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Carl Peters ist Ulrike Meinhof ?

Professor Salewski erklärt den Kielern die deutsche Politik

Die nach dem rassistischen Menschenschlächter Carl Peters benannte Straße in Dietrichsdorf wird vermutlich in absehbarer Zeit umbenannt. Die maßgeblichen PolitikerInnen der SPD und der Grünen-Partei überwinden zur Zeit ihre Bedenken, manche ihren bisherigen Widerstand gegen dieses Vorhaben und sehen nun der Auseinandersetzung mit einem Teil der Eingeborenen und Zugezogenen im Kieler „Afrikaviertel“ mutig entgegen. Auch die CDU scheint jetzt dazu bereit.

In einer Ratssitzung am Abend des 30. Januars wurde, wie es die „Kieler Nachrichten“ ausdrückt, „das Feld bereitet“ für die  Umbe- nennung der Carl-Peters-Straße. 1938 war mit dem Bau von Wohnungen für Howaldt-Arbeiter im damaligen Neumühlen-Dietrichsdorf begonnen. Im Einklang mit dem erklärten Ziel der Hitlerfaschisten, die ehemaligen deutschen Kolonien zurückzuerobern, erhielten die Straßen des Viertels die Namen von Männern, die sich in der deutschen Kolonialpolitik des Kaiserreiches besonders hervorgetan hatten.  Die ehemalige Bernhardstraße erhielt in diesem Zusammenhang den Namen Lettow-Vorbeck-Straße; eine von ihr zum Heikendorfer Weg verlaufende neue Straße wurde 1939 Carl-Peters-Straße genannt. Andere Straßen bekamen die Namen von Leuten wie Hermann Wissmann, der das von Carl Peters für die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ zusammengeraubte Gebiet gegen Revolten der ursprünglichen Einwohner gewaltsam verteidigte und von 1888 bis 1891 Reichskommissar in „Deutsch-Ostafrika wurde.“ „Die 'Wißmanntruppe' bekämpfte afrikanische Völker, die sich gegen Enteignung von Land und Vieh und Zwangsarbeit zur Wehr setzten. Mordend, plündernd und brandschatzend zog er mit seinen Soldaten durch Dörfer.“ (T. Morlang auf der website des Projekts  afrika- hamburg.) „Keine Tätigkeit ist geeigneter, den Europäer für die richtige Behandlung der Neger zu erziehen als die militärische. ... Er wird bald erkennen, dass er in den Negern eine noch in den Kinderschuchen steckende Rasse vor sich hat. ... Ich bin durchaus kein Freund davon, jedem 'Black Brother' die Hand zu schütteln.... Hört der gute Einfluß des Europäers auf, so fällt der Neger schnell wieder in seine alte Trägheit und Sorglosigkeit zurück. ... Ich möchte hier einschalten, dass für unsere jungen Kolonien eine richtige Behandlung von ganz besonderer Tragweite ist, da man den Patriotismus, der bei unseren Soldaten eine mächtige Triebfeder ist, von einem Mann der schwarzen Truppe nicht erwarten kann...Dabei möge man sich aber als Richtschnur den Grundsatz dienen lassen, dass der Wilde erst die Überlegenheit unbedingt anerkennen muss, bevor man ihm Güte zeigt, da er letzteres sonst leicht als Schwäche auslegen würde.“ ('Zur Behandlung des Negers', aus: Hermann von Wißmann: Afrika, Schilderungen und Ratschläge für den Dienst in den deutschen Schutzgebieten, Berlin 1895)

Bedacht wurden im „Afrika-Viertel“ auch „ehrbare Kaufleute“ wie Franz Adolf Lüderitz, der für seine Bremer Firma im Jahre 1883 als erster Land in Südwest-Afrika erstand bzw. ergaunerte; im späteren „Deutsch-Südwest“ lebten auch die Herero, die später in  Voll- streckung der Kolonialtätigkeit der Herren Lüderitz, Vogelsang und Nachtigal durch Lothar von Trotha größtenteils vernichtet wurden. Lüderitz selbst ertrank 1896 im Oranjefluss.

In der Nazi-Presse und -Literatur, in Filmen wie dem mit Hans Albers in der Hauptrolle besonders populär besetzten Spielfilm „Carl Peters“ wurden diese Herren besonders der männlichen Jugend als Helden und Vorbilder vorgeführt. Um ihre Namen im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung zu halten, erfolgte die Neu- oder Umbenennung von Straßen und Plätzen nicht nur in Kiel, sondern in vielen Städten des „Tausendjährigen Reiches“, und viele von ihnen sollten dessen zwölfjährige Existenz um ein Vielfaches dieser Zeit  über- dauern.

