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Einigkeit gegen „Power8"

IG-Metall-Chef Jürgen Peters hat auf dem europaweiten Airbus-Aktionstag den Widerstand der ArbeitnehmerInnen gegen den umstrittenen Sanierungsplan "Power8" bekräftigt. Der Plan sei einfallslos, sagte der Gewerkschafter am 16. März bei einer Großkundgebung in Hamburg, an der nach Angaben der IG Metall knapp 20.000 Airbus-ArbeitnehmerInnen aus allen sechs norddeutschen Standorten teilnahmen. Airbus werde aus den „eigenen Reihen schlechtgeredet", klagte Peters, der dem Airbus-Management Versagen bei der Planung des Großraumfliegers A380 vorwarf.

Der IG Metall-Vorsitzende nannte als wesentliche Ursache für die Probleme des Unternehmens Fehlleistungen des Managements. „Die angespannte Lage bei Airbus fällt in die Verantwortung des Top-Managements! Die haben den Karren in den Dreck gefahren", kritisierte Peters. „Die einen machen die Fehler und die Beschäftigten sollen dafür zahlen. Das machen wir nicht mit. Wir erwarten ein tragfähiges Konzept, das die insgesamt erfolgreiche Struktur bei Airbus erhält.“ Das Unternehmen sei nach wie vor ein Hochtechnologieunternehmen mit produktiven und konkurrenzfähigen Standorten. In den vergangenen Jahren habe Airbus immer wieder hohe Gewinne eingefahren

Menschenkette in Laupheim

Auf dem Aktionstag in den europäischen Airbus-Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien protestierten am Freitag mehrere zehntausend MitarbeiterInnen des Flugzeugherstellers gegen „Power8". Rund um das baden-württembergische Werk Laupheim formierten sich schon am Morgen mehr als 2.000 Airbus-Beschäftigte und BürgerInnen zu einer Menschenkette. In Frankreich gingen rund 10.000 Menschen auf die Straße. Im Werk Toulouse wurde die Arbeit an zwei Fließbändern für zwei Stunden gestoppt. Die MitarbeiterInnen versammelten sich vor der Verwaltung von Airbus und der Muttergesellschaft EADS in Blagnac. Jean-Francois Knepper von der Gewerkschaft Force Ouvriere kündigte mögliche härtere Mittel an: „Wir sagen Nein und nochmals Nein. Und wenn sie nicht auf uns hören, müssen wir zu schärferen Maßnahmen greifen. Warum nicht etwa die Fließbänder blockieren?" In Spanien beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben rund 80 Prozent der rund 9.000 Airbus-Beschäftigten des Landes an den Protesten.

IG Metall Küste will weiter Einfluss nehmen

Die IG Metall Küste hatte einen Tag vor den europaweiten Protestkundgebungen erklärt, sie rechne damit, noch Einfluss auf das umstrittene Sparprogramm „Power8" nehmen zu können. „Immerhin hat Herr Puttfarcken als Sprecher der deutschen Airbus-Geschäftsführung mehrfach erklärt, wir stünden erst am Anfang des Dialogs", sagte IG-Metall-Bezirksleiterin Jutta Blankau dem Tagesspiegel. Blankau äußerte sich auch zu den Streitigkeiten zwischen deutschen und französischen Gewerkschaften im Vorfeld des Aktionstages: „Es ist schon irritierend, wenn französische Gewerkschaften kommentieren, die Deutschen hätte die Franzosen über den Tisch gezogen. Betroffen sind doch alle", meinte die Spitzenfunktionärin.

Das umstrittene Sparprogramm sieht bei Airbus in den nächsten Jahren den Abbau von 10.000 Stellen vor, davon 3.700 in Deutschland. Für die Werke in Varel (Niedersachsen) und Laupheim (Baden-Württemberg) mit zusammen 2.500 Beschäftigten sucht Airbus Käufer. Für Nordenham (Niedersachsen) mit 2.200 Beschäftigten soll mit Industriepartnern verhandelt werden. Mit „Power8" will Airbus auf die finanziellen Auswirkungen des A380-Debakels und die anhaltende Dollarschwäche reagieren sowie seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem US-Konkurrenten Boeing verbessern.

Gesamtbetriebsratsvorsitzender: Airbus ist kein Sanierungsfall

Nach Ansicht des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Rüdiger Lütjen ist Airbus kein Sanierungsfall, der mit einem harten Sparkurs gerettet werden müsse. Tatsächlich arbeite Airbus erfolgreich, so Lütjen in der Frankfurter Rundschau. Der Mutterkonzern EADS habe seit seiner Gründung im Jahr 2000 „dicke Milliardengewinne eingefahren, hautsächlich dank Airbus". Das Unternehmen habe volle Auftragsbücher. Der europäische Verbund mit 17 Standorten sei ein Vorteil für Airbus. Der Verkauf von Werken und der Abbau von Arbeitsplätzen schade mittelfristig dem Unternehmen.

Wir wollen, dass die da oben wach werden!

