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Stadtwerke Kiel:

Sparkurs und Gewinne auf Kosten der Kollegen

Die Stimmung bei den Kollegen der Kieler Stadtwerke ist auf dem Nullpunkt angekommen. Bereits am 2. November 2006 wurden in einer Pressemitteilung der Stadtwerke Kiel die Absichten ihrer Konzernleitung der MVV bekanntgegeben und allen Kollegen auf einer Betriebsversammlung mitgeteilt: Neben den bei der Übernahme der Stadtwerke durch die MVV angekündigten 300 Stelleneinsparungen bis 2010 sollen jetzt weitere 180 Arbeitsplätze abgebaut werden. Von ehemals ca. 1.000 Vollzeitkräften sollen dann "langfristig" nur rund 600 Arbeitsplätze bleiben.

Begründet wird dies dreifach:

1.) Der Betrieb müsse die Unternehmenstruktur verschlanken, um die Wettbewerbsfähigkeit bzw. die Stellung auf dem Markt zu erhalten.

2.) Die Bundesnetzagentur habe den Stadtwerken ab dem 1.10.2006 die Netznutzungsentgelte um 17 % gekürzt und dies müsse nicht nur durch Einsparung der Sachkosten, sondern auch durch Kürzung der Personalkosten wieder hereingeholt werden.

3.) Der Konzern wolle nicht auf Gewinne verzichten, weil dann die dringend nötigen Zukunftsinvestitionen in Frage gestellt seien.
Auch sämtliche Ratsparteien von Schwarz bis Grün wollen nicht auf die Dividende verzichten, weil dies sonst wegen geringerer Gewinnbeteiligung (49%) entweder höhere Verschuldung oder Arbeitsplatzabbau bei der Stadt und Kürzungen beim Öffentlichen Nahverkehr bedeuten würde.

Der Schwarze Peter fällt also auf die Belegschaft.

Bei den Löhnen wird die leistungsbezogene Vergütung um 30 % gekürzt.

480 Arbeitsplätze werden bis 2010 abgebaut. 107 ältere Kollegen sollen aktuell durch Abfindungsverträge in den Vorruhestand geschickt werden und bis Ende des Jahres dringend unterschreiben, weil sich ja auch die Rentengesetzgebung ändere. Die 55-57,5 jährigen sollen 2,5 Jahre auf 10% ihres Gehalts verzichten. Ab 57,5 -60 Jahre sind sie dann in den Vorruhestand freigesetzt und kriegen noch mal eine 10-15%ige Abfindung.

Gleichzeitig wird der Druck auf die gesamte Belegschaft erhöht, denn jeder kann der nächste sein. Der Konzern hat durch die Umstrukturierung der Tätigkeiten in bundesweite GmbH begonnen einige Tätigkeiten und Beschäftigungsfelder auszugliedern und abzubauen. Welche Tätigkeitsfelder wo im einzelnen gekürzt oder zentralisiert werden, wurde von den Aufsichtsräten im September 2006 ausgehandelt. Es wurden fünf Tochterunternehmen gegründet (Abrechnung, Energiehandel, Netzbetrieb, Informationstechnologie und Zähler- und Messwesen), die sich auf die Städte Mannheim, Offenbach, Ingolstadt, Solingen und Kiel verteilen, mit jeweils unterschiedlichen Folgen für den Personal- und Know-How-Abbau.

Besonders gravierend wird dies in Kiel im technischen Servicebereich betrieben. Wenn hier dann auch die älteren Kollegen mit dem langfristig erworbenen technischen Wissen in den Vorruhestand geschickt werden, kann man sich vorstellen, was passiert. Dann heißt es "ihr kommt ja nicht mehr klar, also müssen wir das weggeben". Dies ist die Methode, wie man einen Betrieb ruiniert. Aber es scheint auch ein bewusstes Ziel der Konzernleitung zu sein. Sie nennen es "Konzentration auf das Kerngeschäft".

Es sollen nur noch die gewinnträchtigen Teile erhalten werden, die wenig Personalaufwand erfordern. Alles andere soll an Fremdfirmen vergeben werden, wie es bereits jetzt schon in immer stärkerem Maße stattfindet.

Welche Probleme dies für den Erhalt der öffentlichen Dienstleistungen und die immer schlechtere Wartung der Netze Strom, Gas, Wasser und Fernwärme langfristig hat, wird sich in der Zukunft herausstellen. Auf das in langen Jahren erworbene lokalspezifische Fachwissen von qualifizierten Kräften wird leichtfertig verzichtet. Wenn die notwendigen Arbeiten erst dann gemacht werden, wenn Probleme auftreten, wird dies Folgen für die Versorgung der Bevölkerung haben. Erste Auswirkungen konnten wir bei dem Zusammenbruch des Stromnetzes in Halb Europa vor kurzem erfahren und dies ist erst der Anfang, denn wer Profit machen will, spart bis zum letzten Moment.

