Neue Kanonenbootpolitik
Im Kalten Krieg hatte die Bundesmarine bis in die 70er
Jahre hinein ihr Einsatzgebiet in Ost- und Nordsee, ab 1980 wurde der
Aktions- radius über den 61. Breitengrad hinaus bis Nordnorwegen erweitert.
Die Bewaffnung der westdeutschen Seestreitkräfte war ausschließ-
lich auf den Über- und Unterwasserseekrieg ausgerichtet. Mit dem Ende
der Blockkonfrontation begann für die Marine eine „Entregionalisierung
der Einsatzplanung“. Nicht mehr die Verteidigung der eigenen Küste
steht seither im Vordergrund, sondern zunehmend der Kampf an fremden Gestaden.
Die Bundesmarine wurde 1990 offiziell in Deutsche Marine mit einem großen
„D“ umgetauft. Künftig geht es ihr nicht mehr nur um die Fähigkeit,
Schiffe und U-Boote versenken zu können, mit neuartigen Korvetten
und Fregatten erhält sie auch eine neue Qualität: Sie kann damit
bald auch Festland aus der Ferne beschießen. Von diesem Jahr an werden
Heer, Luftwaffe und Marine bis 2010 in drei neue Kategorien eingeteilt.
Dies kommt einem revolutionären Schritt gleich: Der Umbau in sogenannte
Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte soll ihr
entscheidende Offensiv-
stärke für die weltweite Interventionsfähigkeit
verleihen.
„Eingreifkräfte“ für den Krieg
Dabei werden die 35.000 High-Tech-Soldaten der „Eingreifkräfte“
den im Aufbau befindlichen Schnellen Eingreiftruppen von Europäischer
Union und NATO (NATO Response Force – NRF) zugeordnet. Sie sollen „friedenserzwingende
Maßnahmen durchsetzen und damit Voraussetzungen für friedens-
stabilisierende Operationen schaffen“ (SPD-Wehrminister
Peter Struck im „Konzept der Bundeswehr“, KdB, 9.8.2004, S. 27). Oder deutlicher:
Die „Eingreifkräfte“ sind für den Krieg vorgesehen. Die deutsche
Beteiligung an diesen multinationalen Truppen ist ambitioniert. 15.000
ihrer Soldaten stehen für die NRF der NATO bereit, die ab November
2006 binnen einer Woche weltweit in den Kriegseinsatz ziehen können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete auf der sogenannten Münchner
Sicherheitskonferenz im Februar des Jahres stolz: „Wir stellen den größten
Truppenanteil an der NATO Response Force.“ 18.000 „Eingreifkräfte“
bilden das größte nationale Kontingent der 80.000 Mann starken
Schnellen Eingreiftruppen der EU. Deren Speerspitze bilden jeweils 1.500
Soldaten starke „Battlegroups“, die binnen 15 Tagen vornehmlich in Afrika,
aber durchaus auch weltweit, einsetzbar sein sollen. Für zwölf
multinationale „Battlegroups“ haben die EU-Mitgliedsstaaten bereits Kontingente
gemeldet. Deutschland will in sieben dieser Einheiten mit dabei sein und
in vieren die Führung übernehmen. Das ist die stärkste Beteiligung
und die häufigste Führungsübernahme aller EU-Staaten.
Warum dieser deutsche Ehrgeiz? Einen Hinweis liefert eine
Verteidigungspolitische Richtlinie (VPR) von Exwehrminister Volker Rühe
(CDU) von 1992 (deren machtpolitischer Impetus wohl gar zu eindeutig ausfiel,
so dass Struck sie 2003 nicht wieder in seine VPR aufnahm): „Wenn die internationale
Rechts-
ordnung gebrochen wird oder der Frieden gefährdet
ist, muss Deutschland auf Anforderung der Völkerge-
meinschaft auch militärische Solidarbeiträge
leisten können. Qualität und Quantität der Beiträge
bestimmen den politischen Handlungsspielraum Deutschlands und das Gewicht,
mit dem die deutschen Interessen international zur Geltung gebracht werden
können.“ (Pkt. 27) Trotzdem scheint diese VPR nach wie vor dem außenpolitischen
Handeln der Bundesregierung zugrunde zu liegen.
