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Mitgliederversammlung der WASG:

Umbruch, Abbruch, Aufbruch ?

Das war’s dann wohl mit der eigenständigen WASG in Schleswig-Holstein. Am 22. April traf man sich zur wahrscheinlich letzten Mitgliederversammlung vor dem Zusammengehen mit der PDS. Erwartungsgemäß fielen deutliche Worte der Kritik, es kam zu Rücktritten und zu Austritten.

Schon aus der von Angelika Hannapel vorgetragenen Begrüßungsrede war zu erkennen: Der Streit um Struktur und Programm der neuen Linkspartei soll weitergehen, in der Sache hart, im Stil fair und solidarisch. Sie sagte u. a.

„…Diese Träume sind nicht vorbei. Ganz im Gegenteil, wir haben viele Mitstreiter für unsere Ideale in der Linkspartei gefunden. Selbstverständlich ist es für alle schwierig, einfach die Eigenständigkeit aufzugeben und stattdessen Kompromisse zu finden, die für beide Seiten annehmbar sind. Viele von Euch, die diesen Weg nicht mitgehen wollen, sind aber auch der Meinung, dass wir uns von den Träumen her gar nicht so sehr unterscheiden. Was störend ist, sind die verschiedenen Parteistrukturen. In der Linkspartei wird fast alles von oben nach unten entschieden – ganz deutlich war dies auf den Parteitagen in Dortmund zu beobachten – während die WASG die Partei von unten nach oben dirigieren wollte. Dies ist jedoch, wenn wir ehrlich sind, schon lange gescheitert. Unser BuVo hat sich spätestens in Ludwigshafen für das „top down“ Modell entschieden und dadurch haben wir bereits viele zu tiefst enttäuschte Mitglieder verloren. Wir hier vor Ort und an der Basis haben feststellen müssen, dass zu den Veranstaltungen immer weniger Menschen den Weg zu uns gefunden haben. Selbst früher sehr überzeugte Mitglieder der WASG zogen sich nach und nach zurück. …

… Den Menschen ist es eigentlich egal, wer sich für sie einsetzt, die Hauptsache, es gibt in der politischen Landschaft überhaupt jemand, der dies tut. Ein weiterer schwerer Rückschlag für beide Parteien, war und ist die Koalition in Berlin. Ja, auch das muss heute genannt werden. Diese Rot-Rote Koalition hat uns schweren Schaden zugefügt, aber auch das Verhalten unseres BuVo`s war inakzeptabel. Auch hierdurch haben sehr engagierte Mitglieder der WASG aus Enttäuschung das Handtuch geworfen. Wenn Oskar und andere auch immer wieder betonen, dass die Linkspartei den Schaden begrenzt halten würde durch ihre Regierungsbeteiligung und für das kleinere Übel stimmen würden, SO BLEIBT ÜBEL DOCH ÜBEL, ob klein oder groß.

Die Linkspartei hat dies bei ihrer Landtagswahl in Berlin besonders zu spüren bekommen. Umso unbegreiflicher ist es, dass sie trotz heftiger Kritik aus ihren eigenen Reihen, wieder in diese unsägliche Koalition eingetreten ist. Das wäre ein Zeitpunkt gewesen, Flagge zu zeigen. Menschen, die in so genannten prekären Verhältnissen leben, ist es egal wie und wer ihnen hilft. Parteien, die in der Opposition eine gute Arbeit leisten, können letztendlich mehr erreichen, als wenn sie in Regierungen als kleiner Partner alles abnicken müssen. …“

Der Schluss ihrer Ansprache klang dann aber nicht resignierend, als Angelika Hannappel erklärte: „ … Ich möchte nicht, dass wir unsere Träume wegen einer Regierungsbeteiligung aufgeben. Ich möchte in der neuen Partei konstruktiv für den bestmöglichsten Weg streiten. Ich möchte eine Partei, die sich für den Frieden und den Antifaschismus einsetzt. Ich möchte eine Partei, die pluralistisch und antikapitalistisch ist. Ich möchte eine Partei, die sich besonders für Menschen einsetzt, die am Rande der heutigen Gesellschaft leben. Ich möchte eine Partei, in welcher es egal ist, welche Hautfarbe oder welche Herkunft ein Mensch hat solange er keine rechte Gesinnung hat. Ich möchte aber auch eine Partei, die nicht von den Vorstandsmitgliedern bestimmt wird, sondern bei der die Impulse aus der Mitgliedschaft kommen. Und ich möchte eine Partei, in der die Vorstandsetagen – sei es beim Bund oder in den Ländern – von einem Gremium kontrolliert werden, wie es in der WASG der Landes- bzw. der Länderrat vorlebt.