Von den bisher fünf Tochtergesellschaften der MVV bleiben dauerhaft nur drei in Kiel und in einem Sozialplan und einem Wirtschaftsplan soll der Personalabbau geregelt werden.

Mit einem Lächeln verkündete die Konzernleitung den Kollegen die geplanten Personaleinsparungen. Vermutlich hatten sie vergessen, dass sie nicht auf einer Aktionärsversammlung sind und kündigten gleichzeitig an, 50 "hochqualifizierte" Mitarbeiter einzustellen, um die Umstrukturierungen durchzusetzen.

Die Empörung war groß und viele Kollegen waren wie vor den Kopf gestoßen, angesichts der Frechheit, die die Konzernleitung besitzt ihre Ziele umzusetzen. Insgesamt war alles sehr vage. Es gab keine Zahlen bzw. Vergleiche mit den Konzern-Beteiligungen an den anderen Orten wie Offenbach oder Mannheim. Und es ist zu befürchten, dass der Konzern dort ähnlich agiert und die Belegschaften spaltet.

Ungeklärt blieb z.B., was mit den Netzdurchleitungsgebühren überhaupt passiert. Den wenigsten ist bekannt, dass der Betrieb sich diese ja selbst zahlt, also von einer GmbH an die nächste. Sicher ist nur, dass die um 17% niedrigeren Gebühren nicht an den Verbraucher weitergeben werden, allenfalls an die Großabnehmer.

Klar ist, die Gewinne sollen nicht sinken.
Was mögen die Kollegen der Kieler Stadtwerke wohl gedacht haben, als sie knapp 14 Tage nach der besagten Betriebsversammlung in Kiel die prahlerische Presseerklärung der MVV-Energie gelesen haben. Wegen des guten operativen Ergebnisses mit einer  Gewinn- steigerung von 27% gegenüber 2005 also 201 Mio. Euro (158 Mio. im Vorjahr) wurde den Aktionären eine Erhöhung der Dividende von 0,67 auf 0,91 Euro/pro Aktie (36%ige Steigerung) in Aussicht gestellt.

Als "kommunaler Betrieb von Mannheim" bedeute dieses Ergebnis "einen starken Vermögenszuwachs für unseren Hauptaktionär, die Stadt Mannheim", die mit rund zwei Dritteln am MVV Konzern beteiligt ist. Im nächsten Jahr soll dieses Ergebnis übertroffen werden, indem weitere Kosteneinsparungen in Mannheim und in den anderen Beteiligungen erreicht werden. Rühmt sich hier ein städtischer

Konzern in Mannheim mit der Bereicherung durch die Kieler Stadtwerke?

Es bereichern sich also nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Stadt Mannheim wird reicher durch Kiel. Oh wundersame neoliberale Marktwirtschaft! Dafür müssen die Kollegen ihre normalerweise zukunftssichere Arbeit verlieren. Und nicht nur das, der ehemalige eigenständige kommunale Betrieb der Daseinsvorsorge in Kiel ist ein Anhängsel und Ausbeutungsobjekt eines Konzerns.

Das Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit durch die Opferbereitschaft der Belegschaft schafft die Bedingungen, um noch mehr Kapital anzuhäufen und noch mehr kommunale Daseinsvorsorge zu privatisieren. In dem Jubelbericht der MVV Energie heißt es: "Die wichtigste Ursache für unsere Umsatz- und Ergebnisentwicklung sieht der Vorstandschef vor allem in dem erfolgreich ausgebauten nationalen Stromvertrieb sowie in dem hervorragend gelaufenen Umweltgeschäft. Dr. Schulten: Die Umweltsparte hat dank der vorzeitigen Inbetriebnahme der neuen Müllverbrennungsanlage im sachsen-anhaltinischen Launa, dank der 100prozentigen Auslastung unserer Anlagen und der positiven Entwicklung der Entsorgungspreise für Gewerbemüll im abgelaufenen Geschäftsjahr einen deutlichen Ergebnisschub erzielt."


Wenn die Gewinne und Vermögen in Deutschland wie die Löhne besteuert würden, hätten die Kommunen genug Geld für die Daseinsvorsorge und bräuchten nicht zu privatisieren.

Die Ausweitung des Konzerns wird auch unserer Stadt Kiel als Wohlergehen verkauft. Profitieren bald unsere Stadtfinanzen von der Abhängigkeit der Stadtwerke anderer Städte, weil diese dem neuen neoliberalen Energiemarkt nicht standhalten?

