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Abschiebung um jeden Preis:

Gnadenlose Asylpolitik

Der „Fall“ des wegen seines bürgerschaftlichen Engagements in Schleswig-Holstein mehrfach ausge-
zeichneten Danny Jozez, der nach über 14 Jahren Aufenthalt in Bad Oldesloe im Februar aus der Abschiebehaft in Rendsburg nach Liberia geflogen, dort aber nicht akzeptiert wurde und nun fern von FreundInnen und UnterstützerInnen in Eisenhüttenstadt gefangen gehalten wird und dem nächsten Abschiebeversuch entgegensieht, ist ein Beispiel für gnadenlose, unmenschliche Asylpolitik auch in unserem Bundesland.

„Ich möchte kein Killer werden“

Wer ist Danny Jozez? Im September 2004 stellte er sich selbst so vor: „Mein Name ist Danny Jozez. Ich komme aus Liberia und bin seit 1992 in Deutschland zu Hause. Ich bin damals vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen. Das wurde nach deutschem Recht nicht als individueller Asylgrund anerkannt und mein Asylantrag wurde deshalb abgelehnt. Wegen der Kriegssituation gab es keine  Rückkehrmöglichkeit nach Liberia, so dass ich eine Duldung bekam. Alle Versuche, eine bessere Aufenthaltssituation zu erreichen blieben  erfolglos, weil kein Paragraph ein festes Aufenthaltsrecht wegen einer Bürgerkriegssituation ermöglicht.

In diesen elf Jahren habe ich mich hier integriert. Ich habe die Sprache gelernt, Freunde gefunden, bin in einem Verein aktiv und habe – soweit das mit einer Duldung möglich war – gearbeitet. Trotzdem soll ich nach Meinung der Ausländerbehörde nach Liberia zurückkehren.

Für mich ist das unvorstellbar. Die Lage in Liberia ist sehr instabil, das Land ist verwüstet und ein Bürgerkrieg kann jederzeit wieder entflammen. Dann sind vor allem auch die Männer gezwungen, sich einer der Rebellengruppen anzuschließen. Ich möchte kein Killer werden.

Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich 19 Jahre alt. Jetzt bin ich 31. Nach so vielen Jahren fühle ich mich in einer  demo- kratischen Kultur zu Hause. Aber mein Aufenthaltsstatus verhindert, dass ich mir hier eine Existenz aufbauen kann.“ Anlass für diese Vorstellung am 6. September 2004 war eine von der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis im Gästehaus der Landesregierung vorgenommene Ehrung der PreisträgerInnen des Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz“. Danny Jozez ist Mitgründer des Vereins FIT (Für Integration und Toleranz). Für seinen Einsatz im Sinne dieses Vereins, seine Vorträge in Schulen und ähnliches hatte er bereits 2002 den Bürgerpreis der Ahrensburger Zeitung und der Volksbank Stormarn erhalten.

Haftentlassung für Danny Jozez!

In einer Presseerklärung des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein vom 25. Februar heißt es: „Am 24. Februar kamen landesweit in der Flüchtlingssolidarität und anderen Feldern der Menschenrechtsarbeit in Schleswig-Holstein Engagierte in Kiel zur Mitgliederversammlung des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V. zusammen.

Mitglieder des Flüchtlingsrates berichteten der MV von Gesprächen mit dem inzwischen im Brandenburger Abschiebungsgefängnis Eisenhüttenstadt inhaftierten Flüchtling Danny Jozez (…). Nach Jozez Darstellung ist seine Abschiebung nach Liberia am 21. Februar entgegen offizieller Verlautbarungen wohl gescheitert, weil das für ihn ausgestellte Reisedokument von den liberianischen  Grenz- schutzstellen nicht akzeptiert wurde. Der an Diabetes und Bluthochdruck erkrankte Jozez habe um eine haftexterne ärztliche Untersuchung gebeten.