Die Aggressivität des Bundeswehrkonzepts unterstreicht der heutige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, der die Fähigkeiten der „Eingreifkräfte“ folgendermaßen beschreibt: „Sie müssen zu uneingeschränkten vernetzten Operationen und zum Gefecht der verbundenen Waffen, zur verbundenen Luft- und Seekriegführung sowie zum präzisen Waffeneinsatz im gesamten Reichweitenspektrum befähigt sein. Vielleicht müssen sie noch auf lange Zeit den Sieg durch physische Präsenz mit traditioneller Symbolik dokumentieren: die Hauptstadt fällt, Denkmäler werden gekippt, Flaggen werden eingeholt.“ (Soldat und Technik, Januar 2004, S. 11)
Bestand der Marine
Die Marine bietet den „Eingreifkräften“ folgendes Material an: „sieben Fregatten, fünf Korvetten, vier U-Boote, sechs Minenabwehreinheiten sowie Seeluftstreitkräfte“ (KdB, S. 77). Seeraum- und Embargoüberwachung sind klassische Aufgaben der „Stabilisierungskräfte“. Ihnen werden acht Fregatten, zehn Schnellboote, neun Minenabwehreinheiten, vier U-Boote, sechs bis sieben Versorgungseinheiten und zehn Fernaufklärer zugeordnet werden. (KdB, S. 74)
15 Fregatten: Fregatten sind die größten Seekriegsmittel
der deutschen Marine. Die acht Fregatten der „Bremen“-Klasse (130 Meter
lang, 3600 ts1, 30 Knoten2) wurden 1982 bis 1990 in Dienst gestellt. Allein-
verantwortlicher Generalunternehmer war die inzwischen
aufgelöste Bremer Werft Vulkan. Die für den Libanon-Einsatz vorgesehene
„Karlsruhe“ gehört zu dieser F-122-Klasse. Ihre militärische
Hauptaufgabe ist die U-Boot-Jagd mit Bordhubschraubern. Sie sind jedoch
auch für den Überwasserseekrieg und die Flugab-
wehr ausgerüstet. Für die ersten sechs Schiffe
dieser Klasse mussten die Steuerzahler 2,01 Milliarden DM berappen (Stückpreis
umgerechnet 170 Millionen Euro).
Der Bauauftrag der „Brandenburg“-Klasse ist noch vor dem
Ende des Kalten Krieges im Juni 1989 erteilt worden. In den Jahren 1994
bis 1996 wurden die vier Fregatten (139 Meter lang, 4700ts, 29 Knoten)
in Dienst gestellt, zu denen auch das deutsche Führungsschiff des
Libanon-Einsatzes, die „Mecklenburg-
Vorpommern“, gehört. Generalunternehmer war die
Hamburger Werft Blohm+Voss. Der Preis für die vier sowohl für
die U-Boot-Jagd als auch für den Überwasserseekrieg ausgerüsteten
Kriegsschiffe der F-123-Klasse betrug 2,42 Milliarden DM (Stückpreis
zirka 300 Millionen Euro).
Die letzte der drei Fregatten der „Sachsen“-Klasse (143
Meter lang, 5600 ts, 29 Knoten) wurde im Dezember 2005 in Dienst gestellt.
Generalunternehmer war wiederum Blohm+Voss. Der Aufgabenschwer-
punkt dieser Schiffe ist die Flugabwehr. Das Luftüberwachungsradar
ist so leistungsstark, dass es vom Hamburger Hafen aus „Flugzeuge sogar
über dem 500 Kilometer entfernten Frankfurter Flughafen orten
und identifizieren“ kann (Hamburger Abendblatt, 16.10. 2004). Jede Fregatte
für sich ist in der Lage, gleichzeitig etwa 250 Luftziele in einem
Radius von rund 400 Kilometern exakt zu erfassen. Die F 124 ist erstmalig
für Deutschland für den „uneingeschränkten Verbandsschutz“
und somit als Führungsschiff eines Kampfverbandes konzipiert. Vizeadmiral
Wolfgang Nolting, damals Befehlshaber der Flotte, heute Marineinspekteur,
bezeichnete die „Sachsen“ als „eines der modernsten und durchsetzungsfähigsten
Seekriegsmittel der Welt“ (Soldat und Technik, Dezember 2004). Für
die drei Fregatten mussten die Steuerzahler 2,2 Milliarden Euro zahlen
(Stückpreis 733 Millionen Euro). Resümierend muss man feststellen,
dass die Fregatten von Mal zu Mal größer und teurer wurden.