Durch das "jetzt eingeleitete stringente Kostenmanagement" sichern die Kieler Stadtwerke angeblich "ihre gute Stellung auf dem Markt" und den Wachstumskurs, indem sie nicht nur in Erdgas-Kavernen und Ausbau des Gemeinschaftskraftwerkes für den profitablen Strommarkt investieren. Sie haben bereits Anteile an der Energieversorgungsgesellschaft in Ostholstein (ZVO Energie) und wollen eine "gestaltende Rolle" auf dem norddeutschen liberalisierten Energiemarkt übernehmen. Kürzlich erfolgte ein Vertragsabschluss mit den Lübecker Schwartau-Werken und der Großraum Hamburg soll mit "neuartigen Stromhandelsprodukten" (?) beworben werden.
Alles zum Wohle der Kommunen? Das ist sehr unglaubwürdig. Kosteneinsparungen bei der Belegschaft. Kosteneinsparung beim Service und bei der Netzpflege. Hauptsache die Dividende stimmt und wenn der Betrieb im Wettbewerb nicht mithalten kann, wird er nachdem er heruntergewirtschaftet und ausgeschlachtet ist, an den nächst größeren Konzern, wie RWE, EON oder Vattenfall verkauft. Wieder steigen die Preise, purzeln Arbeitsplätze und die Qualität und Versorgungssicherheit wird immer schlechter.

Die Ratsvertreter, die die Privatisierung beschlossen haben, können dies nicht ahnen und übernehmen auch keine Verantwortung. Nach unseren demokratischen Grundsätzen sind sie lediglich ihrem Gewissen verantwortlich.

Aber dieser Betrieb der Daseinsvorsorge, der über Jahrzehnte aufgebaut wurde mit dem Wissen der Stadtwerker und den Gebühren, ist und bleibt das Eigentum aller BürgerInnen. Das haben die Ratsvertreter gewusst.

Der Stadt verliert jetzt zunehmend die Kontrolle über die Daseinsvorsorge mit dem Ergebnis, dass Bürger und die Kommune am Gängelband der Konzerne hängen.

Es wäre finanziell sinnvoller, jetzt diesen Betrieb zurückzukaufen, als später ohne Erfahrung und Wissen der Kollegen und mit heruntergewirtschafteten Anlagen und Netzen neu anzufangen.

Attac und das Bündnis Kielwasser setzen sich dafür ein, den Betrieb der Stadtwerke wieder unter die vollständige kommunaler Kontrolle zu bekommen.

Mit einem klugen finanziellen Plan könnte die Stadt die verlorenen Anteile wieder zurückkaufen, Arbeitsplätze und Kenntnisse der Kollegen erhalten und dafür sorgen, dass diese an die jüngeren auszubildenden Fachkräfte weitergereicht werden. Die Versorgung der Kieler Bürgerinnen und Bürger mit Strom, Gas, Fernwärme, Wasser und Abwasser sowie die Pflege der dazugehörigen Netze gehört zu den grundlegenden Aufgaben der Kommune. Die Erfahrungen der Geschichte der Kieler Wasserversorgung, die den Kielern lange Zeit vorenthalten war, lehrte uns aufmerksam zu sein. Die neoliberale Aushungerung der Kommunen ist ein Übel in Folge der profitgierigen Produktionsweise. Um Mindeststandards der Daseinsvorsorge der Menschen zu erhalten, ist generell eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen nötig, indem die Steuern auf Vermögen und Gewinne erhöht werden.

Darüber hinaus brauchen wir auch nachhaltigere demokratische Kontrollmöglichkeiten von Betrieben und Verwaltungsorganen.
Das Bündnis Kielwasser trifft sich regelmäßig am 2. + 4. Montag im Monat um 19 Uhr in der PUMPE. Es beobachtet intensiv die aktuelle Situation bei den Stadtwerken und begrüßt auch die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Stadtwerke, die neben der Rekommunalisierung der Stadtwerke u.a. folgende konkrete Forderungen zur Diskussion stellen:

-  Keine Zerschlagung der bewährten  Stadtwerkestrukturen !

-  Keine Verlagerung der Geschäftsbereiche aus Kiel !

-  Kein Personalabbau !

-  Das Wissen und Können unserer Stadtwerker erhalten !

-  Erhalt sämtlicher Servicebereiche vor Ort!

-  Versorgungssicherheit für alle!

-  Keine Verschlechterung der Versorgungsqualität durch Personalabbau !

-  Kein Verkauf weiterer Anteile der  Stadtwerke Kiel !

(Uwe Stahl)
- Quellen: PR der Stadtwerke Kiel, 1.11.06, KN 3.8. + 2.11., PR MVV Energie v. 14.11.06