Nächste Seite


 Die aktuelle Entwicklung am Flughafen Lübeck-Blankensee

Wirtschaftsboom oder Schuldenfalle ?

Am 13. Januar 2006 fand eine öffentliche Anhörung über Regionalflughäfen statt, zu der die GRÜNEN ins Kieler Landeshaus eingeladen hatten. Vor allem die Debatte um den Lübecker Flughafen brachte viele Besucher in Rage. Während die Flughafenbetreiber bei einem Ausbau von vier bis sechs Millionen Passagieren und mindestens 1.200 neuen Arbeitsplätzen sprachen, beurteilten andere diese wirtschaftlichen Aspekte eher kritisch. In diesem Zusammenhang fiel auch das Zitat von „verbranntem Geld“. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet die wirtschaftlichen Effekte eines möglichen Ausbaus des Lübecker Flughafens aus der Sicht der Kritiker.

1. Geschichte

Der Flughafen Lübeck beginnt seine Entwicklung als militärische Fliegerstation im Jahre 1917 und wird in den folgenden Jahrzehnten ganz überwiegend als Militärflugplatz genutzt. 1948 erfolgt der Ausbau der Start- und Landebahn auf 1.800 m Länge und 60 m Breite, um im Rahmen der Berlin-Blockade  Ver- sorgungsflüge nach Westberlin zu ermöglichen. 1952 erfolgt die Freigabe des Segelflugsportes, und neben der weiteren militärischen Nutzung gibt es auch etliche Versuche, reguläre Linienflüge zu etablieren. 1958 wird die „Betriebsgesellschaft Flugplatz Lübeck-Blankensee m.b.H.“ gegründet, an der nur die Hansestadt Lübeck beteiligt ist. Aber durch die Nähe zur innerdeutschen Grenze und entsprechende Beschränkungen im Luftraum bleibt der Flughafen bedeutungslos.

Jedoch nach dem Fall der Mauer wittert der Flughafen Morgenluft, und die Stadt Lübeck beginnt mit Baumaßnahmen: 1991 werden die Anflugbefeuerung erneuert und die Start- und Landebahn saniert. 1992 wird das Instrumentenlandesystem installiert, und 1996 wird im Westen eine so genannte Startabbruchstrecke von 300 m gebaut, die seitdem mit Außenlandeerlaubnissen als Verlängerung der offiziellen Start- und Landebahn genutzt wird.

Trotz wachsender Passagierzahlen rutscht der Lübecker Flughafen immer weiter in die roten Zahlen. „Ryanair“ erfreut die Fluggäste mit Niedrigstpreisen, zahlt aber kaum etwas an den Flughafen.

1997 werden ein Ankunfts- sowie ein Feuerwehrgebäude errichtet. Im Jahr 2000 wird ein neues Vorfeld von 13.500 qm in Betrieb genommen, und 2001 wird ein neues Ankunftsgebäude eröffnet. Es findet für einige Jahre ein lebhafter Charterflugverkehr statt, der aber nach 2003 langsam zum Erliegen kommt. Stattdessen wird der Flughafen ab dem 1. Juni 2000 von der Fluggesellschaft „Ryanair“ angeflogen, und diese Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren zum stark dominierenden Nutzer des Flughafens entwickelt.

Im Frühjahr 2002 wurde das Planfeststellungsverfahren zur Verlängerung der Start- und Landebahn sowie des Taxiways C eingeleitet, und parallel dazu verliefen Bemühungen der Stadt Lübeck, den Flughafen zu privatisieren. Der Planfeststellungs-
beschluss zum Ausbau erging schließlich am 20. Januar 2005; er wurde jedoch sofort in Haupt- und Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig beklagt. Klagende Parteien sind BUND/Nabu, die Gemeinde Groß Grönau sowie eine Gemeinschaft privater Kläger. Am 18. Juli 2005 erging schließlich der negative Beschluss des OVG im Eilverfahren von BUND und Nabu, der zum Baustopp führte und die Privatisierungsbemühungen der Stadt Lübeck entscheidend erschwerte.

