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Verkauf der AKN?

KollegInnen stoppen den Zug – erstmal

Schleswig-Holstein, zu 50 % Eigner der AKN Eisenbahn AG, will seine Anteile verkaufen und verzichtet damit auf Einfluß und Gestaltungsmöglichkeiten für den öffentlichen Nahverkehr im Süden seines Landes.

Kaltenkirchen. „Es ist doch etwas völlig normales, daß ein  Aktienpaket verkauft wird!“ mit diesen flapsig-belehrenden Worten speiste der Wirtschaftsminister von  Schleswig-Holstein, Dietrich Austermann, den Betriebsratsvorsitzenden der AKN Eisenbahngesellschaft AG, Thomas Bartossek, ab. Der hatte um eine Stellungsnahme zu Gerüchten gebeten, Schleswig-Holstein und Hamburg wollten ihre Anteile an der AKN, der kleinen Regionalbahn im Süden Schleswig-Holsteins, verkaufen.

Dann ist es doch ebenso etwas normales, dachten sich Betriebsrat und Gewerkschaften, wenn wir unser verbrieftes Recht gemäß Betriebsverfassungsgesetz wahrnehmen. Dann ist es doch ebenso etwas völlig normales, wenn in den lokalen Medien folgendes zu lesen und zu hören sein wird: „Die AKN Eisenbahn-
gesellschaft hat ihren Betrieb zwischen Neumünster, Elmshorn und Hamburg am Mittwoch, 21. März 2007, wegen einer Betriebsversammlung zwischen 9 Uhr und 15 Uhr komplett eingestellt.“ Gegen den harten Widerstand des Managements setzten sie sich durch. Für die Kolleginnen und Kollegen im Dienstleistungs-
bereich eine tolle Leistung! Tausende hatten an diesem Mittwoch keinen Anschluß, kamen zu spät zur Arbeit, verpaßten ihre Termine. Grund genug für die lokalen Fernsehsender, ihre Kameras auf schimpfende Fahrgäste zu halten, statt die Fakten und den eigentlichen Skandal zu berichten: 350 Kolleginnen und Kollegen fürchten um ihren Job!

Besonders hatte bei ihnen für Aufregung gesorgt, daß ausgerechnet der potentielle Käufer, die Hamburger Hochbahn AG,  in die Bücher der AKN für einen Prüfauftrag schauen durfte. Betriebsratsvorsitzender Bartossek: „Steigt die Hochbahn ein, würden wohl Jobs verloren gehen." Leider gibt die politische Erfahrung den KollegInnen recht; bei Firmenkäufen geht Rationalisierung um, „Synergien“ nennt der Neoliberale das, Arbeitsplätze und soziale Standards springen über die Klinge.

Die Betriebsversammlung

Etwa 300 Beschäftigte waren dann auch auf der Betriebsversammlung am 21. März 2007 in Kaltenkirchen anwesend. Der AKN-Vorstand, der sich zunächst in der Öffentlichkeit „überrascht“ über die Verkaufs-
gerüchte gab, trat dann gleich noch einmal auf die Belegschaft ein. Er stellte die laufenden Tarifver-
handlungen in Frage: „Unter diesen Umständen können wir keine Tariferhöhungen beschließen!“ Vielleicht hoffte er, den KollegInnen, die so kämpferisch zu ihrer Betriebsversammlung geladen hatten, den Schneid abzukaufen.

Der Verkauf der AKN war bereits von der SPD-geführten rot-grünen Koalition untersucht worden. Als Begründung mußten die Löcher im Landeshaushalt herhalten. In einem Gutachten des Landesrechnungs-
hofes Schleswig-Holstein heißt es bereits April 1996 deutlich: „Das Vorhalten einer Landesgesellschaft als besondere Daseinsvorsorge für den Großraum Hamburg zur Abwicklung dortiger Verkehre ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Erbringung von  Verkehrs- leistungen nicht mehr erforderlich. Eine Haushaltsentlastung … könne möglicherweise durch einen Verkauf der AKN erreicht werden.“

Nun will endlich die Kieler Große Koalition von CDU und SPD gemeinsam die Sache zu Ende bringen.