Beide Parteien stehen nun vor einer großen Aufgabe. Wir müssen eine Partei schaffen, in welcher sich alle Mitglieder wieder finden können, aber dies wird nicht ohne Kompromisse abgehen. Nur das Preis-Leistungsverhältnis muss stimmen. Und hier muss sich die Linkspartei noch ein bisschen mehr bewegen. Unser unbedingtes Ziel sollte sein, positive Änderungen für die Menschen in unserer Gesellschaft zu bewirken. Und hierfür brauchen wir uns gegenseitig. Dies sollte allen klar sein, die sich für Menschen politisch engagieren wollen, denn ansonsten wird das Projekt „Die Linke.“ scheitern und wir alle hatten einen schlechten Traum. Deshalb lasst uns alle gemeinsam an unseren Träumen arbeiten und die neue Partei aufbauen, positiv und für alle Menschen.“

Daniel Dockerill, Michael Kaben und Ralf Iden traten als Mitglieder des Landesvorstandes zurück. Die LinX hat nicht den Raum, um die Begründungen in vollem Unfange abzudrucken. Deshalb zitieren wir hier stellvertretend aus der – teilweise emotionalen – Erklärung Daniel Dockerills:

„… Zwar wiesen die Programme beider Parteien immer schon eine Menge Übereinstimmungen auf, aber die politische Praxis der PDS war alles in allem ganz und gar nicht auf Opposition gekämmt. Man befand sich vielmehr bereits seit einiger Zeit auf dem mühsamen Weg aus der politischen Schmuddelecke in die Respektabilität einer auf allen Ebenen regierungsfähigen Partei. Ein wichtiger Durchbruch in dieser Richtung war zweifellos im Herbst 2001 der Aufstieg der PDS zur Regierungspartei in der deutschen Hauptstadt.  …

Die WASG gründete sich in ausdrücklicher strikter Abgrenzung von dieser Politik. So hieß es beispielsweise in einem Strategiepapier vom Februar 2004 mit dem Titel „Für eine wahlpolitisch Alternative 2006“: „Politisch geht es ganz klar um Opposition, nicht um mögliche Beteiligung an einer Regierungskoalition, solange nicht die denkbaren Partner ihre Positionen grundlegend in unsere Richtung verändert haben und wieder reale Fortschritte durchsetzbar sind, wovon absehbar nicht auszugehen ist.“4 Für die PDS ist dort u. a. festgehalten, sie habe sich „insbesondere durch ihre Regierungsbeteiligung in Berlin zusätzlich desavouiert.“ ... In der Tat. Ich war so optimistisch zu hoffen, dass die WASG als Gesamtpartei hinreichend viel politische Klugheit aufbringen würde, das Wahlbündnis zu nutzen für ihre eigene politische Entwicklung als unbeirrt oppositionelle politische Kraft gegen die neoliberale Einheitsfront. Ich war so optimistisch zu hoffen, dass der begeisternde Schwung des oppositionellen Aufbruchs stärker sein würde, als die politische Routine des aufs unbedingte Mitregieren programmierten Bündnispartners.

Ich bin heute eines Schlechteren belehrt. Die Panikmacher von einst haben am Ende Recht behalten. Ich halte es zwar weiterhin für richtig, dass wir es versucht haben. Aber im Ergebnis bleibt festzustellen: Der Versuch eine politische Opposition mit Masseneinfluss in diesem Land aufzubauen, ist vorläufig gescheitert. …“

Während Kaden die Partei noch vor der Fusion verlassen will, bleiben Iden und (wohl auch) Dockerill Mitglieder der Organisation. Den neuen geschäftsführenden Landesvorstand bilden Angelika Hannappel, Lorenz Gösta Beutin, Rainer Beuthel, Carlos Mejia Kortes und  Margot Hein.

Unbestreitbar sind viele, sehr viele Menschen seinerzeit der WASG beigetreten, weil sie in der PDS eben nicht ihre politische Heimat fanden. Unbestreitbar sind aber auch weitgehende programmatische Schnittmengen. Der Ball liegt nun zu mindestens zwei Dritteln im Feld der PDS, die beweisen muss, dass sie Willens ist, Programme in praktische Politik umzusetzen. Damit das Projekt ‚Die Linke’ nach dem unbefriedigenden Aufbruch nicht zu einem Abbruch gerät, braucht es Beweglichkeit und Offenheit.

 csk