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Ausladung:
Heute so, morgen so, lügen könnt ihr anderswo!

Auf Einladung des DGB-Vorsitzenden der KERN-Region soll heute der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner auf unserer 1.-Mai-Kundgebung zu Worte kommen. Wir sind empört über diese Einladung und werden den Auftritt des Politikers nicht schweigend hinnehmen!

Noch im vergangenen Jahr agierte Herr Stegner an der Seite des niedersächsischen Verhandlungsführers Möllring als  Arbeitgeberver- treter. Ca. 18 Wochen mussten die Kolleginnen und Kollegen des Öffentlichen Dienstes der Länder z.B. im Bereich der  Straßen- meistereien in Schleswig-Holstein streiken, um diesen Herren überhaupt einen Tarifvertrag mit anständigen Arbeitszeiten abzutrotzen und dabei handelt es sich – wohl gemerkt – um einen Vertrag, der für die Landesbeschäftigten nicht unerhebliche Verschlechterungen mit sich bringt.*

Selbstverständlich sind wir offen für einen Dialog über die zukünftige Entwicklung unseres Landes auch mit Herrn Stegner. Auf unserer Mai-Kundgebung ist er jedoch der falsche Mann zur falschen Zeit am falschen Ort. Wir streiten für bessere Arbeitsbedingungen, für höhere Löhne und Gehälter, für eine faire Verteilung von Arbeit und Einkommen und für eine Gesellschaft der sozialen Gerechtigkeit. Herr Stegner wird all diese Begriffe heute vermutlich auch im Munde führen und sich als Freund und Interessenvertreter der Arbeitnehmer darstellen, aber: an seinen Taten sollt Ihr ihn messen!

Die Politik, erst in rot-grüner und nun in schwarz-roter Konstellation, trägt die Mitverantwortung für die rasante Zerschlagung des Sozialstaates Bundesrepublik Deutschland. Unter dem Oberbegriff Agenda 2010 hat sie sich gemeinsam mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder aufgemacht, diese Gesellschaft zu verändern und schreitet nun auf diesem Weg zügig voran. Hier einige Beispiele:

HARTZ IV

Angesichts von Millionen verzweifelter Menschen spricht diese Reform für sich selbst. Hier kann von Fördern keine Rede sein! Hier geht es ausschließlich ums Fordern und um den Einsatz billiger 1-Euro-Kräfte für öffentliche Aufgaben, die mehr oder weniger geschickt als „zusätzlich“ deklariert werden. Hier erzeugt man den Druck, der die Menschen zwingt, sich jedem Diktat der Arbeitgeber zu  unter- werfen.

RENTENREFORM

Die millionenfache Altersarmut ist vorprogrammiert. Angesichts des jahrelangen massiven Drucks auf das Reallohnniveau wirken die Appelle zu privater Vorsorge wie Hohn. Wovon sollen die Millionen Arbeitslosen, die Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit, im Niedriglohnsektor oder in 400-Euro-Jobs denn vorsorgen? Und nun sollen sie das alles auch noch bis zum Alter von 67 Jahren betreiben. In Wirklichkeit handelt es sich um nichts anderes als eine massive Rentenkürzung.

GESUNDHEITSREFORM

Eine unendliche Geschichte, deren Kern darin besteht, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufzugeben und trotz aller gegenteiligen Beteuerungen eine Zwei- bzw. Mehrklassenmedizin einzuführen. Die absolut notwendige Mindestversorgung für alle, den Rest können wir ja dann je nach Einkommen dazu kaufen. Und selbst die  Mindestver- sorgung zahlen die Beschäftigten in zunehmendem Maße allein (Eintrittsgelder für Arztpraxen, Medikamentenzuzahlungen und Extrabeitrag für die Beisserchen...). Die Arbeitgeber sind fein raus.

MEHRWERTSTEUERERHÖHUNG

Die 3%-ige Mehrwertsteuererhöhung tragen wir als Endverbraucher allein. Unternehmen können so etwas mit dem Finanzamt verrechnen. Angesichts sinkender Reallöhne über viele Jahre ist dies ein weiterer Griff in unsere Taschen. Aber die Politik wird nicht müde, uns angesichts leerer öffentlicher Kassen zu erklären, dass die Mehrwertsteuererhöhung unumgänglich war, denn schließlich benötigt man Geld, um den nächsten Schritt der

UNTERNEHMENSSTEUERREFORM

zu finanzieren. Es handelt sich bei diesem Schritt der Reform lediglich um Peanuts in Höhe von 10-15 Milliarden Euro, vorherige Schritte haben sich für die Unternehmen wenigstens richtig gelohnt. Aber Kleinvieh macht auch Mist und selbst Peanuts müssen schließlich gegenfinanziert werden. So wandert denn unser Geld auf dem Umweg über Vater Staat direkt in die Kassen der großen Konzerne, Versicherungen und Banken. Kein Wunder, dass diese von Jahr zu Jahr neue Rekordgewinne einfahren. Warum nur wird das Gejammer der Herren Ackermann, Pietschesrieder, Hundt, Zetsche, von Pierer und wie sie alle heißen mit Millionen belohnt, die Not von Millionen aber als selbstverständlich hingenommen?

Wir ersparen uns an dieser Stelle die Aufzählung all der weiteren Reformen und Reförmchen, die bereits hinter uns liegen oder drohend auf uns warten, die Deutschland fit machen sollen für die Zukunft in einer globalisierten Welt und doch nur den Weg bereiten für eine hemmungslose Profitmaximierung. Denn die Globalisierung ist kein Schicksal, das über die Menschen kommt wie das Jüngste Gericht. Sie ist von Menschen gemacht und von Menschen gewollt und deshalb lässt sie sich auch von Menschen steuern im Sinne einer Ausrichtung auf soziale Werte und eine gerechtere Welt. Man muss dies nur wollen.

Die Politik steht in ihrem Wirken in wichtigen Bereichen für das genaue Gegenteil unserer Anliegen und Vorstellungen und deshalb fordern wir sie auf, ihre Statements dort zu halten, wo ihre politischen Freunde sitzen. z.B. auf dem Deutschen Industrie und Handelskammertag, bei den Arbeitgeberverbänden dieses Landes etc..

Aber verschont uns an diesem Tag mit eurem scheinheiligen Geschwätz von sozialer Verantwortung und Solidarität. Wir glauben euch kein Wort davon!

Heute so, morgen so, lügen könnt ihr anderswo!

*Die Uniklinika haben zur gleichen Zeit eigene Tarifverträge auf Basis TVL erhalten und dafür auch lange und hart kämpfen und streiken (14 Wochen) müssen. Das Uniklinikum in S-H war hieran nicht beteiligt. Hier laufen aktuell Tarifverhandlungen auf Basis TVL. 


(aus dem ver.di-Flugblatt des Fachbereichs 3 am 1. Mai)