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KN wie KürzungeN

Die „Kieler Nachrichten“ planen Kürzungen um 30% bei den Honoraren für Fotografen.

Die kapitalistischen Krokodilstränen sind mal wieder sehr dick kollernde: „Während sich das allgemeine Wirtschaftsklima in Deutschland inzwischen stetig erholt, kämpfen die Tageszeitungen trotz vielfältiger Bemühungen weiterhin mit rückläufigen Anzeigenerlösen und sinkenden Auflagenzahlen“, schreibt Jürgen Heinemann, Chefredakteur der „Kieler Nachrichten“, den fotografierenden freien  Mit- arbeitern seines Blatts, um eine ab dem 1. Juni in Kraft tretende „Honoraranpassung“ zu begründen. Um 30%, von 50 auf 35 Euro, soll das Honorar für ein Foto sinken.

Honorarkürzungen in solcher Höhe darf man als bisher einmalig in der deutschen Presselandschaft bezeichnen, auch wenn die KN im Vergleich mit der Dumping-Politik anderer Blätter – auch im bundesdeutschen Vergleich – bislang noch recht gute Honorare zahlten. Dass auch diese unter denen in Tarifverträgen vereinbarten liegen, sei mal dahingestellt, denn wer hält sich auf Arbeitgeberseite heutzutage schon noch an geltende Tarifverträge?

Einen besonderen Augout hat die neueste „notwendige Kostenanpassung“ des Kieler Zeitungsmonopolisten, der gegenwärtig mit neuen Magazinen wie „KielSide“ oder vorher „Diva“ auch in den Stadtmagazin-Sektor (und dessen „Flatrate“-Anzeigenmarkt) vordringt und sich dort offenbar verausgabt, durch Formulierungen wie diese: „Obwohl auch die Texthonorare der Kieler Nachrichten im Vergleich im oberen Bereich anzusiedeln sind, verzichten wir in dieser Sparte zum gegenwärtigen Zeitpunkt (!) auf eine Kürzung. Damit tragen wir der Erkenntnis Rechnung, dass qualifizierte Texte ungleich schwerer und häufig nur mit einem deutlich höheren Aufwand zu erhalten sind.“ Euphemistischer kann man das alte Prinzip „Teile und herrsche“ wohl kaum formulieren.

Zugute halten muss man den KN, dass sie für ihre „festen freien“ Mitarbeiter, also solche, die von ihnen leben, selbst wenn man seitens der KN sehr genau darauf achtet, dass keine „Scheinselbstständigkeit“ eintritt (auch das ist allerdings ein nur von beiden Seiten gewahrter schöner Schein), „eine soziale Verantwortung“ empfinden. Entsprechend versuchen die KN, ihren freien Foto-Mitarbeitern die bittere Pille der Kürzung etwas zu verzuckern. Das Zuckerbrot heißt einerseits „Seitenfoto“, das große den Leitartikel illustrierende, das nach wie vor mit 50 Euro honoriert werden soll. Die Peitsche ist andererseits gleich einbeschrieben, denn für Fotos, die mit „Mehraufwand“ – als solcher werden „entweder die zeitliche Inanspruchnahme oder besonders schwierige Bedingungen“ gewertet – geschossen werden, versprechen die KN 40 statt 35 Euro. Wow! 5 Euro für einstündiges Warten auf das verspätet beginnende Konzert oder den Torschuss in der 89. Minute. 20% weniger Geld für 150% mehr Arbeit sind das indes immer noch.

Unter den freien Fotografen der KN herrscht gelinder Aufruhr. Nicht nur wegen der geplanten Kürzungen, auch über solche Sonderregelungen im „Gummiparagraphenformat“. Wer entscheidet, wann „besonders schwierige Bedingungen“ vorliegen? Im Zweifel wohl nicht, der sie hatte. Von dem seltsamen Kalkül mal ganz abgesehen, dass sich Fotografen sehr genau überlegen werden müssen, ob sie einen „Seitenfoto“-Auftrag annehmen oder doch lieber das unbedeutende Konzert, wo die Akteure genug weit auseinander sitzen, dass man sie „unter besonders schwierigen Bedingungen“ nicht auf ein Foto bannen kann, wo also zwei verkaufbar wären.
Plaudereien aus den Nähkästchen inzwischen alltäglicher Verteilungskämpfe, die nicht nur unwürdig sind, sondern auch unproduktiv, weil sie das tägliche Produktionsprocedere verkomplizieren. Dass die KN mit ihren „abgefederten“ Honorarkürzungen auch den täglichen „Workflow“ torpedieren, ist ihnen offenbar nicht bewusst. Oder egal, denn als Monopolist muss man nicht auf Qualität der Beiträge als ja auch „Standortfaktor“ achten.

Gegenwärtig formiert sich eine schwache Front auch unter den (noch nicht betroffenen) schreibenden freien Mitarbeitern. Man hofft, noch verhandeln zu können. Ein exquisites „Geschenk“ zum 1. Mai stellt die Honorarkürzungsoffensive des Verlags dennoch dar. Bleibt zu hoffen, dass man ihr bis zum 1. Juni wenigstens partiellen Widerstand entgegensetzen kann.

 (jm)