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Stadtwerke Kiel

MVV-Konzern beschließt Zerstückelung

Von einigen Stadtvertretern war Anfang des Jahres der weitere Verkauf von Anteilen der Stadt Kiel an den Mannheimer  Energieversorger (MMV) erwogen worden.  Damit sollten die wachsenden Haushaltsdefizite abgemildert werden. Auf einer von Attac organisierten Podiumsdiskussion zusammen mit Mieterverein, NABU, Betriebsrat der Stadtwerke und ver.di, hatte die Attac AG zur  Rekommunalisierung der Stadtwerke auf die Gefahren für die Daseinsvorsorge, den Ausverkauf der Kommunen und des Eigentums der Kieler Bürger sowie das Gewinninteresse des MVV-Konzern hingewiesen.

Von den anwesenden Parteienvertretern haben dann SPD und Grüne beschworen, keine weiteren Anteile der Stadtwerke verkaufen zu wollen. Der CDU-Wirtschaftsrat musste später selbst zugestehen, dass selbst bei wirtschaftlicher Berechnung die Einnahmen durch die jetzigen 49 %-Anteile immer noch höher sind als ein Schuldenabbau an Plus bringt. Währenddessen wird in anderen Bereichen kräftig weiter privatisiert. Bei den Bädern und Müllverbrennung bereits beschlossen, bei Abwasser, Nahverkehr und Hafenwirtschaft ist noch keine Einigung da.

Nun schien es so, als sei das Thema Stadtwerke passé und der MVV-Konzern veröffentlichte das Stadt-
werkejubelblatt „mittendrin“ und gaukelte den Kielern vor, dass der MVV-Konzern für die Bürger nur das Beste will und Frau Volquartz ließ sich zu der Aussage  hinreißen: „Mit so einem Partner kann unsere Landeshauptstadt Kiel ganz beruhigt in die Zukunft gehen!“ Ganz anders sieht das  allerdings das Bündnis Kielwasser (die Kieler Attac-Arbeitsgruppe).  Auch von Kollegen der Stadtwerke, von Betriebsratsmit-
gliedern und von ver.di hört man Protest.

Es ist seit längerem bekannt, dass der MVV-Konzern den Kieler Betrieb ausschlachten möchte. Die bisher unter einem Dach fungierenden Aufgaben- und Geschäftsfelder sollen in den bundesweiten MVV-Konzern in Form von neuen GmbHs ausgegliedert bzw. ausgegründet werden. Dadurch können dann Tätigkeits-
bereiche in andere Orte ausgelagert werden, mit dem Ziel des Arbeitsplatzabbaus. Bisherige Aufgaben der Stadtwerke in Erzeugung, Netz, Service, Abrechnung und Handel will der Konzern in andere Stützpunke des Konzerns verlagern. Folgende Gesellschaften will der Konzern mit verschiedenen Beteiligungen ausgründen:

• IT-Gesellschaft (Informationstechnologie, d.h. Personal- und Rechnungswesen),

• Billing-Gesellschaft (Abrechnung),

• Handelsgesellschaft (Energiehandel),

• Metering-Service Gesellschaft (Zähler- und Meßwesen)

• Netzbetrieb.

Jeweils Gesellschaften mit unterschiedlichen Anteilen, wo die Kieler niemals die Mehrheit haben.

Der Konzern hat neben Mannheim und Kiel auch noch Beteiligungen in Offenbach, Solingen, Buchen, Ingolstadt und Köthen. Sie alle werden betroffen sein. Das nennt sich dann Synergieeffekt. Durch die aktuellen Pläne des Konzerns sollen ca. 200 Arbeitsplätze eingespart werden. Auswirkungen auf die Löhne wird es z.B. beim Billing (Abrechnung) geben, wenn die in Kiel bisher gut bezahlten Arbeitskräfte durch schlecht bezahlte in anderen Niederlassungen ersetzt werden (Lohnsenkungen z. B. von 2.700 Eur Brutto auf 1.500 Eur sind zu erwarten). Allein der Energiehandel soll in Kiel bleiben. Für den Standort Kiel bedeutet dies eine starke Benachteiligung, denn die Wegnahme z.B. der Betätigungsfelder Zählerwesen, Finanzwirtschaft und Personalwesen bedeutet, dass die Geschäftsfelder nie wieder zurückkommen. Es soll harte Auseinandersetzungen mit der Konzernleitung darüber geben und da es im MVV-Gesamtkonzern entschieden wird und nicht allein bei den Kieler Stadtwerken steht der Betriebsrat mit dem Rücken an der Wand, solange nicht unterstützender Druck von außen kommt.

Gewerkschaftlich werden Garantien verlangt, z.B. dass die Arbeit, die in Kiel gemacht wird auch Teil der Stadtwerke bleibt. Jeder weitere Verkauf von Anteilen der Stadtwerke wird abgelehnt, weil es den Verlust des Anteils Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zur Folge hätte und damit noch weniger Einfluss für die Kieler Bürger im Betrieb.

