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Der lange Kampf für Lohn bei Krankheit:

Streik vor 50 Jahren

Wer krank wird, bekommt trotzdem Lohn, egal ob Arbeiterin oder Angestellter. Wusstest Du, dass MetallarbeiterInnen vor 50 Jahren dafür gestreikt haben – 114 Tage lang? Der Streik um Lohnfortzahlung bei Krankheit begann am 24. Oktober 1956 in  Schleswig- Holstein und dauerte bis zum 14. Februar 1957. Mehr als   34.000 MetallarbeiterInnen erstreikten nach 114 Tagen einen Tarifvertrag, der die Arbeiterinnen und Arbeiter bei Krankheit besser absicherte.
 

Worum ging es?

Die IG Metall hatte in den Verhandlungen mit den Arbeitgebern einen Lohnausgleich bei Krankheit, mehr Urlaubstage und zusätzliches Urlaubsgeld gefordert. Beim Lohnausgleich ging es darum, das Krankengeld für Arbeiterinnen und Arbeiter auf 90 Prozent des letzten Nettolohns aufzustocken. Damit sollten sie den Angestellten gleichgestellt werden. Denn sie waren in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bereits abgesichert.

Ein Streik in dieser Zeit?

Im Jahre 1956 waren von 62 366 ArbeiterInnen, die in der Metallindustrie Schleswig-Holsteins beschäftigt waren, 44 856 Mitglieder der IG Metall, exakt 71,9 Prozent. Die wirtschaftliche Lage war ausgezeichnet. Die Auftragsbestände der Werften hatten im Herbst 1956 einen absoluten Höchststand erreicht. Doch im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand eine Forderung, um die es in einem sozialen Rechtsstaat eigentlich keinen Streit hätte geben dürfen: die Gleichbehandlung von ArbeiterInnen und Angestellten bei Krankheit.

Einigungsversuche bleiben ergebnislos

Von Beginn gab es Druck durch den Gesamtverband der Metallindustriellen, der einen Präzedenzfall befürchtete und vor allem die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verhindern wollte. Einigungsversuche des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Kai Uwe von Hassel, blieben ergebnislos. Sein Schlichtungsvorschlag - der keine der Kernforderungen der IG Metall berücksichtigte – wurde in einer Urabstimmung mit 97,4 Prozent abgelehnt. Auch dem Vorschlag des Arbeitsministers von Nordrhein-Westfalen, Johannes Ernst, stimmten die Streikenden nicht zu. Sie lehnten ihn mit 76,2 Prozent ab.

Vierte Urabstimmung nimmt Vorschlag an

In der vierten Urabstimmung nahmen die Streikenden einen erneuten Einigungsvorschlag mit 39,7 Prozent an. Das  Urabstimmungs- ergebnis wurde zwar als konkrete Zahl nicht veröffentlicht, doch der Streik war damit beendet. Der entscheidende Durchbruch zur Gleichbehandlung der Arbeiter und Angestellten war erkämpft, ein längerer Urlaub und eine bessere Urlaubsvergütung erreicht.

Streik schreibt Sozialgeschichte

Einer der wichtigsten Streiks der deutschen Sozialgeschichte war erfolgreich beendet worden. Wenige Monate später verabschiedete der Bundestag das "Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle", dem Vorläufer für die endgültige Gleichstellung durch das Lohnfortzahlungsgesetz von 1969.

csk