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Schleswig-Holstein gibt Ladenöffnungszeiten an Werktagen frei

Die Geschäfte in Schleswig-Holstein dürfen künftig von montags bis sonnabends rund um die Uhr öffnen. Dies beschloss der Landtag am 29.11.2006 in Kiel mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und Südschleswigschem Wählerverband (SSW). Die Regelung soll vom 1. Dezember an gelten und das Weihnachtsgeschäft ankurbeln. Zudem dürfen die Läden in Zukunft auch an vier Sonn- oder Feiertagen im Jahr öffnen. Ausgenommen sind die Adventszeit, Ostern und Pfingsten. Schleswig-Holstein gehört damit wie Berlin, Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen zu den Vorreitern bei der Verschlechterung der Arbeitssituation im Einzelhandel. Andere Länder haben die Bestimmungen ebenfalls gelockert oder wollen dies im nächsten Jahr tun.

Hamburg: Bürgerschaft muss noch zustimmen

In Hamburg muss die Bürgerschaft dem Gesetzentwurf zur Aufhebung des Ladenschlusses noch zustimmen, den Wirtschaftsausschuss hat der Entwurf gegen die Stimmen von SPD und GAL bereits passiert. Das Einkaufen rund um die Uhr wird damit in der Hansestadt voraussichtlich von Anfang 2007 an möglich werden. Wie die Freigabe der Öffnungszeiten an Werktagen vom Handel umgesetzt wird, soll in Hamburg den Betrieben überlassen bleiben.

Mecklenburg-Vorpommern: Regierung braucht noch Zeit

Auch im Nordosten wird es nichts mit einer Lockerung des Ladenschlusses schon zum Weihnachtsgeschäft. Der Landtag lehnte einen Antrag der FDP auf sofortige Freigabe ab. Es werde wahrscheinlich drei Monate dauern, bis es eine Neuregelung geben werde, hatte Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) kürzlich gesagt. Die Zeit werde gebraucht, um das neue Gesetz auf den Weg zu bringen und alle Rechtsunsicherheiten auszuräumen. Die Lockerung des Ladenschlusses ist Bestandteil des Koalitionsvertrags von SPD und CDU.

Niedersachsen: Lockerung erst im April

Auch in Niedersachsen wird der Ladenschluss aller Voraussicht nach gelockert - nach den Plänen der Regierungskoalition aber erst im April 2007. Der Gesetzentwurf von CDU und FDP sieht vor, die Ladenschlusszeiten von Montag bis Sonnabend komplett freizugeben. Zudem sollen Verkaufsstellen an insgesamt vier Sonn- und Feiertagen im Jahr außerhalb der Gottesdienstzeiten fünf Stunden lang öffnen dürfen. Für Kur-, Ausflugs- und Wallfahrtsorte sollen die Vorschriften gelockert werden. Die Liberalen hatten ursprünglich gefordert, längere Öffnungszeiten bereits zum Weihnachtsgeschäft freizugeben, die CDU zog aber nicht mit. Im Januar sollen nun noch verschiedene Gruppierungen vom Einzelhandel bis zu den Kirchen zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen.

Längeres Einkaufen nur in Kaufhäusern und Einkaufszentren?

Trotz des Landtagsbeschlusses werden die Schleswig-Holsteiner auch weiterhin nicht rund um die Uhr einkaufen können. Nach Angaben des Handels wollen nahezu ausschließlich große Kaufhäuser und Einkaufszentren an einem oder mehreren Tagen abends länger öffnen, jedoch vornehmlich nicht länger als bis 22.00 Uhr. Für Tourismus- und Kurorte gelten nach wie vor größere Freiheiten als für den übrigen Handel. Nach der so genannten Bäderregelung dürfen die Geschäfte dort in der Zeit vom 15. Dezember bis 31. Oktober auch an Sonn- und Feiertagen öffnen. Ausnahme bilden der Karfreitag und der erste Weihnachtstag. Nach Ansicht des SSW hätte die Bäderregelung auf das ganze Jahr ausgedehnt werden sollen. Eine Begrenzung auf die Zeit vom 15. Dezember bis zum 31. Oktober sei touristisch nicht zu rechtfertigen, sagte der Abgeordnete Lars Harms.

