Abwasser vor der Privatisierung
Auf der letzten Kieler Ratssitzung am Donnerstag, den
21.September sollte mit der schwarz-grünen Mehr-
heit die Kieler Stadtentwässerung in eine
Betriebsgesellschaft umgewandelt werden, an der zu 49 % private Investoren
beteiligt werden. Die SPD setzte nun zunächst eine Vertagung der Entscheidung
durch, denn ohne Beratung in den Ausschüssen und unter Ausschluss
der Öffentlichkeit ginge das nicht. Die SPD will ebenfalls die Abwasserversorgung
in eine Anstalt öffentlichen Rechts umwandeln, allerdings ohne private
Partner.
Der Gesamtpersonalrat kritisierte die Privatisierungsabsichten,
denn sie hätten steigende Kosten und ver-
mutlich Personalabbau zur Folge und die 180 Mitarbeiter
könnten den Betrieb genauso gut führen. In den vergangenen Jahren
sind die Gebühreneinnahmen aus der Stadtentwässerung in andere
Kanäle geflossen, statt Rücklagen für die Instandhaltung
zu bilden.
Für CDU und Grüne ist der verursachte Sanierungsstau
von mindestens 90 Millionen Euro und die desolate Haushaltslage der Stadt
Kiel nun der Grund für die Privatisierung und Bildung einer Betreibergesellschaft.
Die Stadt soll sich mit ihrem Teil als Anstalt öffentlichen Rechts
an der Betreibergesellschaft beteiligen. CDU und Conrad Hansen (Grüne)
versicherten: Betriebsbedingte Kündigungen seien in beiden Rechts-
formen ausgeschlossen und Gebührenerhöhungen
werde es angeblich auch nicht geben.
Personalrat und Gewerkschaft hatten zunächst verhindert,
dass die gesamte Stadtentwässerung in eine GmbH umgewandelt wird.
Die Stadt will die Umlandgemeinden, die an der Stadtentwässerung mit
dran hängen, an der Betriebsgesellschaft beteiligen. Bislang ist unklar,
um welchen privaten Investor es sich handelt. Verträge werden dann
wohl auch wieder geheim sein, wie zwischen dem Mannheimer Energie-
versorger und den Kieler Stadtwerken.
Neben Attac, ver.di und der Linkspartei hatte auch die SPD gegen die Privatisierung der Stadtentwässerung Stellung genommen, da es sich um kommunale Daseinsvorsorge handelt. Einem erneuten Gutachten zu einer neuen Rechtsform und ihren wirtschaftlichen Folgen hatte die SPD aber zugestimmt.
Nach dem von der SPD verhinderten Ratsbeschluss muss nun
erneut auf einer Ratsversammlung abge-
stimmt wird. Die öffentliche Debatte ist eröffnet.
Das private Investoren die Stadtentwässerung ohne Renditestreben sanieren
werden, ist höchst unglaubwürdig. Wenn der private Betreiber
dann Pleite ist, bleibt die Stadt auf den Folgen hängen. Oder verkauft
dann, wie auch bei der Pleite der TXU, die Stadtent-
wässerung für einen Apfel und ein Ei, weit
unter Wert an den nächst besten Monopolisten. Verlierer sind die Kieler
Bürgerinnen und Bürger, die mit höheren Gebühren zu
rechnen haben und die Beschäftigten, die bei neuen Verträgen
mit Lohn- kürzungen und Personalabbau rechnen müssen.Die
Aussichten für die Kieler Daseinvorsorge sind düster. Auch den
Verkauf weiterer Anteile der Stadtwerke hat die OB Frau Volquartz bereits
angekündigt.
Kein Problem haben die Kieler Ratsparteien, wenn es um riskante Prestigeobjekte geht. Trotz der Bedenken des Rechnungsprüfungs- amtes wurde beschlossen, Verhandlungen über Planung und Betrieb eines Science Centers auf dem östlichen Teil des Hörnufers aufzu- nehmen. Der städtische Anteil an dem 26,3 Millionen-Euro-Projekt dürfe nicht mehr als 6,4 Millionen Euro betragen. Ab 212.000 Besucher pro Jahr käme der Betrieb in den Gewinnbereich. Vom grünen Bürgermeister Todeskino und von der CDU wird der Betreiber AWC aus Köln bevorzugt. Bei früheren Planungen hatten sich die Interessenten wieder zurückgezogen, denn vermutlich waren das Risiko zu groß oder die Gewinnerwartungen zu gering. Das Betriebsrisiko soll jetzt offensichtlich die Stadt Kiel tragen. Obwohl es negative Beispiele aus anderen Städten mit solchen Projekten gibt und obwohl die Stadt Hamburg ein noch gigantischeres Science Center plant, will der Kieler Rat trotz des Haushaltsdefizits das Risiko eingehen. Vermutlich, um der hiesigen maritimen Wirtschaft zu gefallen, die vor allem durch Rüstungsproduktion geprägt ist und das Science Center für Werbezwecke mißbrauchen wird.