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Gesinnungsurteile gelten heute noch:

KPD-Verbot vor 50 Jahren

Vor 50 Jahren wurde die KPD verboten. Ein finsteres Kapitel der Nachkriegsgeschichte und des Gesinnungsstrafrechts, das bis heute nicht aufgearbeitet wurde.

Der einzige noch lebende Bundestagsabgeordnete von 1949 heißt Fritz Rische. Er ist mittlerweile 93 Jahre alt. Einen lange geplanten Besuch im Berliner Reichstag musste er kürzlich aus gesundheitlichen Gründen absagen, und so wird er nicht erfahren, ob er dort offiziell begrüßt worden wäre. Immerhin wurde ihm mit fünf Jahrzehnten Verspätung kürzlich ein Ausweis ausgestellt, der ihn als ehemaliges Mitglied des Bundestages ausweist. In der Vergangenheit hatte die Bundestagsverwaltung das mehrfach abgelehnt.

Denn Fritz Rische ist Kommunist. Er ist 1932 in die KPD eingetreten, gehört bis heute der DKP an und ist unverändert davon überzeugt, dass der Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte bleibt.

Vor 50 Jahren war Fritz Rische ein Staatsfeind. In Handschellen wurde er am 17. August 1956 in Karlsruhe in den Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichtes geführt, verkündet wurde das Urteil im Verbotsverfahren gegen die KPD. Rische war deren Prozessvertreter und er saß wegen "Vorbereitung zum Hochverrat“ in Haft. Sein einziges Vergehen war seine Mit-Autorenschaft am „Programm zur nationalen Wiedervereinigung Deutschlands“, in dem die KPD zum „revolutionären Sturz des Adenauer-Regimes“ aufrief. Jenes gar nicht mehr aktuelle Programm der KPD, das den Verfassungsrichtern genügte, um der KPD eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung“ zu attestieren und dem Verbotsantrag der Bundesregierung von 1951 stattzugeben.

Zwar standen die Karlsruher Richter dem Verbot zunächst sehr skeptisch gegenüber, aber dem massiven Druck der Politik konnten und wollten sie sich nicht verweigern. Dabei konnten der KPD gar keine umstürzlerischen Aktionen nachgewiesen werden. Weder wurden geheime Waffenlager gefunden, noch konnten der Partei gewalttätige Demonstrationen wie einst in der Weimarer Republik zur Last gelegt werden. Es war ein politisches Urteil, das der antikommunistischen Staatsdoktrin der jungen Bundesrepublik folgte. Noch am selben Tag wurden 25.000 Wohnungen und Geschäfte durchsucht, Zeitungen verboten, Druckereien beschlagnahmt, alle 199 Parteibüros geschlossen.

Proteste dagegen gab es kaum, die KPD war längst isoliert, die Angst vor der „kommunistischen Gefahr“ allgegenwärtig. Nur vereinzelt waren kritische Töne zu hören. 1956 tobt in Deutschland der Kalte Krieg, in Ost-Berlin hatte die SED ihre Macht gefestigt, in Ungarn wurde ein Aufstand blutig niedergeschlagen. In Westdeutschland begann der Aufbau der Bundeswehr, der Antikommunismus diente parteiübergreifend als ideologischer Grundpfeiler von Wirtschaftswunder und Westbindung. Die alten nationalsozialistischen Eliten konnten so leicht integriert werden, in die Politik, die Verwaltung und die neu gegründete Bundeswehr. In der Justiz tummelten sich besonders viele ehemalige NS-Juristen. Diese freuten sich, dass unter Kanzler Adenauer im 1. Strafrechtsänderungsgesetz 1950 an das NS-Gesinnungsstrafrecht angeknüpft wurde. Erneut waren jetzt nicht nur konkrete politische Handlungen strafbewehrt. Schon die pure politische Einstellung oder die Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei genügten, um ins Gefängnis zu wandern. So konnten manche furchtbare Juristen wieder das tun, was sie schon unter Hitler gemacht hatten: KommunistInnen verfolgen.

