Du, Kollegin, die Du Dich im Betrieb und auf der Straße gegen den Rentenklau und die Rente erst mit 67 zur Wehr gesetzt hat; Du, Kollege, der Du im Öffentlichen Dienst wochen- und monatelang gegen die Verlängerung der Arbeitszeit auf 41 oder gar 42 Wochenstunden und für einen Tarifvertrag gekämpft hast; Ihr alle, Kolleginnen und Kollegen, die ihr die gewerkschaftlichen Ziele der Verkürzung der Arbeitszeit, die Herabsetzung des Rentenalters, Ausbildungsplätze für unsere Kinder, Löhne, die zum guten Leben reichen usw. ernst nehmt und gegen den Sozialkahlschlag der Agenda 2010 aufgestanden seid – Ihr alle habt es nicht verdient, dass Euch von Eurem eigenen Gewerkschaftsbund am 1. Mai die Sozialräuber Sigmar Gabriel und Ralf Stegner als Gäste und Hauptattraktion der Kundgebung vor dem Gewerkschaftshaus präsentiert werden.
Der bayrische DGB hat zum diesjährigen Mai drei Redner
aus den Reihen der SPD wieder ausgeladen. Mit gutem Grund. Oder hatte der
dortige DGB-Vorsitzende, der Kollege Fritz Schösser, etwa nicht Recht,
als er im Bayrischen Rundfunk erklärte: „Man muss auch mal mit solchen
Maßnahmen deutlich machen, dass es nicht geht, auf Veranstaltungen
den Menschen zu versprechen, dass man sich für sie einsetzt, und auf
der anderen Seite Gesetze zu beschließen, mit denen man das Gegenteil
bewirkt“. Er hatte Recht, und aus dem gleichen Grund hätten Stegner
und Gabriel, die unser DGB-Vorsitzender Ralph Müller-Beck eigenmächtig
und unter Missachtung von Gewerkschaftsbeschlüssen eingeladen
hat, wieder ausgeladen werden müssen. Entsprechende Anträge haben
in der Gewerkschaft ver.di Vertrauensleuteversammlungen, Mitgliederver-
sammlungen, Ausschüsse, Projektgruppen, Fachbereichsvorstände
und der Bezirksvorstand Kiel-Plön verabschiedet. Ralph Müller-Beck,
der in der SPD Karriere machen will, hat sich davon nicht beirren lassen.
Auch Ihr, sozialdemokratische Kolleginnen und Kollegen, habt das nicht verdient. Es stimmt ja nicht, dass alle Mitglieder der SPD die Politik ihrer Parteioberen und der neoliberalen Führungsgruppe um den Vizekanzler Franz Müntefering gut heißen. Wie immer man zur Mitgliedschaft in der SPD stehen mag, hier geht es zu allererst darum, dass Ihr Euch nicht in treuer Gefolgschaft vor den Karren der Sozialräuber spannen lasst und dass wir uns gemeinsam dagegen verwahren. Es geht auch nicht darum, mit Politikern wie Stegner und Gabriel nicht mehr zu reden; wir werden noch oft genug dazu gezwungen sein, und wir müssen die direkte Auseinandersetzung gewiss nicht fürchten. Aber auf dem 1. Mai, auf der Kundgebung zum internationalen Kampf- und Feiertag der arbeitenden und der in die Erwerbslosigkeit gezwungenen Menschen, haben sie nichts zu suchen. Da wollen wir uns einstimmen auf die kommenden Ausein- andersetzungen, die unausweichlich sind und schwer sein werden, da wollen wir Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen lassen, die zu uns gehören und uns aus ihrer Erfahrung heraus Ansporn und Mut geben können.
Inzwischen werden Kolleginnen und Kollegen, die sich gegen Redner (oder „Dialog-Partner“) vom Kaliber Stegner und Gabriel am 1. Mai aussprechen, angefeindet. Auf die Vorgänge in Bayern reagierte unter anderem der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Peter Struck, mit der Drohung, die Konsequenz daraus könne sein, „dass die SPD in Bayern künftig eigene 1.-Mai-Veranstaltungen macht“. Man darf gespannt sein, was das für Veranstaltungen werden, wenn es denn dazu kommt; für uns ist es wichtiger, die damit ausgesprochene Kampfansage wahrzunehmen und uns auch dieser unausweichlichen Auseinandersetzung zu stellen.
Demonstrieren wir diese Bereitschaft am 1. Mai 2007, an unserem Tag, dem Kampftag der ArbeiterInnen aller Länder