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Hartz IV

Gezielte Kampagne gegen Arbeitslose

Die Stigmatisierung und Hetze gegen Arbeitslose beginnt nicht erst mit der Einführung von ALG II. Gerhard Schröder, SPD setzte bereits 2001 einen Meilenstein mit seiner Aussage: „Niemand hat ein Recht auf Faulheit!“ Dieser Spruch zeigte schon damals die Hilflosigkeit, vielleicht sogar die fehlende Absicht, das Arbeitslosenproblem entscheidend zu lösen. Die „elektronische Fußfessel“, anwendbar für straffällige Freigänger, schien dem Ministerpräsidenten Roland Koch, CDU auch für Arbeitslose geeignet. Fast pausenlos haben Politiker aus den führenden Parteien CDU, CSU und SPD oder Funktionäre der großen Wirtschaftsverbände – es sei Hier nur an die unzähligen Beiträge der Herren Hundt, Sinn und Henkel erinnert – sich zu den Arbeitslosen abfällig, diskriminierend und auch verfälschend geäußert. Eine „willige“ Presse unterstützte diesen Trend durch zusätzliche Berichte und Kommentare, ebenso wie Rundfunk und Fernsehen auch durch eigene Berichte diesen Tenor unterstützten. Niemand erwähnt das entscheidende Problem: den Mangel und die weiter fortschreitende Vernichtung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze.

Rückblickend wird immer deutlicher: Es wurde ein Sündenbock für das generell zunehmende Problem der Arbeitslosigkeit gesucht und dieser wird nun entsprechend gegeißelt. Einflussreiche Meinungsbildner verkünden fortgesetzt ihre Meinung und werden dabei von den Meinungs-Medien zielführend gestützt. Dies nennt man „campagne“, zumal hier eine Systematik und eine Absicht zu erkennen ist. Inzwischen wissen wir mehr: das Ziel dieser Kampagne ist die Spaltung besonders der arbeitenden Bevölkerung und damit die Ver- hinderung von Solidarisierungstendenzen, die Durchsetzung von Gesetzen, die sogar vorhandenes Recht willkürlich brechen und nicht einmal vor den Grundrechten aller BürgerInnen Halt machen und die Befriedigung wirtschaftlicher Interessen einer kleinen Gesellschaftsschicht von Unternehmern und des Kapitals. Zweck dieser Kampagne ist auch, hinter einer Ablenkungsdiskussion das eigentliche Ziel der Regierung zu verbergen, das da heißt: Abschaffung des bisherigen demokratischen Sozialstaates. Frau Merkel belehrt uns entsprechend, 'dass „wir Deutschen“ keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft für alle Ewigkeit haben'. Amen! (Eine Ewigkeit ist für Frau Merkel nach 30 Jahren also vorbei)

Das Ausmaß der Kampagne hat inzwischen deutlich die Züge einer vollkommenen Volksverhetzung angenommen. Berichte von irrsinnigen Petitionen aus der Bevölkerung zur Kürzung oder gar Streichung von ALG II-Leistungen, von zunehmenden anonymen Anzeigen gegen angebliche SozialschmarotzerInnen und von vielen rechtswidrigen Schikanen der ausführenden Ämter gegen Leistungsbezieher häufen sich. In gleichem Maß steigt die Zahl der Sozialgerichtprozesse, doch das wird in Kauf genommen. Dem wachsenden Widerstand wird vorsorglich Staatsgewalt in Form von Polizeiknüppeln entgegengesetzt. BND, Bundeswehr und der Verfassungsschutz erhalten weit reichende Kompetenzen im Inland.

In Wirklichkeit dient das SGB II dieser „Kaste“ aus PolitikerInnen, Wirtschaftsbossen und Medien – wie z.B. Focus, Stern, Spiegel, Bild, aber auch SAT 1, RTL und ZDF - nur noch als Beweis dafür, dass Millionen Deutsche zu faul, zu dumm und zu asozial sind und selbstverschuldet keine Arbeit haben. Viele, nämlich die Langzeitarbeitslosen haben das Arbeiten angeblich sogar schon ganz verlernt und müssen daher mit Zwangsarbeit zunächst mal „therapiert“ werden. Herr Stefan Müller, CSU-Obmann fordert daher „einen verpflichtenden Gemeinschaftsdienst für Langzeitarbeitslose“. „So hätten Arbeitslose die Gelegenheit, sich wieder an regelmäßige Arbeit zu gewöhnen.“ (Zitat, S. Müller, BILD)

Alle gegenteiligen Äußerungen erhalten maximal nur den Stellenwert einer Randnotiz. Die Analysen der Arbeitsagentur, selbst die faktischen Ergebnisse eines umfassenden Datenabgleichs – vor dem sogar George Orwell’s Vision verblasst – werden verschwiegen oder ignoriert. Hiernach würde sich der Missbrauch tatsächlich nur im Promille-Bereich abspielen und in der Fallzahl (3 %) und in der Summe des Geldes (1 %) ausgedrückt absolut marginal sein! Solch eine Information steht dem Erfolg der Kampagne aber im Weg.

- Der offizielle Armutsbericht 2005 wird einfach ignoriert.

- Die große Rüge des Bundesrechnungshofes wird einfach ignoriert.

- Kritik von vielen Sozialverbänden wird einfach ignoriert.

- Die umfassende Kritik der bundesdeutschen Datenschützer wird ignoriert.