Eines ihrer Opfer war Fritz Rische. Er hatte bereits im Gestapo-Knast gesessen und gehörte dann nach dem Zweiten Weltkrieg dem Wirtschaftsrat der Tri-Zione und von 1949 bis 1953 dem Bundestag an. Bis er erneut verhaftet wurde.

Die Begründung für das Strafrechtsänderungsgesetz, das die Verfolgung von KommunistInnen wie ihm ermöglichte, klang ähnlich wie in unseliger Zeit. Die „Verteidigungslinie vorverlegen“, hieß es 1950 im Bundestag. Fast wortgleich hatte 1934 schon Roland Freisler, der spätere Präsident von Hitlers Volksgerichtshof, dazu aufgerufen, „das Kampffeld noch vorne (zu) verlegen“. In der Bundesrepublik stand nun, wie schon zwischen 1933 und 1945, jede fundamentale oppositionelle politische Betätigung unter Hochverratsverdacht. Ein Gericht, das sich bei der KommunistInnenverfolgung besonders eifrig zeigte, war das Landgericht Lüneburg. Dort mussten sich die Angeklagten schon mal anhören, sie hätten aus ihrer Inhaftierung zwischen 1933 und 1945 „nichts gelernt“. Kein Zufall: Der für politische Strafsachen zuständige Staatsanwalt Karl-Heinz Ottersbach hatte während des Krieges als Ankläger des Sondergerichts Kattowitz eine Vielzahl von Todesurteilen beantragt; der Lüneburger Landgerichtsdirektor Konrad Lenski war vor 1945 Kriegsgerichtsrat in Straßburg und als solcher an Todesurteilen gegen französische Partisanen und vermeintliche Spione beteiligt.

Auch sonst wurden absurde Urteil gefällt. Offizielle Kontakte in die DDR standen unter Strafe, der Besuch eines FDGB-Kongresses konnte Westdeutschen genauso zum Verhängnis werden wie Kontakte zum DDR-Sportbund. Überall witterten Staatsanwälte illegale KPD-Aktivitäten. Selbst das Tragen einer roten Nelke konnte gefährlich sein, zumindest am 1. Mai, weil ein Richter darin ein Zeichen der Verbundenheit mit der verbotenen KPD erkennen wollte. Insgesamt wurden bis 1968 zwischen 150.000 und 250.000

Ermittlungsverfahren wegen politischer Vergehen eingeleitet, zwischen 7.000 und 15.000 Personen wurden verurteilt. Zahlen, die „einem ausgewachsenen Polizeistaat alle Ehren machen“, wie der spätere liberale Bundesinnenminister Werner Maihofer 1965 anmerkte. Sogar rückwirkend standen nach dem Verbot der KPD die Aktivitäten ihrer Mitglieder unter Strafe. Eine grundrechtswidrige Praxis, die erst 1961 vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde. Doch bereits Ende der 50er Jahre nahmen die Proteste gegen das KPD-Urteil und die politische Justiz massiv zu. Zudem war Deutschland damit unter den westeuropäischen Demokratien isoliert: Nur in Spanien und Portugal, beides Diktaturen, waren die kommunistischen Parteien damals ebenfalls verboten, die McCarthy-Ära in den USA war längst beendet.

Das KPD-Verbot und die politische Justiz waren eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig. Und um die angebliche kommunistische Gefahr einzudämmen, wäre beides zudem gar nicht nötig gewesen. Die KPD war politisch am Ende, bevor sie 1956 verboten wurde. 1947 hatte sie noch 325.000 Mitglieder. 1949 zog die Partei mit 5,7 Prozent und 15 Abgeordneten in den ersten Bundestag ein. Von da an ging's bergab. Für ihre Revolutionslyrik interessierten sich die westdeutschen Werktätigen angesichts von Wirtschaftswunder und Vollbeschäftigung immer weniger, die alten KPD-Milieus der Weimarer Republik zerfielen,  die westdeutsche Wohlstandsgesellschaft machte zufrieden. Die enge ideologische Anbindung der KPD an die DDR tat ihr Übriges. 1953 flog die KPD aus dem Bundestag, 1956 hatte sie nur noch 70.000 Mitglieder. Es hatte sich herumgesprochen, dass sich die Politik der KPD allein an den Interessen Ost-Berlins orientierte.

