Nächste Seite
„Es geht nur gemeinsam – das ist ganz klar“

Hoffnung auf einen »heißen Herbst«.

Ein Gespräch mit Katharina Seewald

Katharina Seewald ist Vorsitzende der DGB-Region Nordhessen

In Kassel hat sich ein Bündnis gegen die Privatisierung kommunaler Einrichtungen gegründet. Was droht diesbezüglich in der nordhessischen Stadt?

Aktuell steht das Vorhaben der Stadtpolitiker im Raum, weitere Anteile der Städtischen Werke, zu denen neben der Energie-, Gas- und Wasserversorgung auch die Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) gehört, zu verkaufen. Schon jetzt hält Vattenfall wesentliche Anteile des Unternehmens. Aber auch in anderen kommunalen Einrichtungen wird über Privatisierungen nachgedacht.

Warum sind Sie so entschieden gegen Privatisierung?

Alle Erfahrung zeigt, dass die Leistungen dadurch nicht besser, sondern schlechter werden – und sich gleichzeitig verteuern. Die Menschen sind auf diese Dienstleistungen aber angewiesen. Es gibt Aufgaben der Grundversorgung, die eine Kommune abdecken muss. Und dazu gehört Energieversorgung ebenso wie Nahverkehr, Bildung und Gesundheit.

Welche Aktivitäten plant das Bündnis?

Neben den Gewerkschaften, Beschäftigten und Betriebsräten aus den öffentlichen Betrieben haben sich ATTAC, die in der Stadtverordnetenversammlung vertretene „Kasseler Linke.ASG“ und viele andere Gruppen dem Bündnis angeschlossen. Wir wollen im Rahmen der Herbstaktion „Zukunft soziale Sicherung“ des DGB mobilisieren und mit dazu beitragen, daraus tatsächlich einen „heißen Herbst“ zu machen. Neben Demonstrationen und Kundgebungen sind aber auch diverse phantasievolle Aktionen angedacht.

Der DGB plant für den 21. Oktober regionale Großdemonstrationen. Wie weit sind die Vorbereitungen bislang gediehen? Ist es tatsächlich realistisch, von einem „heißen Herbst“ zu sprechen?

Das kann ich noch nicht einschätzen, da wegen Sommerpause und WM zur Zeit nicht viel läuft. Viele Menschen haben noch gar nicht richtig wahrgenommen, was die im Zuge der WM durchgepeitschten Gesetze bedeuten. Und im Herbst soll es ja so weitergehen. Insbesondere die „Reformen“ bei Gesundheit und Rente sowie die beschlossenen Steuergeschenke an die Unternehmen werden im Herbst spürbar werden. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir es schaffen, eine erfolgreiche Mobilisierung hinzukriegen.

Wie bei der Auseinandersetzung um die „Agenda 2010“ gibt es im DGB auch jetzt wieder Konflikte. IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt hat die geplanten Proteste bereits öffentlich kritisiert. Droht in dieser Frage eine erneute Spaltung des Gewerkschaftsbundes?

Ich hoffe nicht. In Nordhessen hatten und haben wir damit ohnehin keine großen Probleme. Inwieweit es auf Bundesebene Abgrenzungstendenzen gibt, kann ich nicht sagen. Bisher ist für mich rübergekommen, dass sich alle Gewerkschaften an den Protesten beteiligen wollen.

Bei „Agenda 2010“ und Hartz IV haben große Demonstrationen nicht ausgereicht, um die Regierungsvorhaben zu stoppen. Wie kann das diesmal anders sein?

Ich kann mir schon vorstellen, dass punktuelle Veränderungen durchgesetzt werden können, wenn der Protest laut genug ist. Und den Kopf in den Sand zu stecken ist ohnehin keine Alternative. Von daher bleibt den Menschen gar nichts anderes übrig, als aufzustehen und sich zu wehren. Ich hoffe doch, dass uns wieder eine breite Mobilisierung gelingt. Allerdings ist dafür sicherlich noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten.

Muss nicht mehr passieren, als am Samstag nachmittag auf die Straße zu gehen?

Zunächst wäre es schon ein Erfolg, wenn wir Demonstrationen mit einer gewissen Breite auf die Beine stellen. Weitergehende Aktionen werden wenn dann erst einmal nur auf regionaler Ebene stattfinden können. Für Kassel kann ich mir schon vorstellen, dass wir zum Beispiel öffentliche Betriebsversammlungen in den von Privatisierung bedrohten Betrieben oder andere Geschichten hinbekommen.

Wie wichtig ist den Gewerkschaften die Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen? Man hat den Eindruck, dass diese seit dem 3. April 2004 ein wenig eingeschlafen ist.

Das kann ich so nicht bestätigen. Zum Beispiel gab es bei der Demonstration gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie in Brüssel eine gute Zusammenarbeit. Trotz oft schwieriger Auseinandersetzungen werden letztlich die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund gestellt. Das halte ich auch für das A und O. Es geht nur gemeinsam – das ist ganz klar.

Interview: Daniel Behruzi  (aus „junge Welt“, 15./16. Juli 2006)