Die TAFEL, eine Kreation der Armut, wächst sprunghaft im Jahr nach Hartz IV um über 50 %. Auch das wird ignoriert. Wenn die Spekulation von McKinsey hier aufgeht, können die TAFELN allerdings ungewollt (?) bald zu einer Kürzung des ALG II dienen.„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!“ lautet das neue Credo. (Zitat, Müntefering, SPD, 2006). Hatten wir das nicht schon vor 75 Jahren?

Ausgerechnet ein satt erscheinender Herr Beck, Vorsitzender einer völlig mutierten SPD fordert mehr Anstand von Bürgern, die kaum noch ihre Miete bezahlen können oder wegen 20,- Euro gerade ihre Wohnung verlieren: „Man muss nicht alles rausholen, was geht!“. Herr Wolfgang Clement hat unbestritten das Verdienst, einen neuen Höhepunkt der Hetze zu gestalten. In einem 40-seitigen Pamphlet veröffentlicht er vom Regierungsstuhl aus eine Broschüre, in der es von parasitären Lebewesen nur so wimmelt, etwa 2 Millionen Volksschädlinge (25 % der Leistungsbezieher) zählt Herr Clement, .... mindestens! Hatten wir das nicht auch schon vor 75 Jahren?

Herr Jörges vom Stern schreibt einen Leitartikel, der einem Hetzartikel des „Stürmers“ gleicht, sachlich falsch, aber wer weiß das schon? Eben! Wissen tun dies nur die Betroffenen und deren Wissen bleibt im Dunkeln. Herr Kauder will dem „sinnlosen Herumgammeln nun endlich ein Ende bereiten“ und „alle Arbeitslosen sollen nun eine Gegenleistung erbringen“. Herr Struck stellt fest, dass es zu viele „Scheinbedürftige“ gibt, denn jetzt sollen nur „wirklich Bedürftige“ Leistungen erhalten! BILD schreibt es in Großbuchstaben. Er  ver- steigt sich sogar zu der Aussage, dass ALG II-Bezieher oft mehr haben als Taxifahrer, Wachleute oder FriseurInnen (klar, auch daran sind die SozialschmarotzerInnen, besonders die „AufstockerInnen“ schuld.) und am Schluss verfällt Herr Struck in tiefe Enttäuschung: „Das Menschenbild, das wir hatten, war vielleicht zu positiv. Es war zu optimistisch anzunehmen, dass Menschen das System nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie es auch wirklich brauchen“. Verlogener, hinterhältiger und verfälschender kann man „seine Wahrheit“ nicht verkünden.

Strafforderungen werden immer lauter. Stoiber, CSU, fordert speziell für AusländerInnen als mögliche Strafe für die Verweigerung der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft Bußgelder, Kürzungen bei den Sozialleistungen oder die Ablehnung der weiteren  Aufenthalts- erlaubnis. Ralf Brauksiepe meint, dass „Sanktionen auf den Regelsatz häufig nicht genug spürbar sind“ und fordert: „Wir müssen das mit den Kosten der Unterkunft verzahnen.“. Georg Milbradt, CDU verlangt den Druck auf angeblich Arbeitsunwillige zu erhöhen. Die  „Ein- schläge“ an dieser sozialen Front werden immer dichter, die „Granaten“ heißen Kostenexplosion bei ALG II, die „Stinkbomben“ von Austermann und Co. heißen scharfe Kontrollen, Bußgelder, Sanktionen, Leistungsstreichung. Natürlich sind die gesamten Kosten durch LangzeitschmarotzerInnen verursacht, man muss sie dringend vermindern. Leistungskürzung ist die Zauberformel. Auch das ist ein Ziel der Kampagne!

Den „Reigen“ zu diesem Sozialtanz eröffnete Altkanzler Schröder und aktuell vollendet ihn unsere neue Kanzlerin Angela Merkel mit grazilen Handbewegungen und einem anmutigen Lächeln: „Lassen Sie mich Ihren Lesern mal vorrechnen, wo Deutschland jetzt steht: Der Haushalt 2006 hat ein Volumen von 260 Milliarden Euro. Davon nehmen wir aber leider nur 220 Milliarden ein. Wir machen also knapp 40 Milliarden neue Schulden. Dazu kommen 40 Milliarden Zinsen für alte Schulden – schon sind achtzig Milliarden Euro weg! Dazu kommen noch Mal 80 Milliarden Euro Zuschüsse für die Renten. Bleiben also noch 100 Milliarden Euro im Haushalt. Davon brauchen wir noch mal 40 Milliarden für Hartz IV. Da haben wir bereits gekürzt. So können wir auch den Missbrauch künftig sehr viel stärker ahnden, schließlich kann es nicht sein, dass wir mit Steuergeld Menschen unterstützen, die eigentlich arbeiten können, es aber nicht wollen.

Den Schwachen und Bedürftigen muss geholfen werden. Aber wir müssen denjenigen, die unser Sozialsystem bewusst missbrauchen, schärfer auf die Finger sehen!“

Selbst die Kanzlerin stimmt in den üblen, verlogenen Kanon vom Sozialmissbrauch mit ein. Apropos Kanon, ist das nicht ein Lied, das kein Ende nimmt? Sorgen wir dafür, dass dieses Lied nicht mehr gesungen wird, es tut sonst keiner! 


csk

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