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Kapitalistischer Reflex

Der Konflikt im Airbus-Konzern spitzt sich zu. Wütende Beschäftigte haben in drei deutschen Werken zeitweise die Arbeit niedergelegt. Grund: Der Flugzeugkonzern streicht europaweit 10.000 Stellen. Auch in Toulouse gab es Streiks. Von den 10.000 wegfallenden Stellen entfallen rund 3700 aus Deutschland und 4300 aus Frankreich. Der Rest geht zu Lasten von Spanien und Großbritannien. Verkauft werden sollen die deutschen Werke in Varel und Laupheim sowie eine Fabrik im französischen Saint-Nazaire. Für die Werke im niedersächsischen Nordenham, im französischen Meaulte und Filton in Großbritannien sollen Partner gesucht werden.

Die Nachricht von war ein Schock für die Airbus-MitarbeiterInnen. Nach dem Sanierungsprogramm Power 8 soll jeder fünfe Job abgebaut werden. Mit Power 8 soll Airbus fit für die Zukunft werden. Der Konzern hat gute Gründe dafür. Elf Milliarden Euro fehlen in der Kasse. Allein fünf Milliarden Euro kosteten die Managementfehler um den Bau des A380. Zudem wird die Entwicklung der nächsten Flugzeuggeneration vier Milliarden Euro teurer als geplant und der schwache Dollarkurs verschlingt weitere Umsatzmilliarden.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zeigte sich erleichtert über das Sanierungskonzept. Im Bundeskabinett betonte er, dass es gelungen sei, deutsche Interessen durchzusetzen. Die Lastenverteilung erfolge ausgewogen. Seine Kanzlerin sah es genauso. Nein, Herr Glos, nein Frau Merkel, sie wollen es nicht begreifen, es geht hier nicht um einen nationalen Interessenausgleich. Und nein, die  Lastenverteilung erfolgte nicht ausgewogen. Das so genannte ‚unternehmerische Risiko’ tragen wieder einmal ausschließlich die Beschäftigten.

Kein Wunder, dass nun kein Stein auf dem anderen bleiben soll in den Werken und in der Verwaltung. Doch falls Airbus wirklich 10.000 Angestellte entlassen will – und nicht bloß Betriebe auslagern möchte –, begeht das Management erneut einen großen Fehler. Denn es mangelt gar nicht an Arbeit. Anders als in prominenten Fällen wie BenQ oder AEG ist die Perspektive von Airbus hervorragend. Das Unternehmen hat Aufträge für die nächsten fünf Jahre sicher. Selbst im Krisenjahr 2006 wurden 390 Flugzeuge mehr bestellt, als geliefert werden konnten. Die FlugzeugmechanikerInnen, FräserInnen und IngenieurInnen kamen mit der Arbeit einfach nicht nach. Und dieser Boom hält an. Bis 2020 wächst der Luftverkehr um mindestens vier Prozent pro Jahr. Allein die junge arabische Fluggesellschaft Emirates hat 45 A380-Jets bestellt – für die zuständigen Airbus-WerkerInnen ist das Arbeit für fast ein Jahr.

Der Erfolg ist auch Resultat früherer Anstrengungen. Airbus hat nie stillgestanden. Ein Kostensenkungs-
programm, zuletzt Route 06, jagt das nächste. Die Durchlaufzeiten der Airbus-Flieger in den Standorten verringern sich Jahr für Jahr um drei bis fünf Prozent. Die  Umsatzrendite ist zwischen 2002 und 2005 von rund sieben auf über elf Prozent gestiegen. Die ArbeitnehmerInnen haben das ermöglicht. Im Boom der vergangenen Jahre wurden ihre Überstunden nicht – wie in vielen anderen Unternehmen – ausgezahlt, sondern auf Arbeitszeitkonten gesammelt. Dem Unternehmen war diese Flexibilität eine Beschäftigungs-
garantie bis 2012 wert.

Es ist kein Jahr her, da suchte Airbus Hunderte IngenieurInnen für die Produktion seiner Flugzeuge. Jetzt droht das Unternehmen, denselben Fehler zu begehen wie vor rund zehn Jahren. Damals steckte Airbus anders als heute tatsächlich in einer Auftragskrise. In der Folge wurden einige tausend Stellen in Deutschland über Abfindungen und Frühverrentungen gestrichen. Als es wenig später bergauf ging, fehlten Airbus wichtige Erfahrung und Kompetenz.

Sollte es jetzt wirklich zu den Massenentlassungen kommen, wiederholt die Airbus-Führung diesen Kardinalfehler. Wie, wenn nicht mit dem operativen Geschäft, soll der Flugzeugbauer wieder in Richtung Gewinn fliegen? Wenn die Gewerkschaften deshalb streiken, ist das nicht nur geboten, sondern betriebswirtschaftlich sogar notwendig.

csk