Die MV des Flüchtlingsrates fordert die Härtefallkommission dringend auf, den Fall des seit 14 Jahren in Deutschland lebenden und vorbildlich integrierten Danny Jozez zu beraten. Gleichzeitig fordert die Mitgliederversammlung die zuständige Ausländerbehörde des Kreises Stormarn auf, Danny Jozez bis zur abschließenden Entscheidung in seiner Sache aus der Abschiebungshaft zu entlassen. Die Mitgliederver-
sammlung äußert ihr grundsätzliches Unverständnis über die erlebte Verwaltungspraxis und öffentlich verlautete offizielle Bewertungen in diesem Fall. Der Flüchtlingsrat fordert stattdessen dazu auf, die Kontroverse zum Anlass für eine unaufgeregte, aber sachorientierte Überprüfung der Geschäftsordnung und der Verfahrenskriterien der Härtefallkommission zu nehmen.“ „Wenn ein aus akuter Panik vor der Abschiebung begründetes Verhalten ansonsten vorbildlich integrierter Menschen zum entscheidenden amtlichen Maßstab wird,“ warnt die Vorsitzende des Flüchtlingsrates, die Lübecker Pastorin Elisabeth Hartmann-Runge, „bleibt die  Härtefallkommission unwirksam und eine Bleiberechtsregelung Makulatur.“

Die gescheiterte Abschiebung Danny Jozez´ war vorgenommen worden, bevor sich die schleswig-holsteinische Härtefallkommission mit der Angelegenheit hatte befassen können. Anders gesagt: Eine Befassung der Härtefallkommission mit diesem Fall sollte verhindert werden. Darin sah nicht nur Innenminister Ralf Stegner (der uns als Mairedner vorgesetzt werden soll) kein Problem. Das Verfahren sei einwandfrei, bekräftigte die Leiterin der zuständigen Ordnungsbehörde des Kreises Stormarn, Anja Kühl. Und nach Ansicht der  Vor- sitzenden der Härtefallkommission, Evelyn Jäger, beweise das Verhalten von Jozez, dass die Geschäftsstelle mit der Abschiebung richtig gehandelt habe. Er erfülle nicht die Voraussetzungen, “aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen als Härtefall anerkannt zu werden”. Jozez habe gegen mehrere Regeln verstoßen. Er sei für längere Zeit untergetaucht (nämlich vor seiner Inhaftierung in  Rends- burg – D.L.), habe an der Passbeschaffung nicht mitgewirkt und bis in die jüngste Gegenwart hinein seine Herkunft verschleiert. (Er soll den liberianischen Behörden gegenüber erklärt haben, er stamme in Wirklichkeit aus Togo; siehe dazu die Presseerklärung des Flüchtlingsrats.)

Diese zutiefst inhumane SchreibtischtäterInnen-Einstellung, die die Zerstörung eines Menschenlebens in Kauf nimmt, weil der  be- treffende Mensch in der Angst um seine Existenz gegen „mehrere Regeln“ verstoßen hat, muss auf entschiedenen Widerspruch stoßen.

Am 6. September 2004 hatte Heide Simonis in ihrer Laudatio die gesellschaftliche Bedeutung der im Bundesland engagierten Initiativen der Flüchtlingssolidarität hervorgehoben: „Wir können stolz darauf sein, dass beim Bundeswettbewerb vier Initiativen aus  Schleswig- Holstein geehrt wurden. Sie alle tragen ihren Teil zum gesellschaftlichen Klima in unserem Land bei, und sie zeigen, dass Extremismus und Gewalt auch in Schleswig-Holstein nicht unwidersprochen hingenommen werden." – Was sind diese Worte wert? Auf jeden Fall machen auch diese Worte deutlich: Die Abschiebung von Menschen wie Danny Jozez trägt dazu bei, dass sich in unserem Land ein Klima entwickelt, in dem Rechtsextremismus und rassistisch motivierte Gewalt gedeihen.

(D.L.)