Nächste Seite
Innenminister wollen “Terrordatei”:

Auf dem Weg zum Kontrollstaat

Nach jahrelangem Streit haben sich die Innenminister auf eine Anti-Terror-Datei geeinigt. Ein fragwürdiges Unterfangen ohne Gewinn für die Sicherheit.

Die deutschen Debatten über die innere Sicherheit und die Terror-Bekämpfung folgen stets dem gleichen Muster. Nach jedem Anschlag oder einem anderen schlimmen Verbrechen wird sogleich nach einem neuen Mittel gerufen, das die Gefahr einer Wiederholung für die Zukunft bannen soll: eine Kronzeugenregelung, der große Lauschangriff, eine flächendeckende Videoüberwachung, die Nutzung der LKW-Maut-Daten, die Ausweisung von "Hass-Predigern", strengere Strafen, verschärfte Einreisekontrollen ... bis zum nächsten Mal.

Jetzt also die zentrale Anti-Terror-Datei. Sie soll das Aufspüren von Terrorverdächtigen künftig leichter machen und damit helfen, Anschläge zu verhindern. Ein Ziel, dem niemand widersprechen würde. Und natürlich leuchtet es grundsätzlich ein, dass es wenig Sinn hat, wenn 37 Bundes- und Landesbehörden nebeneinander her Informationen über potenzielle Terroristen sammeln und speichern, ohne dass es einen Austausch und Abgleich gibt; und dass es daher erstrebenswert sein kann, alle terrorrelevanten Erkenntnisse zentral zusammenzuführen, damit alle Beteiligten jederzeit darauf zugreifen können.

Im Grundsatz, wohlgemerkt, denn im Detail lohnt es sich sehr wohl, über die Sinnhaftigkeit und die Ausgestaltung einer solchen Datei zu streiten - aus verschiedenen Gründen.

Zunächst, um beim konkreten Anlass anzufangen: Hätte die Zentraldatei die Anschläge auf zwei Regionalzüge Ende Juli verhindern können, wenn die Attentäter ihre Sprengsätze besser konstruiert hätten? Wohl kaum, denn die Bombenbastler, Studenten aus Libanon und Syrien, waren bis dato nicht aufgefallen. Folglich waren sie auch nirgendwo erfasst. Auf die Spur kam man ihnen vielmehr durch Videoaufnahmen vom Kölner Hauptbahnhof, ihre eigene Unbedarftheit und die Kooperationsbereitschaft des libanesischen Geheimdienstes; im Nachhinein.

Zweitens gilt es, wie bei allen Sicherheitsmaßnahmen, abzuwägen zwischen den Vorteilen einer neuen Praxis und ihren Gefahren. Schließlich werden in der Anti-Terror-Datei ja dem Wesen nach nicht bloß Informationen über Personen gespeichert, die konkret der Vorbereitung eines Anschlags oder der Zugehörigkeit zu einer Terror-Gruppe verdächtigt werden. Da es um "Vorfeld-Aufklärung" und um Prävention geht, wird der Kreis viel größer gezogen. Ins Fadenkreuz ganz unterschiedlicher Behörden wie der Polizei, aber auch von BND, Verfassungsschutz und ausländischen Geheimdiensten können völlig unschuldige BesucherInnen einschlägiger Moscheen oder Bekannte von Verdächtigen geraten, nur weil sie in Kontakt mit diesen standen oder stehen. Sollen auch solche Erkenntnisse künftig der Polizei oder Staatsanwaltschaften für die Ermittlung oder Strafverfolgung zur Verfügung stehen?

Nicht unwichtig ist deshalb auch, welche Merkmale in der Datei erfasst werden. Sagt zum Beispiel die Religionszugehörigkeit etwas über die Terrorgefahr aus? Ist ein Moslem, der schon einmal in Pakistan war, per se verdächtig? Geht es hier nicht weniger um Angehörige eines bestimmten, muslimischen Glaubens als um Anhänger eines fehlgeleiteten, ideologisierten Islamismus? Anders gefragt: Bringt das Registrieren der Religion (die sich bei einem Mohammad, Dschihad oder Abdullah in der Regel wohl ohnehin erübrigt) einen Sicherheitsgewinn?

Nach dem jetzigen Beschluss der Innenminister soll nur der allgemeine Teil der Sammlung mit den Personendaten für alle beteiligten Behörden offen und frei zugänglich sein. In dem anderen, verdeckten Teil werden weitere Informationen über Religion, Waffenbesitz oder Auslandsreisen aufgeführt. Dort wird auch registriert, wo eventuell weitere Informationen über den Betreffenden zu finden sind, die dann angefordert werden können. Ein Verfahren, das sich bürokratisch anhört und unsere Bedenken nicht kleiner werden lässt. Schließlich arbeiten Polizei, Justiz und Geheimdienste nach unterschiedlichen Prinzipien und mit unterschiedlichen Methoden. An Gesetze gebunden sind beide, aber für die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden gelten strengere Verdachtsregeln, Befugnisse und Amtspflichten und Kontrollmechanismen als für die Geheimdienste.

Fraglich ist allerdings, ob die nun vereinbarte Unterteilung der Datenbestände in der Praxis auch eingehalten werden wird. Denn sind die Daten erst einmal da, ist die Versuchung groß, auf sie zuzugreifen – wie in jedem Unternehmen. Notwendig ist deshalb eine strenge und genaue Kontrolle. Schließlich geht es nicht nur um Sicherheit, sondern auch um unsere Freiheit.

Aber ob es eine solche Kontrolle geben wird? Datenschutz ist schon lange zum Unwort geworden, Sicherheit geht auch für große Teile der durch die politische Klasse aufgehetzten Öffentlichkeit vor allem anderen. Deshalb ist wohl kaum für bare Münze zu nehmen, was die Innenminister beschlossen haben. Es ist eher ein weiterer Schritt zu einem hysterischen Kontrollstaat.

      (csk)