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Allianz streicht fast 7.500 Stellen:

Streik gegen Jobkiller?

Der größte deutsche Versicherungskonzern Allianz streicht in Deutschland trotz Rekordgewinns fast 7.500 Stellen. Rund 5.000 Arbeitsplätze sollen bei der Allianz selbst wegfallen, weitere 2.480 bei der Tochter Dresdner Bank, wie das Unternehmen Ende Juni in München bekannt gab. Der Stellenabbau soll bis 2008 umgesetzt sein.

Ver.di will streiken

Mit der Ankündigung reiht sich die Allianz nach Deutscher Bank und Deutscher Telekom in die Serie der Großkonzerne ein, die trotz glänzender Bilanzen massiv Arbeitsplätze abbauen. Ver.di-Bundesvorstand Uwe Foullong kritisierte dies scharf. "Die Beschäftigten haben angesichts des Rekordgewinns der Allianz von 4,5 Milliarden Euro kein Verständnis für den Umgang des Konzerns mit den Beschäftigten." Allianz-Chef Michael Diekmann erklärte dagegen, dies sichere mittelfristig rund 25.000 Arbeitsplätze: "Wer notwendige Maßnahmen auf die lange Bank schiebt, kommt später um so stärker unter Druck.“ Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di plant bereits Protestaktionen und Warnstreiks, um die Allianz zu Zugeständnissen zu zwingen. Der Abbau der Stellen und die Schließung von einem Dutzend Allianz-Standorten würden nicht tatenlos hingenommen, sagte Ver.di-Vorstand Uwe Foullong am in München. „Wenn die Allianz nicht kurzfristig zu ernsthaften Verhandlungen über einen Kündigungsschutz und zu Standortsicherungszusagen bereit ist, werden die Betroffenen ihren Unmut nicht mehr nur mit Demonstrationen äußern. Streiks sind dann nicht mehr auszuschließen“, sagte Foullong. Mit den Gewerkschaften hatte die Allianz bereits einen Sozialplan vereinbart und zugesagt, bis Ende 2007 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Ver.di fordert aber eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2010 sowie Standortzusagen. „Wir wollen eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden, um den Abbau zu verhindern“, sagte Ver.di-Versicherungsexperte Oliver Ostmann in München. Der Abbau sei sozial nicht zu verantworten, so der Gewerkschafter, der auf den für dieses Jahr angepeilten Rekordgewinn von 4,9 Mrd. Euro verwies. Ver.di hat deshalb die Beschäftigten der Münchener Zentrale und die KollegInnen der betroffenen Standorte des Konzerns für den 28. Juni zu Warnstreiks und Protestaktionen auf. Schwerpunkte der Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen waren außer München noch Köln, Frankfurt, Stuttgart, Dortmund, Aachen, Hamburg und Augsburg. In Hamburg haben rd. 700 KollegInnen mit einem zweistündigen Warnstreik gegen die Sparpläne protestiert und in Frankfurt versammelten sich rd. 1.500 Betroffene.
 




Elf Standorte werden geschlossen

Die Stellenstreichungen sind Folge eines radikalen Umbaus im Konzern: Die Lebens-, Sach- und Krankenversicherung wird unter dem Dach der Allianz Deutschland gebündelt, der Vertrieb wird ausgegliedert. Die größten Einschnitte muss der Versicherungsdienst hinnehmen: Hier fallen rund 3.300 Stellen weg. Zudem reduziert die Allianz die Zahl ihrer Verwaltungsstandorte von 21 auf zehn. Am stärksten betroffen sind die Standorte Köln und Frankfurt am Main: Köln mit rund 1.300 Beschäftigten wird nach Allianz-Angaben "frühestens Anfang 2008“ komplett geschlossen. Auch die Lebensversicherung in Frankfurt wird dicht gemacht. Hier stehen nach Angaben von Ver.di Hessen 1.300 von rund 2.000 Stellen auf der Streichliste.
Die Allianz setzt dabei vor allem auf freiwilliges Ausscheiden und Teilzeitregelungen. Ver.di gehen die bisher getroffenen Sozialplan-Vereinbarungen mit den Betriebsräten dagegen nicht weit genug. Besonders bitter stößt der Gewerkschaft auf, dass die Allianz betriebsbedingte Kündigungen nach 2007 nur dann ausschließen will, wenn bestimmte Wachstums- und Kostenziele erreicht werden. Diese wollte der Konzern aber vorerst nicht beziffern.
 