Wie geht es mit dem Lübecker Flughafen nun weiter? Das Land möchte das zwischenzeitlich gestoppte Planfeststellungsverfahren wieder aufnehmen. Wie hoch wird wohl der Preis sein?

2. Rechtliche Situation

Der Flughafen Lübeck-Blankensee ist nie planfestgestellt worden, und damit hat nie eine Abwägung zwischen den Interessen des Flughafens einerseits und den Interessen von Anwohnern und Naturschutz andererseits stattgefunden. Der Flughafen beruft sich stattdessen auf eine fiktive Planfeststellung nach § 71 LuftVG; eine solche gilt aber nur für die Bau- und Erweiterungsmaßnahmen, die bis zum 1. Januar 1959 durchgeführt worden sind.

Die seither durchgeführten Baumaßnahmen und Installationen, die eine Planfeststellung und damit Interessenabwägung erfordert hätten, sind pikanterweise sehr genau in einem Gutachten aufgelistet, das die Kanzlei „Graf von Westphalen, Bappert und Modest“ am 21. Februar 2002 im Auftrag des Kieler Wirtschaftsministeriums für den geplanten Ausbau des Flughafens in Kiel angefertigt hat.

Laut diesem Gutachten (Verfasser: Dr. Ronald Steiling) hätten folgende Bau- und Erweiterungsmaßnahmen planfestgestellt werden müssen:

• Bauliche Veränderungen der Start- und Landebahn, die zu einer Erhöhung der Tragfähigkeit führen
• Errichtung bzw. Befestigung von Vorfeld- sowie Abstellflächen und Rollbahnen
• Errichtung des Kontrollturmes
• Installation von Instrumentenlandeanlagen sowie Anflugbefeuerung
• Errichtung von Großbauten zur Abfertigung und Hangars

Alle diese Bauten bzw. Installationen wurden aber ohne Planfeststellungsverfahren errichtet bzw. durchgeführt, und aus diesem Grund kommt auch das OVG Schleswig in seinem Beschluss vom 18. Juli 2005 zu der Auffassung, „dass wesentliche Teile der derzeit baulich-technisch vorhandenen Anlagen – anders als vom Antragsgegner im Rahmen der Planfeststellung tatbestandlich angenommen und vorausgesetzt – in ihrem rechtlichen Bestand keineswegs gesichert sind.“ Die Aufnahme des Linienverkehrs durch „Ryanair“ wäre ohne diese illegalen Bauten und Installationen nie möglich gewesen! Deshalb werden auch entsprechende juristische Auseinandersetzungen, z. B. bezüglich der legalen Lärm- und Schadstoffvorbelastungen des Umlandes, im Streit um das neue Planfeststellungsverfahren mit Sicherheit folgen.

3. Wirtschaftliche Entwicklung bis zur Privatisierung

Eine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung kommt dem Flughafen Lübeck erst seit Aufnahme der regelmäßigen „Ryanair“-Verbindungen zu; in den Jahren davor blieben die Passagier-Zahlen deutlich unter 100.000 pro Jahr. Gleichzeitig jedoch begannen auch die Verluste am Flughafen deutlich anzusteigen; „Ryanair“ möchte sich laut einer Meldung in den Lübecker Nachrichten vom 3. November 2003 sowohl jede Linienverbindung mit 300.000 Euro als auch jeden einzelnen gebrachten Passagier mit 5 Euro bezahlen lassen. Dieses wird natürlich von offizieller Seite bestritten; in den Lübecker Haushalten tauchen aber immer wieder Marketingzuschüsse für den Flughafen auf, die diesen Forderungen entsprechen könnten.