Der Belegschaft wurde vom Vorstand und Betriebsrat bereits angekündigt, dass es Leistungskürzungen geben wird. Diese werden  mit der Notwendigkeit begründet, den Verschlankungs- und Kostensenkungs-
prozess zu beschleunigen, der angeblich aus dem Wettbewerbsdruck durch anstehende Konzentrationen und Fusionen auf dem Energiemarkt herrührt.

Insbesondere wird auf die Senkung der Einnahmen durch die vom Bund vorgeschriebene Senkung der Netznutzungsgebühren durch die Bundesnetzagentur (BNA) verwiesen. Hier werden also Gesetze, die angeblich zur Verbilligung der Energiepreise für die Verbraucher dienen sollen, frech ausgenutzt, indem die fehlenden Einnahmen auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Angeblich sei mit dem Ausfall an Netz-
einnahmen von 11 Mio. EUR zu rechnen und von der Belegschaft und dem Betriebsrat werden deshalb  Rationalisierungsmaß- nahmen, Anpassung der Vergütungen, Steigerung der Arbeitszeit, Einführung von Lebensarbeitszeitkonten, Abbau von  Erschwerniszulagen u.a. verlangt.

Die neuen Maßregelungen der Bundesnetzagentur erweisen sich als von der Bundesregierung (auch von den GRÜNEN gestützte) neoliberale Wettbewerbserleichterung für die großen Energiekonzerne. Kleine Energieversorger werden platt gemacht, weil die Einnahmequelle abhanden kommt, was sie u.a. brauchen um ihre Netze pflegen zu können und auch oftmals (wie früher auch in Kiel) den Öffentlichen Nahverkehr mitzufinanzieren. Diese Betriebe sind meistens städtische Energieversorger in kommunalem Besitz. Die Bundesnetzagentur zwingt sie jetzt „effizienter“ zu arbeiten, also einzusparen, beim Personal, bei der Dienstleistung oder der Netzwartung. Mit der Folge, dass wegen des Kostendrucks der Betrieb an die großen Konzerne verkauft wird.  Weil der Betrieb ja nicht wirtschaftlich ist, auch noch zu einem billigen Preis. Kommunales Vermögen wird entwertet und dem Konzernoligopol REW, EON, VATTENFALL und EnBW vor die Füße geworfen. Die MVV versucht dort mitzuhalten, mit den beschriebenen Auswirkungen und Androhungen.

Das für die Bürger tatsächlich ein billiger Energiepreis dabei herauskommt, davon kann geträumt werden.

Die Kieler Stadtwerke sind in der Vergangenheit bereits durch die TXU ausgeschlachtet worden. Um die Gewinnmarge des Konzerns zu erhöhen wurden eigene Werkswohnungen und Vorratsgelände aus dem Wasserbereich verkauft. Durch die jetzt angestrebten  Ausgründungen der Geschäftsfelder will der Konzern MVV die Gewinnmarge für die Anleger verbessern und den Börsenkurs nach oben treiben.

Dies wird auf Kosten der Belegschaft betrieben und führt langfristig zur Vernachlässigung der Netze durch Zurückfahren der Investitionen. Auch wenn der Konzern damit prahlt 30 Mio. ins Fernwärmenetz zu investieren und einen dritten Gasvorratsspeicher für „Kiels Zukunft“ bauen lässt, denkt er dabei doch nur an lukrative Mitnahmeeffekte bei steigenden Energiepreisen. Die Kunden werden in Zukunft mit Ausfällen und Schwankungen rechnen müssen. Verschlechterungen werden kommen und die jetzige 99%ige Versorgungssicherheit wird der Vergangenheit angehören.

Der von den Kieler Bürgern und der Belegschaft geschaffene eigenständige Betrieb mit ca. 600 Mio. Anlagevermögen steht vor einer langfristigen Vernichtung. Am 3. August 2006 wurde über die Presse bekanntgegeben, dass der Aufsichtsrat der MVV-Gruppe den Ausgründungen zugestimmt hat. Bis Ende September sollen die fünf Tochtergesellschaften gegründet sein, was das Ende des eigenständigen Betriebs Stadtwerke Kiel bedeutet.

Dem Bündnis Kielwasser war bewusst, dass der MVV-Konzern bereits mit seinem Mehrheitsanteil von 51% an den Kieler Stadtwerken viel Unheil anrichten kann.Gefordert wird deshalb ein präventives Bürgerbegehren zum Rückkauf der Stadtwerke. Noch ist es nicht zu spät.

Das Wasserbündnis trifft sich jeweils am 2. und 4. Montag im Monat um 19 Uhr in der Pumpe.
  (Quellen: KN 16.5.2006, 3.8.2006, BBU-Wasser-Rundbrief)

(Uwe Stahl)

 


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