Marktanteile verloren

Der Chef der Allianz Deutschland, Gerhard Rupprecht, begründete die Einschnitte vor allem mit dem Verlust an Marktanteilen. Die Allianz habe in den vergangenen Jahren rund eine Million Kunden an Wettbewerber verloren. Derzeit hat die Allianz in Deutschland rund 19 Millionen Kunden. Damit ist statistisch jeder vierte Bundesbürger bei der Allianz versichert.

Aktie legt zu

Die Kosten für den Umbau bezifferte der Konzern auf rund 500 Millionen Euro. Zugleich erwartet die Allianz Einsparungen von 500 bis 600 Millionen Euro. Ein Teil soll vor allem über günstigere Policen für Lebensversicherungen direkt an die Kunden weitergegeben werden. Die Börse begrüßte den Umbau: Die Allianz-Aktie legte zeitweise um mehr als 2,5 Prozent zu.

Allianz-MitarbeiterInnen  wehren sich

Die Beschäftigten der Allianz wollen sich die massiven Stellenstreichungen, die die Konzernführung am Donnerstagmorgen verkündet hatte, nicht gefallen lassen. „Mit Entsetzen mußten wir zur Kenntnis nehmen, dass erheblicher Personalabbau und Standortschließungen geplant sind“, erklärte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Norbert Blix am Donnerstag in Frankfurt. Die Allianz hatte die Streichung von insgesamt 5.000 Stellen bei der Versicherung und knapp 2.500 Arbeitsplätzen bei der Dresdner Bank bis Ende 2008 angekündigt. „Wir bedauern es, dass sich die Allianz in die Konzerne einreiht, die trotz Milliardengewinnen Standorte schließen und Tausende von  Arbeits- plätzen vernichten“, erklärte Blix. Durch die hohe Teilzeitquote seien weitaus mehr Menschen von den Maßnahmen betroffen als  Arbeitsplätze gestrichen würden. „Die nackten Zahlen täuschen hier über das tatsächliche Ausmaß der Veränderungen hinweg.“ Bei Allianz und Dresdner Bank seien auf Voll- und Teilzeitstellen fast 9.000 Menschen betroffen, rechnete die Gewerkschaft Ver.di vor.
In Köln soll der komplette Standort geschlossen werden. Auf 1.300 Vollzeitstellen kommen hier 1.800 Mitarbeiter.

Mit einem Pfeifkonzert empfingen die Kölner Allianz-MitarbeiterInnen den Vertreter der Konzernführung, der ihnen die schlechte Botschaft am Donnerstagmorgen überbrachte. Die Unmutsäußerungen hätten länger gedauert als die Ausführungen des Allianz-Vorstands, sagte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Tesch. Wenn der Konzernvorstand seine Pläne durchsetze, werde die Allianz in Nordrhein-Westfalen überhaupt nicht mehr vertreten sein, so Betriebsrat Tesch. Denn auch die Niederlassung der Krankenversicherung in Dortmund mit etwas über 100 Mitarbeitern solle geschlossen werden. Tesch kritisierte, dass Kündigungen nur bis 2007 ausgeschlossen seien. Ein längerer Zeitraum wäre angemessener, etwa wie beim ebenfalls in Köln ansässigen Konkurrenten Axa bis 2012. Über die Standortschließungen und den Personalabbau hinaus werde in der Struktur der verbleibenden Betriebe und bei den Arbeitsinhalten für die Beschäftigten „kein Stein auf dem anderen bleiben“, erläuterte Konzernbetriebsrat Blix. In Verhandlungen mit der Allianz wolle man daran arbeiten, das Standort- und Beschäftigungskonzept für die Mitarbeiter sozialverträglich zu gestalten.

Allianz schließt elf Niederlassungen

Statt 21 gibt es künftig nur noch 10 Verwaltungsstandorte. Neben Köln bedeutet das das Aus für die Niederlassungen der Lebensver- sicherung in Frankfurt am Main und der Krankenversicherung in Dortmund sowie der Schadenbearbeitungsbüros in Aachen, Mainz, Mannheim, Freiburg, Ulm, Augsburg, Nürnberg, Hannover und Magdeburg. Es werde aber „an allen anderen Standorten auch  Personal- einsparungen geben“, sagte Allianz-vorstand Rupprecht. Sach-, Lebens- und Krankenversicherungen, die bisher „ein Eigenleben geführt haben“, würden jetzt eng verzahnt. Eine zentrale Kundenbetreuung in Leipzig soll die Anfragen an spezialisierte Sachbearbeiter  weiter- leiten. Ab Ende 2008 werde es in Deutschland nur noch vier zentrale Standorte für Sach-, Lebens- und Krankenversicherung geben: Berlin, München, Hamburg/Hannover/Bremen sowie Stuttgart/ Karlsruhe. Das verringere den Aufwand, verkürze Bearbeitungszeiten und spare ab 2009 über 500 Mill. Euro jährlich. Ein großer Teil der Einsparungen werde an die Kunden weitergegeben, sagte Rupprecht.