Die „Sachsen“-Klasse ist die – vorläufig – teuerste deutsche Kriegswaffe
aller Zeiten.
14 U-Boote: Die zehn hochseegängigen U-Boote der Klasse 206 A sind mit ihren knapp 500 Tonnen Wasserverdrängung die kleinsten bewaffneten U-Boote der Welt und sehr schwer zu orten. Gebaut bei HDW in Kiel und den Nordseewerken in Emden, sind sie seit Mitte der 70er Jahre im Dienst und wurden zwischen 1987 und 1992 modernisiert. Ihre Aufgabe ist Aufklärung und der Überwasserseekrieg: Versenkung von Schiffen mit Hilfe von Torpedos, ihr Einsatzgebiet sind Randmeere bis nahe an den Uferbereich. Die U-206 A können auch noch in nur 20 Meter tiefem Wasser operieren.
Der Bauvertrag über vier U-Boote des Typs 212 wurde im Juli 1994 mit den Werften HDW und Nordseewerke Emden unterzeichnet. Diese 1.800 Tonnen Wasser verdrängenden U-Boote stellen im konventionellen U-Boot-Bau eine revolutionäre Neuerung dar. Ihre Brennstoffzellenantriebstechnik macht die Boote von der Außenluft weitgehend unabhängig, so dass sie drei bis vier Wochen getaucht fahren können. Dabei können sie eine Strecke von 22.000 Kilometern zurücklegen. Sie sind nicht nur für flachere Gewässer ausgelegt, sondern mit einer Tauchtiefe unterhalb von 400 Metern auch hochseetauglich. Sie bewegen sich quasi lautlos– „selbst amerikanische Atom-Boote sind lauter“ (der „Kaleu“ der U-32, zit. n. Hamburger Abendblatt, 15.10.2005). Sie lassen sich noch schwerer orten als die U-206 und werden deshalb vor allem als exzellentes Aufklärungsmittel gepriesen. Ihre neuartigen Schwergewichtstorpedos „Seehecht“ aus deutscher Produktion, von denen 70 Exemplare bei Atlas Elektronik bestellt wurden, machen sie zu den kampfstärksten konventionell angetriebenen U-Booten überhaupt. Aus sechs Rohren lassen sich die „Seehechte“ mit einer Geschwindigkeit von über 90 km/h (Vorgängermodell 65 km/h) und einer gelenkten Laufstrecke von mehr als 50 Kilometer (Vorgängermodell zirka 20 Kilometer) ins Ziel befördern. Die U-212 sind speziell für die Jagd auf andere U-Boote konzipiert. Überwasserschiffe können sie allerdings auch versenken. Drei U-212 sind seit 2005 im Dienst, das vierte soll noch im September in Dienst gestellt werden. Ihr Bau verschlang 1,75 Milliarden Euro (Stückpreis 437,5 Millionen Euro), und bis Ende des Jahres sollen zwei weitere U-Boote dieses Typs für 864 Millionen Euro in Auftrag gegeben werden.
Zehn Schnellboote: Die Schnellboote der „Albatros“-Klasse (57 Meter lang, 390 ts, bis zu 40 Knoten) wurden auf der Lürssen-Werft in Bremen und der Kröger-Werft in Rendsburg gebaut und sind in den Jahren 1976 bis 1984 in Dienst gestellt worden. Es sind die restlichen der einstmals 40 Schnellboote der Bundesmarine, die für die Ostsee ausgelegt waren. Sie sind zur Überwasser-Seekriegführung vollgepackt mit Seezielflugkörpern, Torpedos und Minen. Vier S-Boote sollen im Seegebiet vor dem Libanon eingesetzt werden.21 Minenjagdboote: Die deutsche Minenjagdtechnik ist weltweit führend beim Aufspüren und Vernichten von Seeminen.