Der bisherige Höhepunkt der katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung am Flughafen wurde 2004 erreicht; in diesem Jahr standen knapp 600.00 Passagieren Aufwendungen der Stadt für ihren Flughafen in Höhe von fast 10 Millionen Euro gegenüber. Und dass diese Summe nicht, wie immer beschworen, zur  Herbei- bringung von zahlungskräftigen bzw. -willigen Touristen dient, sondern im Gegenteil einen starken Abfluss von Kaufkraft aus Lübeck zur Folge hat, mögen zwei Zitate aus der Lokalpresse belegen:

„Blankensee: 180 Deutsche flogen nach Shannon, 50 Iren kamen mit Ryanair in Lübeck an – und wollten nach Hamburg.“ (ln-online.de vom 4. Mai 2005) „Genau 180 Sitzplätze hat der Airbus A 320. Beim Hinflug nach Lübeck waren kaum mehr als 60 Passagiere an Bord. Für den Rückflug hatte „Wizz Air“ aber 165 Tickets verkauft.“  (ln-online.de zum Start der „Wizzair-Linie“ nach Danzig vom 4. März 2006)

Klares Fazit dieser Zahlen: Die Tätigkeit des Flughafens Lübeck führt kaum zu einem Gewinn für die hiesige Tourismus-Industrie, dafür aber zu einem massiven Abstrom von Kaufkraft aus der Region und damit zu einer Schwächung regionaler Wirtschaftskreisläufe. Und obendrein wird der Lübecker Steuerzahler in die Pflicht genommen, damit in Irland und nun auch in Neuseeland private Investoren ihre Taschen füllen können.

Entwicklung von Passagierzahlen und entstehenden Verlusten am Flughafen Lübeck: Es wird deutlich, dass steigende Passagierzahlen und damit Umsätze zu einem Anstieg der Verschuldung und damit zu steigenden Lasten für den Steuerzahler führen.

4. Privatisierung

Die in den letzten Jahren massiv ansteigenden Verluste und weitere finanzielle Bedürfnisse des Flughafens (z. B. für den Ausbau) haben bei der Stadt Lübeck seit ca. dem Jahr 2000 zu Bemühungen um eine Privatisierung geführt. Als einziger Interessent blieb sehr bald nur noch der neuseeländische Investor „Infratil“ übrig, der aufgrund der desolaten Finanzlage der Stadt Lübeck die Bedingungen der so genannten Privatisierung extrem zu seinen Gunsten diktieren konnte.

Im April wurde offenbar ein erster Vertrag zwischen „Infratil“ und Lübeck geschlossen (in der Lokalpresse als „himmlische Hochzeit“ bejubelt), der aber nach Ergehen des negativen OVG-Beschlusses am 18. Juli 2005 weiter zu Lasten Lübecks modifiziert wurde und am 7. November 2005 von der Lübecker Bürgerschaft in seiner heute gültigen Fassung gebilligt wurde. Obwohl die genauen Inhalte des Vertrages streng geheim gehalten werden (Gründe zum Jubeln hätte man vermutlich öffentlich gemacht), lassen Zitate aus der Lokalpresse einiges deutlich werden:

„Der Kaufpreis von 13 Millionen Euro ist teuer erkauft. Für die Ablösung der Schulden, die Übernahme der Verluste von 2001 bis einschließlich 2004, die Übernahme der Zusatzversorgung der Mitarbeiter und die Generalentwässerung des Geländes wendet die Stadt fast 32 Millionen Euro auf.“ (ln-online.de vom 08.05.2005)

„Dafür steht Lübeck gerade, wenn Fördermittel des Landes nicht so fließen wie geplant – auch für die Rückforderung bereits geflossener Mittel.“ (ln-online.de vom 08.05.2005)

„Jedes unternehmerische Risiko wird vom Investor fern gehalten.“ (ln-online.de vom 26.10.2005)

„… hat sich der Investor verpflichtet, sämtliche bis Ende 2008 entstehenden Verluste und bis dahin notwendigen Investitionen als Darlehen vorzufinanzieren.“
(ln-online.de vom 26.10.2005)

„Und wenn das Geschäft schief geht, zahlt die Stadt alles zurück – mit Zinsen.“ (ln-online.de vom 26.10.2005)