Heiner Erling, zuständiger Sekretär der Eisenbahner-Gewerkschaft TRANSNET, nennt Roß und Reiter. In einem Interview mit dem Norderstedter Infoarchiv sagt er: „Es gibt seit längerer Zeit Diskussionen in Schleswig-Holstein, ob Anteile verkauft werden sollen. Schon Heide Simonis ließ dazu ein Gutachten erstellen, das seinerzeit aussagte: Grundsätzlich ja! Jetzt ist Hamburg auf die Idee gekommen, seine Anteile (an der AKN) an die Hochbahn abzugeben, damit haben wir jetzt zwei Anteile, die auf dem Markt sind. Und da schreit die Hochbahn: Hier, wir wollen die Anteile haben. Gerade bei der Hochbahn stellt sich uns allerdings die Frage, ob es nicht eher die BeNEX ist, die Interesse an einer Übernahme hat. BeNEX ist Tochter der Hochbahn und hält bereits Beteiligungen an verschiedenen anderen Bahnlinien, die AKN würde da hervorragend ins Bild passen. Der Hit daran ist, daß die BeNEX nur 51% Beteiligung der Hochbahn haben wird, und da gibt es dann weltweit Interesse an den übrigen 49%. Diese privaten Interessenten hätten dann natürlich das Ziel, mit der AKN richtig Geld zu verdienen. Da sagen wir: Die AKN ist - so wie sie heute dasteht - eine Erfolgsgeschichte, die auch zuletzt wieder unglaublich viel Geld in Bahnhöfe und Streckennetz gesteckt hat. … Von den 15-18 Millionen Euro Defizit der AKN sind alleine 13 Millionen Euro Zinsen für Investitionen in das Streckennetz, die eigentlich das Land tragen müßte. Da findet eine Umwälzung von Verbindlichkeiten des Landes auf die AKN statt. Höchstens 5 Millionen beträgt der eigene Verlust - ein Wert, der gemessen an anderen Eisenbahn-Gesellschaften niedrig ausfällt.“

 „Außerdem müßten ohnehin die Zinsen - etwa für die jüngsten Investitionen - getragen werden, auch alte Pensionslasten würden weiter vom Land gezahlt. Der Verkauf wäre also letztlich allenfalls ein Nullsummenspiel, das Vermögen aber ist dann weg, das Land kann kaum mehr Einfluß auf die Verkehrspolitik der AKN nehmen. Man muß beachten, daß die AKN heute der größte Eigenbetrieb des Landes ist.“

Die Braut wird „angehübscht“

Das zuständige Kieler Wirtschaftsministerium hat den Prüfauftrag erteilt zu untersuchen, wie durch Umstrukturierung und Einsparungen die AKN als Braut angehübscht werden kann, bevor sie gegen Bares an den Mann gebracht wird. Daß ausgerechnet ein  Konkurrenz- unternehmen diesen Prüfauftrag erhalten hat, empört den Betriebsrat besonders. Die Hamburger Hochbahn AG betreibt unter anderem in Hamburg die U-Bahn und große Teile des Busnetzes, ist aber zugleich im gesamten Bundesgebiet als  Nahverkehrs- unternehmen engagiert. Mehrfach trat sie bei Ausschreibungen als Konkurrent der AKN auf. Betriebsrat Bartossek: "Wenn die Konkurrenz in die Bücher sehen darf, wird man natürlich hellhörig."  Wie sollen da auch gute Bedingen ausgehandelt werden können?

Hochbahn-Chef Günter Elste, ein „bekennender Kaufinteressent“, so NDR 1 Welle Nord am 21.3.07, hatte schon mehrfach sein Interesse an der AKN bekundet. Elste will die AKN in ein norddeutsches Verkehrsunternehmen unter seiner Regie einpassen. Allerdings: Auch die Deutsche Bahn hat ein Auge auf die AKN geworfen.

Auf der so eindrucksvoll einberufenen Betriebsversammlung blieb die Zukunft der AKN Eisenbahn AG weiter unklar. Die Landesregierung, anwesend in Gestalt des Aufsichtsratsvorsitzenden Ministerialrat Knut Riedel, versuchte der Belegschaft Beruhigungspillen zu verabreichen. Das Ergebnis der Prüfungen über einen Verkauf der AKN sei offen, so der Herr aus Kiel. Es gebe noch keine Festlegungen.

Da war Minister Austermann einen Tag später in der Presse deutlicher. Der CDU-Politiker sagte in einem Zeitungsinterview mit dem Hamburger Abendblatt vom 22. März 2007, daß mit der Hamburger Hochbahn Gespräche geführt worden seien, "die in Richtung Verkauf laufen." Die Hochbahn solle jetzt prüfen, ob sie bei der AKN einsteigen wolle.

Beschäftigungssicherung

Aber immerhin: Die KollegInnen nötigten dem Aufsichtsratsvorsitzenden in drängenden Nachfragen eine verbindliche Aussage ab. Er mußte erklären: Kein Beschäftigter wird seinen Arbeitsplatz verlieren. Ob so eine Zusage Bestand haben wird? Gewerkschaftssekretär Heiner Erling: „Wir haben ihn darauf festgelegt. Wenn ein Vertreter des Landes das auf einer großen Versammlung sagt, dann haben wir schon ein gewisses Vertrauen.“

Karl-Helmut Lechner
Quellen: http://www.transnet.org/,
http://www.gdl-kaltenkirchen.de/,
http://www.infoarchiv.org/
Hamburger Abendblatt und Norderstedter Zeitung, Pressemeldung Transnet, 24.03.07,
http://landesrechnungshof-sh.de/