38 Unterstützungsschiffe: Zu den Unterstützungsschiffen
gehören u.a. zwei Einsatzgruppenversorger (EGV): die „Berlin“ und
die „Frankfurt am Main“ sind mit je 20.240 Tonnen die größten
Schiffe der deutschen Marine; letzteres wird ins Seegebiet vor Libanon
entsandt. Sie wurden 2001 und 2002 in Dienst gestellt und versorgen die
Truppe auf See mit Proviant, Kraftstoff, Wasser und Marketenderwaren. Ein
EGV (174 Meter Länge, 20 Knoten) kann bis zu 199 Tonnen Munition transportieren.
An Bord befindet sich ein kleines Krankenhaus mit zwei Operationsräumen.
Die Funktion der EGV ist es, die Einsatzdauer eines Kampfschiffverbandes
von 21 auf 45 Tage auszudehnen, ohne dass eine landgebundene Unter-
stützung erforderlich ist. Einsatzspektrum, Durchhaltevermögen
und Flexibilität der schwimmenden Truppe erhöhen sich erheblich,
so dass erst die EGV den Marineverband weltweit einsetzbar machen. Die
Marine-
führung wünscht sich alsbald einen dritten
Versorger (Stückpreis 125 Millionen Euro).
Fünf Korvetten (in Bau): Im Dezember 2001 wurden
fünf hochseegängige Korvetten K 130 mit Tarnkappeneigenschaften
(89 Meter lang, 1840 ts, Tiefgang von 3,40 Meter, 26 Knoten) in Auftrag
gegeben. Sie stellen einen für die Bundeswehr völlig neuen
Kriegs- schiffstyp dar. Die Korvetten verleihen der Marine eine weitreichende
Angriffsfähigkeit durch den Marschflugkörper RBS 15 Mk3 aus deutsch-schwedischer
Produktion. Er hat eine Reichweite von 200 Kilometern, die jedoch auch
auf 400 erweitert werden kann. Sein 200-Kilogramm-Sprengkopf kann über
eine kombinierte Infrarot-Radar-
GPS-Steuerung metergenau ins Ziel befördert werden.
Ursprünglich wurden die Marschflugkörper als Seezielbekämpfungsmittel
annonciert. Ihre wahre Bestimmung wird jedoch im Entwurf des neuen Weißbuchs
der Bundeswehr deutlich benannt: „Mit den Korvetten K 130 verbessert die
Marine künftig ihre Durchsetzungs- und Durchhaltefähigkeit.
Diese Eingreifkräfte der Marine werden zur präzisen Bekämpfung
von Landzielen befähigt sein und damit streitkräfte- gemeinsame
Operationen von See unterstützen“ (Weißbuchentwurf, S. 86).
Die militärische Begründung hierfür liefert
der seit mehr als einem Jahrzehnt im Führungsstab der Marine für
ihre „operativen Grund- satzangelegenheiten“ Verantwortliche, der
Kapitän zur See Jürgen Mannhardt: „Durch sie kann der Zugang
zum Operationsgebiet von See aus erkämpft werden und Operationen an
Land können insbesondere im frühen Stadium bei noch nicht ausreichend
verfügbarer Feuerkraft der eingesetzten Kontingente sinnvoll unterstützt
werden. Zudem leistet die Landzielbekämpfung von See (...) einen
wesent- lichen Beitrag zur Gefechtsfeldvorbereitung für die eigentlichen
Operationen der Landstreitkräfte.“ Also sind die Korvetten als
Kampf- mittel der ersten Stunde vorgesehen. Die Bedeutung der Einführung
dieser neuen Offensivwaffe über die Marine hinaus unterstreicht Mannhardt
mit der folgenden Aussage: „Die Realisierung dieser Fähigkeiten ist
ein wesentlicher Meilenstein hin zu dem neuen maritimen Fähigkeitsprofil
der Streitkräfte“ (Soldat und Technik, Juni 2004, S. 50). Mannhardt
hatte bereits 1995 für die Einführung von Korvetten plädiert:
Mit dem Verbund von Fregatte und Korvette „kann den funktionalen Einsatz-
gruppen ein entsprechendes Handlungsspektrum eröffnet
und der Verbund des Überwasserseekrieges von der Hohen See bis in
die Küste hinein verwirklicht werden“ (Soldat und Technik 2/1995,
94). Da die Reichweite ihrer Bewaffnung den Beschuss nahezu aller Hauptstädte
der Küsten- und Inselländer Afrikas, aber auch z.B. den von Damaskus
und selbst Pjöngjangs ermöglicht, verschafft sich die Bundesregierung
hiermit Mittel zur Machtentfaltung von weltweitem Ausmaß.