Von Trübsal keine Spur: Die Airbus-MitarbeiterInnen auf der zentralen Protestveranstaltung in Hamburg zeigten sich  kampfesmutig und gut gelaunt. Kein Wunder bei dem Ambiente: Die mehr als 10.000 Demonstranten hatten sich mitten auf Hamburgs Vergnügungsmeile, der Reeperbahn, versammelt.

Die Kehrmaschinen bürsten gerade im Rotlichtviertel die letzten Glasscherben der vergangenen Nacht vom Asphalt, da sammeln sich bereits die ersten Grüppchen von Demonstranten auf dem Spielbudenplatz. Über ihren Köpfen flattern rote Gewerkschaftsfahnen. Rote Schirmmützen schützen vor dem Nieselregen. Rauchschwaden vom Bratwurstgrill mischen sich mit der diesigen Luft, an den Bierständen bilden sich erste Trauben.

Es sind nicht nur HamburgerInnen da. Nach und nach füllt sich der Platz mit Busladungen von Airbus-MitarbeiterInnen auch aus den Werken in Bremen, Varel, Nordenham, Stade, Buxtehude und Laupheim. Unter ihnen ist P. J.. Eigentlich hätte er heute Spätschicht, in der Teilefertigung in Nordenham, aber mit seinen KollegInnen zu demonstrieren ist ihm heute wichtiger. „Wir wollen, dass die da oben wach werden!", sagt er. Für das Airbus-Werk in Nordenham suchen die da oben an der Konzernspitze einen Partner. J. fürchtet, dass das Werk ganz verkauft wird, wenn dieser Partner erstmal gefunden ist, dass die Löhne sinken, dass Leute entlassen werden.

Schüler und Schülerinnen demonstrieren mit

„Nordenham wird aussterben, wenn Airbus geht", meint die 17-jährige A.. Sie besucht die 12. Klasse des Gymnasiums in Nordenham. Am Morgen um sieben Uhr ist auch sie vorm Werkstor in einen der 41 von der IG Metall bezahlten Reisebusse in Richtung Hamburg gestiegen, aus Solidarität. Dazu mussten sie und ihre Mitschülerinnen offizielle Urlaubsanträge stellen - so haben sie die Schulbehörde ausgetrickst, die die Fahrt verboten hatte. Die Mädels haben sich selbst bemalte T-Shirts übergezogen und sich einen Platz vorne bei der Bühne gesucht, wo ab kurz nach elf Uhr die Redner gegen das Airbus-Sparprogramm „Power8" wettern.

A’s. Vater nietet bei Airbus Schalen für die Flugzeuge, ihr Onkel ist Meister in der Malerei. Sie selbst hat schon ein Betriebspraktikum im Werk gemacht und würde dort nach dem Abitur gerne zur Fluggerätmechanikerin ausgebildet werden. Bei ihr zu Hause wird über die Sparpläne bei Airbus eher geschwiegen. Dafür diskutiert sie in der Schule viel. „Ich denke, das Management trägt einen großen Teil Schuld daran, dass es der Firma schlecht geht", sagt sie.

„Heute Power8, morgen Hartz IV"

Immer wenn der Redner auf der Bühne eine Pause macht, antwortet die Menge mit einem wohlwollenden Trillerpfeifenkonzert und Klatschen. Heute treten nur Unterstützer ans Mikrofon, unter anderem der IG-Metallchef Jürgen Peters, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger - Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust war ‚mal wieder nicht da. Vor den Rednern, unterhalb der Bühne, schwanken Transparente: „Wer Werke verkauft, verkauft die Zukunft", „Heute Power8, morgen Hartz IV", „Die Führung badet im Geld, wir baden es aus".

„Warum müssen wir dafür bezahlen, was andere verursacht haben?", fragt R. P.. Er ist ganz in Airbus-blau gekleidet, mit dem Firmen-Logo auf seiner dicken Jacke. Seit bald 28 Jahren arbeitet er im Unternehmen, seit einiger Zeit im Windkanalmodellbau in Varel. 50- bis 70-Stunden-Wochen haben P. und seine KollegInnen in den letzten Jahren gekloppt, um die eng gesetzten Termine einzuhalten, die Airbus für die Entwicklung des großen A380-Flugzeuges gesetzt hatte. „Wir haben diese Termine eingehalten", sagt er. Und trotzdem soll sein Werk verkauft werden.

Eine erste Warnung

Das will P. nicht hinnehmen. Der europaweite Aktionstag sei eine erste Warnung an die Konzernleitung, dass die Belegschaften bereit seien zu kämpfen. „Unser Druckmittel im Moment ist, die Produktion zu verzögern." Streik ist für die Airbus-MitarbeiterInnen rechtlich problematisch. Aber immer mal eine Informationsrunde beim Betriebsrat, ein Protesttag wie heute oder auch nur „Dienst nach Vorschrift", das würde die Führung schon in Bedrängnis bringen. „Wir kommen ja aus Friesland", erklärt P. schmunzelnd. „Die Franzosen (gemeint sind Louis Gallois und Arnaud Lagardère) werden merken, dass wir Friesen Widerstand leisten können wie das kleine gallische Dorf von Asterix und Obelix."

csk