Die Lettow-Vorbeck-Straße wurde 1947 zur Hertzstraße; Peters-Straße blieb Peters-Straße, und die lange Zeit in Kiel das politische Geschehen bestimmende SPD ließ nicht daran rühren.

2007 also soll das anders werden. Um sich in ihrem gewagten Vorhaben bestärken zu lassen, hatten die Kieler Ratsparteien am 30. Januar, dem 74. Jahrestag der Machtübertragung an die Hitlerfaschisten, den „renommierten Kieler Historiker Professor Dr. Michael Salewski“ zu einem „Vortrag zur Geschichte des deutschen Kolonialismus und über die Person Carl Peters“ (Ankündigung der Kieler Grünen) geladen.

Dass Herr Salewski zu einer ganz speziellen Sorte von Historikern gehört, ist uns seit langem bekannt. Auch am 30.1.07 hat er die in ihn zu setzenden Erwartungen nicht enttäuscht. Salewski geht davon aus, dass Peters als Straßennamensgeber nicht mehr zu halten ist, und lässt seiner Empörung über den Mörder, der bar aller Skrupel und sittlicher Erwägungen nur aus persönlichen Motiven gehandelt habe – dieselben „charakterlichen Mängel“ hätten ihn mit Adolf Hitler verbunden. „Unerträglich“ sei es, nach so einem Menschen eine Straße zu benennen.

Aber mit diesen Eigenschaften habe sich Peters eben auch von anderen Kolonialisten unterschieden; da dieser aus „ureigensten niederen Instinkten“ gehandelt habe, so gibt die KN Salewskis Ausführungen wieder, gewänne seine Brutalität „eine eindeutig kriminelle Note“. Dementsprechend dürfe es eine Carl-Peters-Straße „nie und nimmer“ geben; eine Wissmann- oder Lüderitzstraße aber durchaus.
Salewski kennt sein deutsches Publikum, deshalb findet er leicht die passende Erläuterung: er verglich das mit dem Unterschied zwischen einer Rudi-Dutschke-Straße („akzeptabel“) und etwa einer Andreas-Baader-Straße oder einer Ulrike-Meinhof-Straße („nie und nimmer“).

Das macht diesem deutschen Geschichts-Professor so leicht keiner nach.

Salewskis Versuch, im Zuge der Verurteilung eines besonders widerlichen Exemplars deutschen Herrenmenschentums den Rest der Bagage und nicht zuletzt deren Politik reinzuwaschen (so rein es eben geht), ist nicht neu. Es wird nicht berichtet, dass von Seiten der SPD gegen seine Ausführungen Protest erhoben worden sei. Sozialdemokraten könnten sich auf eine Tradition besinnen, die die SPD einmal zur entschiedenen Gegnerin deutscher Kolonialpolitik gemacht hat; August Bebel persönlich hatte in den 90er Jahren des vor-vorherigen Jahrhunderts im Reichstag gegen Peters Stellung bezogen. Nachdem Peters aufgrund seiner Eskapaden in dieser Zeit seines Amtes als Reichs-Kommissar für Deutsch-Ostafrika enthoben worden war, hatte ihn der Kaiser bereits 1905 wieder rehabilitiert und ihm so seine Pensionszahlungen gesichert. Peters strengte damals Prozesse gegen sozialdemokratische Presseorgane an, von denen er sich verleumdet fühlte. In diesem Zusammenhang veröffentlichte Franz Mehring am 10. Juli 1907 in der „Neuen Zeit“ einen Leitartikel zum „Fall Peters“, aus dem einiges zu zitieren angesichts der Darstellungen des Herrn Salewski nicht überflüssig erscheint.

„In der Tat handelt es sich bei dem Falle Peters … nicht um eine Person, sondern um eine Sache. (…) Ein Tintenkuli der Peters-Clique schreibt mit zynischer Offenheit: `Wenn verlangt wird, daß die Kolonisatoren die schwarzen Brüder nach deutschen Rechtsgrundsätzen behandeln, dann ist wohl die Frage erlaubt, welches Recht und welches Gesetzbuch hat die Europäer ermächtigt, in fremde Weltteile einzubrechen, fremdes Land mit Waffengewalt in Besitz zu nehmen und die Eingeborenen zum Sklavendienst zu erniedrigen. Kolonialpolitiker, die sich fortwährend auf Recht und Gesetz berufen, sind höchst wunderbare Erscheinungen. Nach Recht und Gesetz haben wir in Afrika gar nichts zu suchen. Wenn die frische Farbe unserer Kolonialentschließungen von Gewissensbissen angekränkelt, wenn künftig drüben nach dem Reichsstrafrecht und nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch regiert werden soll, so ist jeder Pfennig verloren, den wir noch an unseren afrikanischen Besitz vergeuden.´ Hier ist mit dankenswerter Offenheit ausgesprochen, weshalb die Peters-Clique ihre Helden in der `frischen Farbe´ der Unschuld strahlen sehen will. (…)
 
