Riesendemo gegen Lohnraub
In einer der größten Demonstrationen in der Nachkriegsgeschichte Schleswig-Holsteins protestierten am 13. September weit mehr als 13.000 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gegen die Politik des Landes in Kiel. Die Teilnehmerzahlen überraschten auch den DGB als Veranstalter. Er war im Vorfeld von rund 5000 Teilnehmern ausgegangen, nicht zuletzt deshalb, weil die Demonstration an einem Wochentag stattfand und daher viele Auswärtige gar nicht nach Kiel kommen konnten.
Die Demonstration führte vom Rathausplatz vor das
Landeshaus. Dort wurde unterdessen das größte Sparpaket in der
Landesgeschichte beraten. Neben drastischen Einsparungen bei Kommunen und
Ver-
bänden wurde in erster Lesung die geplante weitgehende
Abschaffung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Schleswig-Holsteinischen
Beamtinnen und Beamten verhandelt. Nachdem die Staatsdiener in diesem Jahr
bereits eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich auf 41 Stunden
pro Woche hinnehmen mussten, sollen sie durch die Kürzungen zukünftig
zusätzlich auf rund 10% ihres Einkommens verzichten.
Dementsprechend wurde die Demonstration vor allem durch die in der GEW organisierten Lehrerinnen und Lehrer und durch die Polizeibeamten der GdP getragen.
Aber die Proteste richteten sich gleichermaßen gegen weitere geplante Einkommensminderungen. Erwähnt wurden besonders die auf Bundesebene geplante Mehrwertsteuererhöhung um 3% zum 1. Januar 2007, die Kürzungen der Pendlerpauschale und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, wobei im Gegenzug die Unternehmer ab 2007 mit rund zehn Milliarden Euro jährlich entlastet werden sollen.
Aber auch die schwarz-rote Landesregierung plant weitere
drastische Einschnitte für die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins:
Mit der Verwaltungsstrukturreform sollen große Teile der Landesverwaltung
privatisiert werden. Flankiert wird dies durch ein Beschleunigungsgesetz
zu Öffentlich-Privaten-Partner-
schaften (ÖPP). Werden die Pläne von CDU und
SPD im Land Wirklichkeit, können zukünftig selbst Kernaufgaben
der Verwaltung durch private Firmen erledigt werden. Von diesen wird nicht
einmal die Einhaltung von sozialen Mindeststandards verlangt. Die Zerschlagung
vieler Tausender tarifgebundener Arbeitsplätze wäre damit vorprogrammiert.
Die Privatisierungswut macht derzeit nicht einmal vor dem Schleswig-Holsteinischen Wald halt: Die 52.000 Hektar Wald will das Land so schnell wie möglich an einen privaten Investor verkaufen. Daher beteiligten sich auch viele in der IG BAU organisierte Waldarbeiter an den Protesten.
Und auch das Schleswig-Holsteinische Uniklinikum (UKSH) soll dran glauben: Der größte Arbeitgeber Schleswig-Holsteins soll zumindest in Teilen verkauft werden.
Auch die geplante Novellierung des Hochschulgesetzes war
Gegenstand der Proteste. Zwar war die Ge-
setzesänderung noch nicht Gegenstand der Landtagsberatung,
aber für die Demonstranten war klar, dass mit dem geplanten Wegfall
des Verbots von Studiengebühren auch die Schleswig-Holsteinischen
Hoch-
schulen in absehbarer Zeit Studiengebühren von ca.
500 Euro pro Semester von ihren Studenten verlangen werden.
Der DGB machte klar, dass die Demonstration nur der Anfang
einer Protestwelle war. Der nächste Höhe-
punkt des Widerstands gegen die Kahlschlagspolitik von
Bund und Ländern wird der 21. Oktober sein. Dann werden die Proteste
unter dem Motto „Für die Zukunft der Sozialen Sicherung“ unter anderem
nach Berlin getragen.