Nächste Seite
1. Mai 2007 in Kiel:
Der DGB gehört nicht der SPD!

Zu der Kieler Maikundgebung des DGB waren auf Initiative des DGB-Chefs Ralph Müller-Beck auch die SPD-Spitzenpolitiker Ralf Stegner (SPD-Landeschef und Innenminister SH) und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (der schließlich von sich aus abgesagt hatte) eingeladen worden. Diese Einladung hatte bereits im Vorfeld zu erheblichem Unmut bei zahlreichen KollegInnen geführt. Entsprechende Auf-
forderungen mehrerer Gewerkschaftsgliederungen, die beiden SPD-Politiker wieder auszuladen, wurden jedoch komplett ignoriert. Im Gegensatz zum DGB Bayern, der einige SPD-Redner wieder ausgeladen hatte, machten bereits der  Kundgebungsaufruf, auf dem Gabriel und Stegner prominent angekündigt wurden, deutlich, dass hier offenbar die angebliche Verbundenheit von SPD und Gewerkschaften demonstriert werden sollten.

Diesen Zumutungen wurde dann am 1. Mai eine erfreulich deutliche Absage erteilt. Bereits auf der Demonstration wurde ein  ent- sprechendes Flugblatt des Verdi-Fachbereichsvorstandes 3 verteilt, KollegInnen der DGB-Jugend machten auf einem T-Shirt mit der Aufschrift „Heute so, morgen so – lügen könnt ihr anderswo“ ihren Unmut deutlich. Während der Abschlusskundgebung kam es dann zu massivem Protest: Sobald Stegner zu seiner Rede ansetzte, kam es zu einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert – unmittelbar vor der Bühne hatte sich attac mit Schildern wie „Andere RednerInnen sind möglich!“ und „Der DGB gehört nicht der SPD“ positioniert. Die Rede des Innenministers wurde schließlich durch den Tortenwurf einer Demonstrantin beendet.

In offiziellen Stellungnahmen hat sich der DGB in der KERN-Region umgehend von den Protesten distanziert und sich bei Stegner entschuldigt. Dabei wurde nicht einmal davor zurückgeschreckt, die Tortenwerferin auf der Homepage des DGB namentlich zu nennen. Nicht derartiger Protest, sondern Dialog sei der Stil der Gewerkschaften. Der „radikalen Linken“ würde es nicht gelingen die Gewerkschaften zu spalten. Stegner selbst sprach von „verirrten Einzelnen“ und betonte die angeblichen „breiten Gemeinsamkeiten“ von DGB und SPD.

Diese Gemeinsamkeiten vermochten zahlreiche KollegInnen offenbar nicht zu erkennen – und daher spricht der DGB mit seiner  Er- klärung auch nicht für erhebliche Teile der KollegInnen. Hartz IV, Rente mit 67, Mehrwertsteuererhöhung, Umverteilung des Reichtums von unten nach oben, Kriegseinsätze in Afghanistan – das sind wahrlich keine gewerkschaftlichen Positionen, beschreiben aber die  SPD- Politik der letzten Jahre. Wenn Stegner Proteste gegen diese Politik als das Werk „verirrter Einzelner“ deutet, ist dies nur ein weiteres Beispiel für die arrogante Haltung eines gut bezahlten Politikers gegenüber den berechtigten Sorgen von Millionen von  ArbeitnehmerInnen, RentnerInnen und Arbeitslosen. Für diese bedeutet die von der SPD mit zu verantwortende Politik oft genug erhebliche Verschlechterung des Lebensstandards, Armut und Angst um den Arbeitsplatz. Sozialdemokraten und leider auch etliche Gewerkschafter würden nun vielleicht auf die von Stegner kürzlich erhobene Forderung nach einer Sonderzahlung für die KollegInnen des Öffentlichen Dienstes verweisen. Diese Position wollte Stegner, so konnte man in den KN lesen, auf der Maikundgebung vertreten, wenn man ihn denn hätte ausreden lassen. Wir haben wahrlich nichts verpasst, denn wie so oft in den letzten Jahren, wurde diese Forderung nach einem kurzen Krach in der großen Koalition sogleich wieder zu den Akten gelegt. „Menschen machen Fehler, ich habe auch welche gemacht“ heißt es nun von Stegner. Genau diese Doppelzüngigkeit ist es, die viele KollegInnen nicht mehr ertragen wollen („Heute so, morgen so…) – und deshalb ist es gut, dass der Protest dagegen auf dem 1. Mai so deutlich geworden ist.

cg