Unter Federführung von Blohm+Voss stellt die ARGE
(Arbeitsgemeinschaft) K 130, zu der die Nordsee-
werke Emden und die Privat- werft Friedrich Lürssen,
Bremen, gehören, fünf Korvetten her. Jede wird mit Abschusseinrichtungen
für vier Marschflugkörper bestückt. Insgesamt sind 60 Marschflugkörper
bestellt worden. Der Korvettenbau verschlingt etwa 970 Millionen, die Marschflugkörper
kosten 215 Millionen, also zusammen etwa 1,2 Milliarden Euro (Stückpreis
240 Millionen Euro). Sie erhalten die Städtenamen Braun- schweig
(Ablieferung Mai 2007), Magdeburg (November 2007), Erfurt und Oldenburg
(jeweils April 2008) sowie Ludwigshafen (November 2008). Sämtliche
Städte haben sich um eine Patenschaftspflege beworben. Proteste dagegen
waren bisher eher zaghaft. Ist das ein Wunder, wenn in den veröffentlichten
Darstellungen etwa die vorgesehene Bewaffnung der Schiffe mit Marschflugkörpern
und deren Bestimmung so gut wie nicht vorkommen?
Diese Korvetten verkörpern wie kaum ein anderes neues
Waffensystem die Umorientierung der Bundes-
wehr weg von der Landesverteidigung hin zum weltweiten
Einsatz. Korvetten sind die Speerspitze des aggressiven Marinekonzepts
der Bundesregierung, das mit Recht als Kanonenbootpolitik bezeichnet werden
kann.
Vier Fregatten F-125 (geplant): Blohm+Voss reichte den
6000-Seiten-Entwurf eines weiteren Fregatten-
Typs, die F 125 (139 Meter lang, 5500 ts, 27 Knoten),
beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung ein. Sie sind „für
langjährige weltweite Einsätze auch in rauhen Seegebieten“ (Soldat
und Technik, November 2005, S. 61) konzipiert. Hervorstechende Merkmale
der vielseitigen Bewaffnung sind das 155-mm-Geschütz der „Panzerhaubitze
2000“ und ein Mehrfach-Raketenwerfer (Typ „Stalinorgel“) mit Reichweiten
bis zu 70 Kilometern. Zudem sollen auf den Fregatten jeweils 50 Mann Spezialkampftruppen
stationiert werden können, die von mitgeführten Speedbooten aus
andere Schiffe entern oder an Land gehen können. Die Vertragsunterzeichnung
für vier dieser Fregatten F 125 ist für Dezember 2006 vorgesehen.
Kosten: Mindestens 2,2 Milliarden Euro (Stückpreis 550 Millionen Euro).
Europäischer Werftenverbund
Die ThyssenKrupp AG, mit rund 42 Milliarden Euro Jahresumsatz
2005 die Nummer sieben der deutschen transnationalen Konzerne, hat sich
mit der seit Jahrzehnten angestrebten Übernahme der U-Boot-Schmiede
HDW seit Januar 2005 einen europäischen Werften- verbund zusammengekauft.
Sie hält 75 Prozent an der ThyssenKrupp Marine Systems AG (TKMS),
25 Prozent gehört One Equity Partners (Teil der US-Invest-
mentbank J.P. Morgan). Der Werftenverbund besteht neben
HDW Kiel und dessen Betriebsteilen Nobis- krug GmbH in Rendsburg,
Kockums AB in Karlskrona/Schweden und Hellenic Shipyards in Skaramanga/Athen
aus den Thyssen- Krupp-Werften Blohm+Voss und Blohm+Voss Repair Hamburg
sowie den Nordseewerken Emden. 2005 trug TKMS 2,2 Milliarden Euro zum Konzernumsatz
