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Protest gegen Nazi-Aufmarsch in Lübeck

„Wir können sie stoppen!“

Unter massivem Polizeischutz zogen am 31.03.2007 rund 300 Nazis durch die Lübecker Innenstadt, vorgeblich um an das Bombardement Lübecks durch Flieger der Britischen Armee vor 65 Jahre zu erinnern.

Im Vorfeld hatte sich in Lübeck ein bemerkenswert breites Bündnis unter dem Namen „Wir können sie stoppen“ gefunden, das zu einer Gegendemonstration aufgerufen hatte. Anders als in Kiel vor zwei Jahren war es gelungen, bis auf die FDP und die Junge Union alle relevanten Kräfte zu vereinen. Von Avanti bis zur CDU reichte die Bandbreite der Unterstützer (wobei sich letztere auf der Demonstration allerdings nicht blicken ließen). Insbesondere die Kirchen konnten viele Menschen mobilisieren, die sich der Gegen-
demonstration anschlossen. Am Ende kamen zwischen 3.000 und 5.000 Demonstranten auf dem Lübecker Marktplatz zusammen.

Der geplante Zug der Antifaschisten durch die Lübecker Innenstadt wurde abgesagt. Die vom Ordnungsamt genehmigte Route hätte weit von der Marschroute der Faschisten weggeführt. Stattdessen riefen die Veranstalter dazu auf, den Marsch der Faschisten durch Blockaden zu verhindern.

Obwohl das Ordnungsamt darauf hingewiesen hatte, dass jede Anschluss- und Spontandemonstration am 31.3. verboten sei, beteiligten sich offensichtlich so gut wie alle Demonstranten an den formal verbotenen Blockaden.

Durch die harte Linie der Polizei gelang es aber an keiner Stelle, die Marschroute zu blockieren. Jedoch gelangten sie nicht wie ursprünglich geplant bis zum Kohlmarkt. Somit konnten die Nazis ungehindert vom Bahnhof durch das Holstentor in die Holstenstraße ziehen, begleitet von wütenden Protesten der Antifaschisten und dem Glockengeläut der Marienkirche – so blieben für die Lübecker die dumpfen Parolen der Nazis wenigstens unhörbar.

In einer ersten Pressemitteilung bewerteten die Veranstalter die Demonstration dennoch als Erfolg: „Wir konnten gegenüber dem Vorjahr deutlich mehr Menschen mobilisieren. Nach unseren Zählungen haben sich 4.800 Menschen an der Kundgebung auf dem Markt beteiligt. Spaltungsversuche im Vorfeld und Panikmache vor Gewalt haben damit eine verdiente Abfuhr erhalten. Erwartungsgemäß haben sich alle, die unserem Aufruf gefolgt sind, äußerst besonnen an der friedlichen Demonstration beteiligt. Der massive Protest in der Innenstadt führte dazu, dass die ca. 300 - 350 Nazis nicht ihre ursprünglich auf dem Kohlmarkt geplante Kundgebung abhalten konnten, sondern ungehört in der unteren Holstenstraße stehen bleiben mussten.

Unser Ziel war es eigentlich, den Nazis keinen einzigen Meter der Innenstadt zu überlassen. Dies ist uns nicht gelungen. Wir hätten uns mehr Zivilcourage von der Verwaltung und unserem Bürgermeister gewünscht, alle vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen, den Nazis den Zutritt zur Innenstadt zu verwehren. Das hätte auch bedeuten können, die politische Entscheidung zu treffen, unserer Gegen-
demonstration die Route bis zum Holstentor zu genehmigen. So hat die Polizei den Nazis den Weg mit massivem Material- und Personeneinsatz in die Innenstadt geebnet.

Für Stunden waren der Teile der Innenstadt für alle, außer PolizistInnen und Neonazis, gesperrt. Wir fragen uns, wo hier die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, wenn die Bewegungsrechte aller geringer gewichtet werden als das Versammlungsrecht der Neonazis.

Das Bündnis verurteilt insbesondere, dass es nach bisherigem Kenntnisstand mindestens einmal im Bereich Untertrave einen völlig unverhältnismäßigen und brutalen Schlagstock- und Reizgaseinsatz der Polizei gab.

Die Teilnehmerzahl und Zusammensetzung des Nazi-Aufmarsches zeigen, dass auch in Schleswig-Holstein die Nazistrukturen fester und damit gefährlicher werden. Das stärkt unsere Entschlossenheit, unsere Arbeit als breites Bündnis fort zu setzen.“