Wenn man vor 25 Jahren in Kiel von alternativen Energie und Rüstungskonversion sprach, war man ein linker Spinner. Die Werften schüttelte schon längst die Krise, aber von Alternativen wollte niemand etwas wissen. Niemand im Rathaus oder im Landtag. Auf der Straße schon, da wurde über derlei diskutiert. Aber der bürgerliche Mainstream zeigte sich wie stets außerordentlich konservativ und denkfaul. Die anderen waren die Verrückten, die etablierten Parteien wussten, wo es lang geht.
Und heute? Die Werft und auch die anderen Kieler Industriebetriebe
sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Nicht, dass sie keinen Profit
mehr abwerfen würden, ganz im Gegenteil, doch die Produktivität
ist derart gestiegen, dass man auf die Ausbeutung eines größeren
Teils der einstigen Arbeiterschaft heute durchaus nicht dankend verzichtet.
Entsprechend bewegt sich die Kieler Arbeitslosigkeit seit Ewigkeiten
auf Rekord-
niveau. Im Rathaus hat man sich längst dran gewöhnt.
Man ist ja nicht persönlich betroffen. Und im Rest der Welt? Rund
um Kiel boomen die alternativen Energien. Windräder werden gebaut
und in alle Welt exportiert, Biogasanlagen entwickelt, Solarzellen
produziert und installiert. Derzeit beginnt man gerade mit dem Bau der
ersten Offshore Windparks in Nord- und Ostsee.
Und Kiel? Wo ist der Kieler Metallbetrieb, der sein Know-how nutzen würde, um Windenergieanlagen zu entwickeln? In welchem Kieler Industriegebiet siedelt sich demnächst ein Solarzellenhertseller an? Wo sind die Solarzellen auf den Dächern öffentlicher Gebäude, mit denen man nach dem Erneuerbare- Energiengesetz richtig Geld scheffeln und zugleich im Kieler Handwerk reichlich Arbeitsplätze schaffen könnte? Und wieso gibt es eigentlich an der Kieler Förde weit und breit keine Windräder, abgesehen von den paar recht betagten in Laboe? Weht es hier etwa nicht genug?
Aber es ist ja nicht so, dass Kiel nichts vorzuweiesen
hätte: Auf einem schönen, verwilderten Förde-
grundstück soll demnächst ein neues Kohlekraftwerk
entstehen. Frei nach dem Motto: Klimakatastrophe? Wir sind dabei! Wollen
wir uns das tatsächlich noch länger bieten lassen?