Auch in den stalinistischen Zentralismus der KPdSU war die KPD fest eingebunden, einschließlich Parteiausschlüsse und Säuberungen. Gleich mehrere führende westdeutsche KPD-Mitglieder wurden unter Mithilfe von Genossen in die DDR gelockt und dort als  „Parteifeinde“ verhaftet oder von dort unter fadenscheinigen Begründungen gar nach Moskau deportiert. Die Parteiführung schwieg dazu.
Die KPD war ein Anhängsel der SED, und mit der KPD stand 1956 also auch die DDR vor dem Verfassungsgericht. Das bedeutete anders herum, das KPD-Verbot stand der Entspannungspolitik und offiziellen Besuchen von DDR-Politikern im Westen im Wege. Denn diese hätten sofort verhaftet werden müssen, nicht einmal Sportbegegnungen waren möglich. Als im Jahr 1966 die große Koalition die Regierung übernahm, wurde deshalb zunächst das Gesinnungsstrafrecht abgeschafft. Dann begannen Geheimgespräche über die Wiederzulassung der KPD. Am Ende stand ein Kompromiss: Die KPD blieb verboten, stattdessen wurde 1968 die DKP gegründet und von der Bundesregierung toleriert. Die illegale KPD war – abgesehen von wenigen Mitgliedern – einverstanden, das SED-Politbüro stimmte stillschweigend zu.

Die DKP bekannte sich zwar zum Grundgesetz, stellte sich jedoch sofort in die Tradition der KPD. Sie verteidigte den Einmarsch in Prag und blieb gesellschaftlich isoliert. Eine Gefahr für die ‚freiheitlich-
demokratische Grundordnung’ wurde sie nicht mehr. Verfassungsrechtlich bestand und besteht das KPD-Verbot fort, bis heute wurde es nicht aufgehoben. Faktisch allerdings wurde es mit der Zulassung der DKP und der Duldung der vielen K-Gruppen seit den 70er Jahren wieder abgeschafft. Heute, 50 Jahre danach, wäre es an der Zeit, das Urteil von 1956 aufzuheben und die damals aufgrund dieses Urteils inhaftierten GenossInnen, soweit sie noch leben, für das erlittene Unrecht zu entschädigen, und sei es auch nur symbolisch.  Es ist ein Skandal, dass ehemalige Nazirichter in den 50er Jahren in Amt und Würden kamen, um erneut – wie in der Zeit vor 1945 – über KommunistInnen zu richten. Umso unfassbarer ist es, dass solche Urteile noch immer Bestand haben. Denn mit dem Verbot der KPD wurden erneut KommunistInnen, SympathisantInnen, AntifaschistInnen und WiderstandskämpferInnen politischer Verfolgung ausgesetzt, mit Berufsverboten belegt oder eingesperrt. Gerade dieses Verbot steht symbolisch für den schizophrenen und besonderen deutschen Umgang mit der Ideologie des Kommunismus in Westeuropa.  Anti- kommunismus wurde und wird als Kitt einer bundesdeutschen Gesellschaft reproduziert, um politische Verfolgung und Repression zu rechtfertigen.

Die Linksfraktion im Bundestag will erreichen, dass das Bundesentschädigungsgesetz geändert wird, um Menschen zu helfen, die im Zuge der  Kommunistenverfolgung der BRD ihre Renten- und Wiedergut-
machungsansprüche als Opfer des NS-Terrors verloren haben. Einige leben noch, es ist also noch Zeit für Gerechtigkeit.

           (csk)