In Kiel sollen die Geschäfte – auch nach Aussage des Arbeitskreises Einzelhandel der Industrie- und Handelskammer – im Vergleich zu anderen Städten der Region am längsten offen sein. So werden die Karstadt-Warenhäuser ab dem 7. Dezember an den Donnerstagen vor Weihnachten bis 22 Uhr öffnen – und ab 2007 in Abstimmung mit dem Betriebsrat donnerstags bis 21 Uhr. Im Citti-Park startet in einer Woche ebenfalls der lange Donnerstag, die Geschäfte bleiben bis 22 Uhr geöffnet. An diesen Zeiten will man in den nächsten Monaten festhalten. Auch der Sophienhof hat angekündigt mitzuziehen. Jörg Böttcher, Sprecher der Interessengemeinschaft "Die Holtenauer" in Kiel, erklärte, die gesetzliche Lockerung sei "richtig". Die Zeiten aber werden bis auf Ausnahmen weitgehend bleiben. Kein Interesse an ausgedehnten Einkaufszeiten gibt es in Eckernförde, Plön und Neumünster. Eckernförde baut auf die Bäderregelung, wie Wilfried Wagner, Vorsitzender des dortigen Wirtschaftskreises, sagt. Die ermöglicht es, Läden in der Zeit vom 15. Dezember bis 31. Oktober an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Ausgenommen sind der Karfreitag und der erste Weihnachtstag.

„Positives Signal an den Einzelhandel“

Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) sagte, von dem neuen Gesetz gehe ein positives Signal an den Einzelhandel aus. Hier nehme die Zahl der Beschäftigten bereits zu. Das von CDU und SPD gemeinsam eingebrachte Gesetz berücksichtige sowohl die Bedürfnisse der Kunden als auch die örtlichen Gegebenheiten, sagte CDU-Wirtschaftsexperte Johannes Callsen. "Niemand muss, aber jeder darf öffnen." Auch Vorschläge von Kirchen und Arbeitnehmern seien berücksichtigt worden. Lob kam von Seiten der Wirtschaft. "Der Landtag hat dem Einzelhandel in Schleswig-Holstein einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft", sagte IHK-Präsident  Hans- Heinrich Driftmann. Da es in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg an entsprechenden Regelungen fehle, könnte der Handel mit Spätöffnungen im Vorweihnachtsgeschäft Shoppingtouristen aus den Nachbarländern in den Norden locken.

Ablehnung von Grünen und Gewerkschaften

Dem Gesetz zufolge können die Beschäftigten verlangen, an einem Sonnabend im Monat vom Dienst freigestellt zu werden. Diese Formulierung verkaufe die Arbeitnehmer für dumm, sagte der Abgeordnete Detlef Matthiessen (Grüne), dessen Partei das Gesetz ablehnte. Vielmehr hätten die Arbeitgeber dazu verpflichtet werden müssen, den Arbeitnehmern einen Sonnabend frei zu geben. Im Übrigen stärke das Gesetz die Ketten und Filialisten statt des innerstädtischen Handels. Die Gewerkschaft ver.di befürchtet neben erheblichen Verschlechterungen für die Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen auch eine Verschärfung des Konzentrationsprozesses in der Branche. Auch der DGB Nord kritisierte das Gesetz. "Wir rechnen damit, dass die Umsätze nicht steigen werden", sagte der Landesbezirksvorsitzende Peter Deutschland. Er befürchte, dass noch mehr Vollzeit- in Teilzeitstellen umgewandelt werden.

„Regierungsparteien“ für Abschaffung des Ladenschlusses – Gewerkschaftsproteste lau

Es fällt schon auf, dass – quer durch die Republik – bisher alle Parteien, die an einer Länderregierung beteiligt sind, die bestehenden Ladenschlussregelungen aufgehoben haben oder dies in nächster Zeit tun wollen (gut, in Bayern ist es anders, aber dort braucht Stoiber derzeit Unterstützung für seine Wiederwahl und darf es sich mit der katholischen Kirche nicht verderben). Die Interessen der ArbeitnehmerInnen sind dabei egal. Aber auch um die KundInnen geht es in Wahrheit nicht. Die Einzelhändler wissen nur zu genau, dass diese immer weniger Geld in den Taschen haben. Deswegen wird zunächst versucht, einen größeren Anteil hiervon vom Kleinhandel weg in die Kassen der großen Kaufhausketten zu leiten.

Die Gewerkschaften haben zwar pflichtschuldig protestiert, wirksamer Widerstand sieht aber wohl anders aus. Die Gewerkschaft ver.di hat eine Chance vertan, den Widerstand der im Einzelhandel beschäftigten KollegInnen zu organisieren und damit die Stellung in den Betrieben auszubauen. Die Bosse von Karstadt, Plaza u. Co. wären sicher ‚not amused’, wenn die ArbeitnehmerInnen die neuen Öffnungszeiten während der Vorweihnachtszeit in ausgedehnten Betriebsversammlungen diskutieren möchten.

csk