bei. In diesem Jahr ist von 2,4 Milliarden die Rede. Mittelfristig werden
drei Milliarden angestrebt. Die Aufträge reichen für dreieinhalb
Jahre. TKMS beschäftigt 9300 Menschen. Zwei Drittel ihres Umsatzes
macht die Werftengruppe mit Marineschiffen, der Rest wird mit Handelsschiffen
und Luxusjachten erzielt. Die Zentrale des Werftverbundes bildet die berüchtigte
Werft Blohm+Voss, die bereits 1898 und 1900 als Profiteur der Flottengesetze
Kaiser Wilhelms II. durch den Bau von neun großen Kampfschiffen zur
Vorbereitung des Ersten Weltkriegs beitrug. Von 1915 bis Kriegsende produzierte
sie in Serie 98 U-Boote, soviel wie keine andere deutsche Werft. Spitze
war sie darin auch von 1939 bis 1945. 224 der insgesamt 1.153 deutschen
U-Boote des Zweiten Weltkriegs kamen, nicht zuletzt unter Einsatz von Häftlingen
des KZ Neuengamme, von Blohm+Voss. Die faschistische U-Boot-Flotte versenkte
2800 Handelsschiffe der Alliierten. Alles nur Vergangenheit?
Analog zur Konsolidierung der europäischen Luftfahrtindustrie
war für den maritimen Bereich von der Bildung einer Marine-EADS die
Rede. Gerhard Schröder und Jacques Chirac strebten eine Fusion der
französischen Werft DCN mit einem deutschen Werftenkonsortium
an. Anfang 2005 wurde diesem Ziel von deutscher Seite mit dem Hinweis auf
den hohen französischen Staatsanteil eine Absage erteilt. Der expandierende
Thyssen-Krupp-Konzern setzt im Bestreben um einen europäischen Werftenverbund
nunmehr auf einen Alleingang. Als erstes kaufte ThyssenKrupp Anfang des
Jahres zusammen mit EADS im Verhältnis 60:40 von der britischen BAe-Systems
die Bremer Rüstungsfirma Atlas Elektronik, Weltmarkt-
führer in der U-Boot-Sonartechnik und in der Torpedotechnologie,
das 60 Prozent seines Geschäftes mit TKMS abwickelt. TKMS beabsichtigt,
seinen Anteil an der portugiesischen Lisnave-Werft von derzeit 20 Prozent
aufzustocken, erklärt öffentlich, eine Werft in Südostasien
zu übernehmen und strebt einen Ausbau der Kooperation mit der führenden
italienischen Marinewerft Fincantieri über den U-Bootbau hinaus an.
Auch die Erklärung von TKMS-Chef Klaus Borgschulte, ihm stünden
die britischen Werften näher als die französischen, zeugt von
deutschem Selbstbewusstsein. Falls es dann eines Tages doch noch zu einem
Verbund mit der DCN kommt, dann bitte schön aber unter deutscher Führung.
Dieser Machtanspruch kommt nicht von ungefähr. Zwar
ist der Marineexportmarkt nicht offen, weil die Werften der USA, Russlands,
Japans und Chinas nur für die heimische Marine produzieren, im restlichen
Weltmarkt des Kriegsschiffexports jedoch liegt der TKMS-Marktanteil nach
Borgschultes Aussage bei Korvetten und Fregatten bei 65 Prozent und bei
U-Booten bei 70 bis 80 Prozent (FAZ, 21.6.2005). Die auf Expansion eingestellte
deutsche Marineindustrie wittert Großgeschäfte und knobelt immer
neue Kriegs- schifftypen aus, was in Offizierskreisen und unter Militärpolitikern
dankend aufgenommen wird. Die gefähr-
liche Allerweltsformel, wonach die Bundeswehr ihre Aufgabe
in der „internationalen Konfliktver-
hütung und Krisenbewältigung einschließlich
des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus“ sieht, und es fortan
gelte, „wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands sich
besonders Regionen, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger
gefördert werden, zuzuwenden“ (Weißbuchentwurf S. 12), droht
der Tabubruch Nahosteinsatz zum Dammbruch für noch wesentlich ausgreifendere
Marineeinsätze zu werden. Die Waffen dafür sind jedenfalls in
Arbeit.
2 Maßeinheit für die Geschwindigkeit eines Seeschiffes: 1Knoten = 1 Seemeile (1.852 Meter) in der Stunde
Der Autor Lühr Henken ist Vorstandsmitglied des Hamburger
Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung
e.V., Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag und im Beirat der
Informationsstelle Militarisierung (IMI) Tübingen e.V. Der Artikel
erschien zuerst am 16. September in der jungen Welt. Wir danken Lühr
für die Genehmigung zum Nachdruck.