnen und Kandidaten berichteten von den zahlreichen Einsparungen des „rot-roten“ Senats, zum Beispiel bei den Kindergärten, bei den Vorschulen, beim Förderunterricht und vielem mehr. Der Parteitag zeigte, dass es für die kämpferische Mehrheit der Berliner WASG vollkommen unvorstellbar ist, die Politik der Berliner L.PDS-Führung zu unterstützen.

Der unsoziale Kurs der Berliner L.PDS scheint sich auch im Bundesgebiet herum gesprochen zu haben. In Niedersachsen traten wegen der Maßnahmen des Bundesvorstandes fünf Mitglieder des Landesvorstandes zurück. Aus Bremen gab es emeinsamen Protest der dortigen Landesverbände von WASG und L.PDS. Auch hierzulande regt sich Widerspruch: „Der WASG-Kreisverband Neumünster solidarisiert sich mit den beiden gemaßregelten Landeverbände und wendet sich ab von einem zentralistisch, diktatorischem Führungsstil. Nicht die Landesverbände Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern müssen hier zur Debatte stehen, sondern die Linkspartei. Sie ist es die in beiden Bundesländern sich aktiv an der Durchsetzung der neoliberalen Politik beteiligt.“

Unterdessen fand am 20. in Kassel ein mit 250 Teilnehmern sehr gut besuchtes erstes treffen der WASG-Linken statt. Fast alle Bundesländer waren vertreten, und auch Vertreter des Marxistischen Forums in der PDS und des Geraer Dialogs, ebenfalls eine linke PDS-Strömung, diskutierten mit. Derweil hat der eingesetzte Beauftragte Aydin Büro und Infratsruktur des Berliner Landesverbandes übernommen. Die Opposition organisiert sich derweil übers Internet und bildet in den meisten Bezirksgruppen die Mehrheit. Nur eine wird von den Linksruckern dominiert, die sich dort konzentrieren. Am Donnerstag nach Redaktionsschluss wird das Bundesschiedsgericht der WASG über die Einsprüche aus Berlin und MeckPomm entscheiden. Der Berliner Landesvorstand hat bereits angekündigt, dass er die Gerichte bemühen wird, sollte er beim Schiedsgericht nicht Recht bekommen. Und dann ist noch vollkommen offen, wie der Berliner Landeswahlausschuss entscheidet, der am 1. Juni tagt. Es könnte durchaus sein, dass man auch dort den Beauftragten des WASG-Bundesvorstandes nicht für berechtigt hält, die Wahlanzeige zurückzuziehen. Sollten alle Stricke reißen, so haben einige bereits die Kandidatur einer „Wahlalternative Soziales Berlin – WASB“ angekündigt, die als Plan B fungieren könnte. Der Schritt war in der Berliner WASG-Mehrheit nicht unumstritten. Noch ruft der abgesetzte Landesvorstand dazu auf, um die Kandidatur zu kämpfen. Wie es aussieht stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Wählerumfragen geben der WASG meist zwei bis drei Prozent, aber das Potenzial ist angesichts des großen Unmuts unter den Berlinern über die Politik ihres Senats sicherlich deutlich größer. Eins scheint jedenfalls jetzt schon sicher: Die L.PDS wird ein rundes Drittel ihrer Wähler verlieren. So oder so. (wop)