„Scheitern die Ausbaupläne erneut vor Gericht, können die Neuseeländer das Geschäft rückabwickeln. Schaden für Lübeck: 17,5 Millionen Euro.“  – „Schwer zu schaffen machte vielen Politikern auch eine Ausstiegsklausel für den neuen Eigentümer. Fliegen bis 2008 nicht mindestens 1,2 Millionen Passagiere über Blankensee, kann „Infratil“ das Geschäft rückgängig machen.“

„Sollten beantragte Fördermittel für das neue Instrumentenlandesystem nicht fließen, kann „Infratil“ die Summe vom Kaufpreis abziehen.“ (ln-online.de vom 08.11.2005)

„Aber wie sagte Minister Austermann doch so schön: Ich bin übrigens klar gegen Subventionen, die Entwicklung ist allein eine Frage der Marktwirtschaft.“ (Hamburg Flughafen Nachbarschaftszeitung 1/2006)

Die Stadt Lübeck muss also mindestens 20 Millionen Euro zahlen, um die 90% der Anteile am Flughafen überhaupt erst einmal loszuwerden, dazu könnten weitere Zahlungen als Ersatz für ausbleibende Subventionen (siehe Äußerung von Minister Austermann) kommen, und falls das Geschäft für den Investor in den kommenden 3 Probejahren nicht gut genug läuft und er eine der zahlreichen Optionen zum Rücktritt nutzt, dann muss Lübeck auch für alle zwischenzeitlich aufgelaufenen Verluste und Kosten aufkommen. Die ganzen Kosten für das neue Planfeststellungsverfahren, Gerichtskosten für die mit Sicherheit zu erwartenden Klagen, und nicht zuletzt die Kosten für passiven Schallschutz und eventuelle Entschädigungen sind dabei noch gar nicht mit eingeschlossen. Aus all diesen Meldungen wird klar, dass „Infratil“ unter keinen Umständen auch nur die Andeutung eines unternehmerischen Risikos auf sich nimmt, der Steuerzahler aber weiterhin, und das auch im klaren  Widerspruch zu Minister Austermanns Absage an Subventionen, für alle Verluste und Teile der Investitionen aufzukommen hat.

5. Ausblick

Der marode Haushalt der Stadt Lübeck scheint durch die „Privatisierung“ des Flughafens vorläufig von einem seiner stärksten Verlustbringer befreit zu sein. Aber dieser Schein trügt; der Steuerzahler wird auch weiterhin zur Kasse gebeten: Der Flughafen ist bis auf weiteres von allen Anstrengungen der Stadt Lübeck zur Haushaltskonsolidierung ausgeschlossen. Kommende Verluste und Investitionen werden vom privaten Investor nicht selber getragen, sondern lediglich als Darlehen vorfinanziert. Tritt „Infratil“ nach der dreijährigen Probezeit vom Kauf zurück, hat Lübeck damit neue enorme Schulden auf sich geladen. Und Rücktrittsoptionen wurden dem Investor reichlich zugestanden.

Öffentliche Finanzmittel sind weiter für den Ausbau des Flughafens vorgesehen, so z.B. GA-Bundesmittel für das Instrumentenlandesystem ILS Cat II sowie die Verlängerung des Taxiway C. Auch wenn Minister Austermann angeblich klar gegen Investitionen im Luftverkehr ist, so dürfen sich doch der Flughafen Lübeck, „Ryanair“ und „Infratil“ weiterhin am Steuertopf schadlos halten. Vermutlich genau zu diesem Zweck behält die Stadt Lübeck vorläufig 10% der Anteile.

Und all das passt auch bestens zu einer wichtigen Aussage im Gutachten der UNICONSULT GmbH „Entwicklungsperspektiven der Flughäfen der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg“ vom 16. Dezember 2005: „Wie die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, setzt „Ryanair“ dabei... oftmals auch explizit auf die dauerhafte Subventionierung ihrer Strecken durch regionale Gebietskörperschaften.“

Dr. Matthias Klinger
- Sprecher der Klägergemeinschaft gegen den Ausbau des Flughafens Lübeck
(Quelle: „Düsenfluch 8“, Zeitung der Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung in Kiel-Holtenau)