Nächste Seite
Landesregierung in Kiel verschlechtert Kindertagesstättenverordnung

Mehr Krippenplätze auf Kosten der Erzieherinnen

Während Bundesfamilieministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Schlagzeilen mit ihrem beherzten und überfälligen Vorstoß für mehr Krippenplätze beherrscht, schreitet die schleswig-holsteinische Landes-
regierung zur Tat. Mit einer neuen Kita-Verordnung will sie mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren schaffen, und zwar voll und ganz zu Lasten von Erzieherinnen und von Kindern. Größere Gruppen. Auf den ersten Blick nimmt sich die Verordnung noch harmlos aus. Erst beim genauen Hinsehen werden die Knackpunkte deutlich. Bisher dürfen maximal fünfzehn Kinder in einer altersgemischten Gruppe betreut werden. Die Gruppe setzt sich maximal aus zehn Kindern über drei Jahren und fünf Kindern unter drei Jahren zusammen. In Zukunft können bis zu 19 Kinder in eine altersgemischte Gruppe gesteckt werden. Anders als bisher dürfen demnächst mehr als fünf Kinder unter drei zu einer Gruppe gehören. Abstriche gibt es auch bei den Fachkräften. Müssen bisher ab dem dritten Kind unter drei Jahren zwei „ganze“ Fachkräfte in der Gruppe sein, soll das zukünftig erst ab dem fünften Kind gelten.

Wie das in der Praxis funktionieren soll, kann den Erzieherinnen leider niemand sagen. Denn natürlich müssen kleinere Kinder intensiver betreut werden als größere. Sie müssen gewickelt werden, brauchen Hilfe beim An- und Ausziehen und viel mehr Zuspruch und Trost als ältere Kinder, um nur einige Beispiele zu nennen. Allein hierfür benötigen die Erzieherinnen mehr Zeit. Außerdem müssen Erzieherinnen mehr Zeit investieren, um Bindungen zum Kind aufbauen und stärken zu können. Und wie sollen Erzieherinnen unter diesen Bedingungen Bildung vermitteln? Die Bildungsleitlinien jedenfalls drohen ins Leere zu laufen, die Aufwertung der Bildungsarbeit in Kindertagesstätten auf der Strecke zu bleiben. Dabei brauchen gerade die kleinsten Kinder in den Einrichtungen verlässliche und qualifizierte Bildung und Erziehung durch sozialpädagogische Fachkräfte.

Billigangebote. Auf Kosten der Standards und der Bildungsqualität schafft Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave ein Billigangebot an Krippenplätzen. Sie scheint sich dabei der zynischen Annahme zu bedienen, dass alle Welt mehr Krippenplätze fordere und es schließlich nicht darauf ankomme, auf welche Art und Weise diese Plätze geschaffen würden. Die Eltern, so ihr Kalkül, werden sich schon nicht beklagen und froh sein, dass sich die Chance ihrer Kinder erhöht, einen der heiß begehrten Plätze für unter Dreijährige zu bekommen. Erzieherinnen sollen anscheinend den Kopf dafür hinhalten, dass das Land jahrelang den Ausbau der Kinderkrippen verschlafen hat. In Schleswig-Holstein gibt es nur für fünf von hundert Kindern unter drei Jahren einen Krippenplatz. Damit bewegt sich Schleswig-Holstein auf dem Niveau eines bildungspolitischen Entwicklungslandes!

Ärgernis: Tagesmütter in Kindertagesstätten. Ein weiteres Ärgernis im Verordnungsentwurf ist die Öffnung von Kindertagesstätten für private Tagesmütter. Ihnen wird Tür und Tor geöffnet, obwohl sie nur über eine pädagogische Schmalspur-Ausbildung verfügen. Wir erleben möglicherweise eine schleichende Privatisierung, weil schlecht ausgebildete und bezahlte Tagesmuttis Zugang zu quasi-öffentlichen Bildungseinrichtungen erhalten. Durchaus denkbar, dass sich manch finanziell klamme Gemeinde die Frage stellt, ob nicht die billigeren Tagesmütter vollständig an die Stelle teurerer und besser qualifizierter Erzieherinnen treten sollen. Und wo bleibt das Positive? Da wir uns nicht den Vorwurf der Einseitigkeit machen lassen wollen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass es nach der neuen Verordnung ein striktes Rauchverbot in Kindertagesstätten geben soll. Prima!

GEW wehrt sich. Die GEW wird sich mit allem Nachdruck gegen die Verschlechterung der Kindertages-
stätten-Verordnung wehren. Die Landesregierung präsentiert uns ein Sparmodell auf Kosten der Erzieherinnen, um irgendwie irgendwelche Krippenplätze zu schaffen. Wir werden nicht zulassen, dass Eltern gegen Erzieherinnen ausgespielt werden.

Gemeinsam mit Beschäftigten und Eltern wird die GEW gegen eine Politik mobil machen, die scheinbar nach der Devise regiert: „Alle reden von frühkindlicher Bildung – Wir verschlechtern sie!“

 (csk – nach GEW-Pressemitteilungen)