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LÄNDLICHES

Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat Mitte Dezember der Ozeanograf Stefan Rahmstorf Berechnungen über den zu erwartenden Meeresspiegelanstieg vorgestellt. Was dabei herauskam ist alarmierend. Um einen halben bis zu eineinhalb Meter werden bis zum Ende des Jahrhunderts die Pegel der Weltmeere steigen, sollte die Menschen weiter so viele Treibhausgase wie bisher in die Atmosphäre blasen. Rahmstorfs Prognose liegt deutlich über den bisher gehandelten zehn bis 80 Zentimetern. Für das Küstenland Schleswig-Holstein, das ohnehin schon damit zu kämpfen hat, dass sich das Land an der Nordsee langsam gegenüber dem Meer absenkt (eine Spätfolge der letzten Eiszeit), sind das ungemütlich Aussichten. Die Nordseedeiche werden in mehreren Schritten erhöht werden müssen, was eine teure Angelegenheit ist. Eigentlich müssten zumindest einige von ihnen mit dem Land, das sie schützen, aufgegeben werden. Andernfalls wird nämlich vermutlich das Wattenmeer unter dem steigenden Meer verschwinden. Lässt man aber Überflutungen zu, kann es sich zur neuen Küste verlagern. Geschieht das nicht, würde eines der produktivsten Ökosysteme des Planeten zerstört. Zugleich entstünde ein enormer Verlust für die Fischerei, denn das Watt ist die Kinderstube vieler Speisefische.

Klimaschutz stand auch auf der Tagesordnung der Dezembersitzung des Landtages. Die Grüne Fraktion hatte die Einrichtung eines Klimarates gemeinsam mit den anderen Nordwestdeutschen Küstenländern gefordert. Der Rat soll „die ökonomischen und ökologischen Auswirkungen des Klimawandels für Norddeutschland darstell(en) und Vorschläge für notwendige Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel erarbeite(n).“ Unterstützung kam von der Partei der dänischen Minderheit, dem SSW. Deren Abgeordneter Lars Harms stellte fest: „Um es deutlich zu sagen, wir haben kein Informationsdefizit, wir haben ein nationales und internationales Handlungsdefizit.“ Der Antrag wurde an die Ausschüsse verwiesen.

In der Debatte um den Klimarat wies Hans-Martin Henschel von den Grünen daraufhin, dass in  Schleswig-Holstein derzeit drei neue Kohlekraftwerke geplant werden. Ein 800 MW-Kraftwerk von Electrabel und zwei 800 MW-Blöcke von SüdWest in Brunsbüttel sowie ein 1.100 MW-Kraftwerk von e.on auf dem Kieler Ostufer. Kohlekraftwerke haben pro Kilowattstunde einen wesentlich höheren Treibhausgasausstoß als moderne Gasturbinenkraftwerke, die mit Erdgas befeuert werden.

Noch besser als Edgas ist natürlich die Nutzung regenerativer Energiequellen, die sich anders als die fossilen Energieträger nicht erschöpfen, und die keine Treibhausgase abgeben, wie etwa Windräder. Seit Jahren wird davon gesprochen, vor den Küsten eine neue Generation von Windparks mit besonders leistungsfähigen Anlagen zu errichten. Anfang Dezember gab das irische Unternehmen Airtricity bekannt, dass es bei „Butendiek“, einem geplanten Park vor Sylt einsteigen wolle. Auch die Genehmigung des Bauantrags scheint endlich vorzuliegen. Lars Harms ist hoch erfreut und lobt auch die Pläne der Landesregierung für ein „grenzüberschreitendes Kompetenzzentrums für erneuerbare Energien“ im deutsch-dänischen Grenzland. Harms: „Jetzt muss der Wirtschaftsminister nur noch von der aberwitzigen Idee wegkommen, dass wir etwas gewinnen, wenn die unverantwortliche Atomtechnologie weiter genutzt wird.“

Die große Koalition im Landeshaus hat beschlossen die Zuschüsse zur Beförderung der Schüler im ländlichen Raum drastisch zu kürzen. Nach angaben der Grünen könnte ein Schülermonatsticket demnächst 150 Euro kosten. SPD und CDU wollen neun Millionen Euro auf dem Rücken der Eltern einsparen.

Ebenfalls der Sparwut der Koalitionäre ist ein Posten von 100.000 Euro zum Opfer gefallen, mit dem bisher das Bündnis entwicklungspolitischer Initiativen in Schleswig-Holstein sowie zwei Pastorinnen gefördert wurden, die die Arbeit der Eine-Welt-Läden koordinieren sowie Aufklärungsarbeit in den Schulen organisieren.

Nach dem auf der Bundesebene das Rauchverbot in Gaststätten gescheitert ist, weil es in die Hoheitsrechte der Länder eingreife, wollen die Grünen im Landeshaus nun einen entsprechenden Antrag aus der Schublade holen.

Anke Sporendonk vom SSW kritisiert, dass die große Koalition eine „Modernisierung der kommunalen Demokratie“ blockiert. Wie die Grünen stört sie sich daran, dass SPD und CDU and der Fünf-Prozent-Hürde festhalten wollen. Außerdem fordert die SSW-Sprecherin, dass ein neues Verteilungsverfahren für die Sitze in den Kommunalparlamenten eingeführt wird, und die Wähler größere  Auswahlmög- lichkeiten bekommen. Ein ähnliche Regelung, in der die Wähler die Reihenfolge der Parteilisten verändern können, war in Hamburg per Volksentscheid angenommen worden. SSW, Grüne und FDP haben auf der Landtagssitzung Mitte Dezember einen entsprechenden Gesetzesvorschlag eingebracht, der jedoch keine Mehrheit fand. Die Grünen wollen nun eine Klage gegen die Fünf-Prozent-Hürde vor dem Bundesverfassungsgericht vorbereiten.

In der Lübecker Bucht hat das Bundesverkehrsministerium ein Schutzzone von 1,85 Kilometern vor der Küste eingerichtet, in der die Geschwindigkeit der Wasserfahrzeuge 15 Km/h nicht überschreiten darf. Hintergrund sind jahrelange Klagen von Bürgern über den Lärm der Speedboote, die dort ihr Unwesen treiben. Für die Grünen ist die Schutzzone nur ein erster Schritt gegen den „Lärmterror“.

Auch in Schleswig-Holstein trifft die sogenannte Gesundheitsreform, das Gesetz für mehr Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen, auf viel Kritik. Schon bevor Bayern mit Ablehnung drohte, hat der SSW die Rücknahme gefordert und verwies dabei auch auf die kritischen Stimmen in den beiden Regierungsparteien, die sich in den letzten Landtagsdebatten zum Thema geäußert hatten.

Die strukturschwachen Küstenregionen haben ein weiteres Problem: der Bädertourismus geht zurück. In den vergangenen fünf Jahren gingen die Übernachtungszahlen landesweit um 3,1 Prozent zurück, während sie in den Städten um 8,3 Prozent stiegen. Mit anderen Worten: Während sich mehr Menschen die Städte anschauen, was sich auch an der wachsenden Zahl der Tagesaufenthalte zeigt, landet weniger Geld in den Bädern.

Im Januar wird der Landtag über ein neues Schulgesetz diskutieren. Erstmals wird es in Schleswig-Holstein Gemeinschaftsschulen geben. Gleichzeitig sollen aber die Gymnasien erhalten bleiben. Mit einer faktischen Abschaffung des Kurssystems und der Einführung eines Zentralabiturs will die große Koalition sie in die Zeit vor den Bildungsreformen der 60er und 70er Jahre zurückwerfen. 


(wop)