 

Briefmarken aus dem „Deutschen Reich“ ehren Peters und Luederitz im „Kolonialgedenkjahr“

Es sind vornehmlich die Organe der ultramontanen (katholischen – D.L.), freisinnigen und zum Teil auch der nationalliberalen Partei, die nichts von Peters wissen wollen. Aber alle diese Parteien befürworten in verschämter oder auch nicht verschämter Weise die kapitalistische Kolonialpolitik und bewilligen die Mittel, womit sie betrieben werden kann. Dabei wissen sie sehr gut, wie es mit dieser Politik bestellt ist, allein sie haben den dringenden Wunsch, ihr Wissen schamhaft zu verbergen, und da kommt es ihnen sehr gelegen, die Person vor die Sache zu schieben und durch die lebhafte Entrüstung, die sie über den einzelnen Mord vom Stapel lassen, die noch viel grauenhafteren Massenmorde vergessen zu machen. Es sind auch sonst keineswegs immer hieb- und stichfeste Waffen, womit die bürgerlichen Gegner der Peters-Clique kämpfen. (…) Anders steht es um den Kampf, den die sozialdemokratische Presse gegen Peters und die Peters-Clique führt. Sie bekämpft die Person und die Sache, oder vielmehr sie bekämpft in der Person die Sache …“
Und Mehring zitiert im gleichen Artikel zustimmend den „Genossen Parvus“: „Die Brutalitäten einzelner lassen sich wohl beseitigen, aber das System, das viel schlimmer ist als jene, in dem das Grundübel liegt, das ist unzertrennbar verbunden mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise.“

Ein Nachtrag:

Über den plötzlichen Mut der Kieler SPD zur Umbenennung der Carl-Peters-Straße berichteten die KN bereits am 13.12.06:

SPD hofft nach kühnem Coup auf Nachsicht der Behörden.

Aus der zähen Debatte um die Carl-Peters-Straße wurde gestern eine frische Tat der SPD. Etwas verwegen blickten die Genossen drein, als der Wind ihr ungenehmigtes Straßenschild enthüllte: Statt für Carl Peters' (1856-1918) rassistisch-kolonialistischen Hintergrund Reklame zu machen, stand da „Carl-Petersen-Straße“.

Das soll mal unkommentiert so stehen bleiben. Auf diese kühne Tat bezog sich auch der Kieler DGB mit folgender Erklärung:

DGB: Vorläufige Umbenennung der Carl Peters Straße ein überfälliger Schritt

Der DGB begrüßt die Initiative der SPD, die mit bürgerschaftlichem Engagement ein deutliches Zeichen gegen die peinliche Handlungsverweigerung der politisch Verantwortlichen in Kiel setzt. „Dass es jahrelang unbemerkt geblieben ist, ist schon peinlich genug. Dass in einem solchen Fall, wo durch Personen unbestritten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sind, hier nicht unverzüglich eine Umbenennung in die Wege geleitet wurde, ist aus Sicht des DGB völlig unverständlich“, so der DGB Vorsitzender Ralph Müller-Beck. „Wir hoffen durch diese Maßnahme ist genügend Druck aufgebaut, um hier eine schnelle einvernehmliche Lösung zu finden. Eine solche andauernde öffentliche Hängepartie schadet ohne Not dem Ansehen der Landeshauptstadt.“

Es ist ja schön – andererseits muss man es als selbstverständlich betrachten – dass der Kieler DGB-Vorsitzende nicht an der  Carl- Peters-Straße festhält. Aber, lieber Ralph, „dass es jahrelang unbemerkt geblieben ist…“ – einen so dummen Versuch, die Kieler SPD-Politiker zu entschuldigen, habe ich lange nicht mehr gehört. Solche Peinlichkeiten schaden ohne Not dem Ansehen der Kieler Gewerkschaften. Du solltest darauf verzichten.

 (D.L.)