Dresdner Bank baut um

Auch ihrer Tochter Dresdner Bank hat die Allianz erneut einen massiven Stellenabbau verordnet. Bis 2008 sollen 2480 Arbeitsplätze von derzeit rund 28.000 eingespart werden, davon 500 Jobs bei in- und ausländischen Töchtern der Bank. Zugleich wird das Bankhaus umgebaut. Damit sollen nach Angaben von Vorstandschef Herbert Walter die Weichen für eine Rendite von zwölf Prozent nach Steuern in zwei Jahren gestellt werden. Betriebsbedingte Kündigungen wolle die Bank versuchen zu vermeiden, “aber es gibt keine Garantie, dass sie ausgeschlossen sind”, sagte der Vorstandschef.

Die Stellen sollen in der Geschäftsabwicklung und in der Kreditbearbeitung sowie in zentralen und regionalen Steuerungsfunktion gestrichen werden. "Die Entscheidung fällt uns wirklich außerordentlich schwer", sagte Walter. Aber die Bank müsse sich in guten Zeiten vorbereiten, wenn der Markt einmal nicht mehr so stark sei. Man hoffe im vierten Quartal nach einem Interessensausgleich mit den Arbeitnehmern an die Umsetzung der Stellenabbaupläne zu gehen. Seit 2001 sind etwa 16.000 Jobs bei der Dresdner Bank gestrichen worden. Nach dem neuen Geschäftsmodell soll die Beratung von privaten und geschäftlichen Kunden in dem Unternehmensbereich Privat- und Geschäftskunden zusammengefasst werden. Mit Privatkunden, besonders vermögenden Kunden und Mittelstandskunden seien im vergangenen Jahr etwa 3,5 Milliarden Euro Erträge erwirtschaftet worden. Im Wettbewerb um mittelständische Kunden will das Institut seine Beratung deutlich ausbauen. Künftig will die Bank diese Kunden an rund 400 Standorten - statt bisher 120 - beraten. Die starke Position als Nummer zwei am Markt hinter der Deutschen Bank solle so weiter ausgebaut werden.

Privatbanking soll stärker werden

Im Privatkundengeschäft sollen die Filialmitarbeiter von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, um künftig 60 bis 70 Prozent ihrer Arbeitszeit für Kundenberatung und Service einsetzen zu können. Damit will die Dresdner Bank ihren Kundenmarktanteil auf zehn Prozent steigern. Die Zahl der Standorte im Privatbanking soll ebenfalls von 120 auf 400 gesteigert werden. Auf die Frage, ob damit der Umbau der Dresdner Bank nun abgeschlossen sei, sagte Walter, es sei eine Aufstellung, "die in sich sehr stimmig und sehr logisch ist." Was davon zu halten ist, zeigt die Tatsache, dass in den vergangenen 5 Jahren allein in Deutschland 80.000 Stellen im Bankgewerbe vernichtet wurden.

Rüttgers kritisiert Konzern-Pläne

"Mir ist unverständlich, wie der Konzern mit seinen Mitarbeitern umgeht", kritisierte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) am 23. Juni in Düsseldorf und forderte die Führung des Allianz-Konzerns zu "ergebnisoffenen Gesprächen" auf. "Ich frage mich, wenn man so mit seinen Mitarbeitern umgeht, wie man dann mit seinen Kunden umgeht."  Als “ebenso unverständlich” bezeichnete Rüttgers auch den weit gehenden Rückzug der Allianz aus Nordrhein-Westfalen. NRW sei der zweitgrößte Versicherungsstandort in Deutschland. “Hier leben die meisten Versicherungskunden. Die sollen jetzt von anderen Standorten betreut werden. Wo bleibt da die Kundennähe“? Es wird sich zeigen, ob die Konzernbosse sich von den starken Worten eines Provinzfürsten beeindrucken lassen. Wahrscheinlicher ist aber, dass diesen Worte keine Taten folgen werden, ja, dass sie ohnehin nur für die Tribüne gesprochen wurden. Wenn Herr Rüttgers es ehrlich meint, sollte er unter diesen Umständen versuchen, dass von seiner Partei zusammen mit der SPD geplante  8-Mrd.-  Steuer- geschenk an die Konzerne zu verhindern.

Unterstützung von Beratern?

Auch DGB-Chef Michael Sommer kritisierte die Entscheidung des Allianz-Konzerns: "Da wird versucht, auf dem Rücken der Beschäftigten und der Kunden neue Strukturen aufzubauen und das, obwohl die Ertragslage mit über vier Milliarden Euro hervorragend ist", so Sommer am 23. Juni im rbb (Radio Berlin-Brandenburg). Jetzt sollen externe Wirtschaftsberater Standorte und Stellen retten. "Wir werden zwei renommierte Unternehmensberatungen damit beauftragen, zu überprüfen, ob es zu den Streichungen wirklich keine Alternativen gibt", erklärte Gesamtbetriebsratschef Norbert Blix der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. So solle versucht werden, in den kommenden Monaten bei den gesetzlich vorgeschriebenen Beratungen das Management von den Kürzungsplänen abzubringen. Auf der Betriebsversammlung sollen die nächsten Schritte überlegt werden, erklärte die Betriebsratsvorsitzende Gabriele Burkhardt-Berg am Freitag in Köln.

Es ist kalt geworden in Deutschland. Das radikale Streichkonzert bei der Allianz und der Dresdner Bank verdeutlicht den  Arbeitnehmer- Innen einmal mehr, woher der Wind weht: Auch Krawatten- und Kostüm- oder AnzugträgerInnen sind nicht mehr als reine  Verfügungs- masse in einem globalisierten Kapitalismus, der es auf unbedingte Profitsteigerung abgesehen hat. Die kühlen Interessenverwalter des Kapitals schaden aber nicht nur ihren Unternehmen – sie treiben am Ende auch die ‚soziale’ Marktwirtschaft in eine Legimitationskrise. Es bleibt zu hoffen, dass der Widerstand nicht bei der Erstellung von Gegengutachten endet, sondern dass Betroffene, Betriebsräte, Gewerkschaft und auch KundInnen den Konzernbossen die passende Antwort auf ihre Pläne geben.

Der Zug der Jobkiller rollt schon!

Die Allianz- und Dresdner Bank-MitarbeiterInnen müssen nun eine Vorreiterrolle übernehmen, denn das Verhalten der Marktführerin wird nicht ohne Auswirkungen auf andere Finanzdienstleistungsunternehmen bleiben. Tatsächlich ist Allianz nicht der einzige  Asse- kuranzkonzern auf rigidem Rationalisierungskurs. Trotz der hohen Gewinne 2005 und ähnlich guter Aussichten bauen fast alle Versicherer Jobs ab. In den nächsten drei Jahren dürfte es in der Branche zu drastischer Arbeitsplatzvernichtung kommen: In der  Ergo- Gruppe, nach Allianz die Nummer zwei, könnte die Angleichung von Produkten und Abläufen zwischen Hamburg-Mannheimer, Victoria, DKV und DAS mehr als 2000 Stellen kosten. Bei Generali, dank Aachen-Münchener, Volksfürsorge und Cosmos Direkt die Nummer drei am Markt, gefährden Vorgaben aus der Triester Zentrale Arbeitplätze in vierstelliger Höhe. Auch andere große Häuser planen die Straffung ihrer Unternehmensgruppen. In nächster Zeit könnten so bis zu 20.000 Jobs wegfallen.

Die Versicherungswirtschaft hält solche Zahlen für “reine Spekulation”. Man baue nur sehr vorsichtig Stellen ab, heißt es beim Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen (AGV). Allerdings zwinge die Globalisierung zum Kostensparen, daher werde es einen “leichten Abbau” geben. Die Experten der Beraterfirma Steria Mummert warnen zudem vor einem “dramatischen Rückgang im Versicherungsbestand” wegen des demographischen Wandels. Eine regelrechte Industrialisierung erfasst die Branche. So werden etwa Kfz-Policen standardisiert. Die Ergo-Gruppe hat ein IT-System für alle Konzerntöchter geschaffen und outgesourct. Policen können aus Hamburg stammen, obwohl “Victoria Düsseldorf” draufsteht. Intern werden die produktivsten Abteilungen zwischen Sydney, Brüssel und Frankfurt zur “Benchmark”, an der sich alle anderen weltweit messen müssen.

Nicht zuletzt werden auch Fusionen Jobs kosten. So übernahm jüngst Talanx den traditionsreichen Gerling-Konzern, und Axa kaufte den Versicherer Winterthur. Ohne drastischen Jobabbau lohnen solche Deals nicht – offen ist nur dessen Umfang. Soviel zu dem Märchen, dass hohe Gewinne Arbeitsplätze sichern.
 

(csk)