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Kommentar:
Von der Gewalt

Es war voraussehbar. Nach der Hysterie, die Innenminister Schäuble in den Wochen vor dem G-8-Gipfel inszeniert hatte, mussten einfach Bilder her, die den martialischen Polizeieinsatz, den Zaun, den Einsatz der Bundeswehr gegen Demonstranten (ein klarer Verfassungsbruch), die aufgewendeten 120 Millionen Euro rechtfertigen würden. Eskalation war also angesagt, und dass zu diesem Zweck ach mitunter Polizei-
Provokateure, den ersten Stein werfen, kennen wir bereits. Dennoch sollte man es noch einmal ganz klar für all jene sagen, die es sosehr auf die Regierungsbänke zieht: Das ist die Normalität dieser Gesellschaft, das sind die sogenannten westlichen Werte, die unsere Regierung so gerne beschwört, wenn in ähnlicher Weise mit Demonstranten in Russland umgegangen wird. Der Zweck der Übung war ein doppelter.

Erstens: Diese bunte Bewegung, die in Rostock gegen das ganze Elend der globalisierten Konzernherrschaft demonstriert hat, gegen Hunger Umweltzerstörung und Ausbeutung in Nord und Süd, sollte eingeschüchtert werden. Sie ist zu stark, zu dynamisch, könnte womöglich in Zeiten allgemeiner Politikverdrossenheit irgendwann ernsthaft den herrschenden neoliberalen Konsens in Frage stellen.

Zweitens: Mit der leidigen Gewalt-Diskussion die eigentlichen Themen des Protests aus den Medien verdrängt werden. Die Gewaltbilder wurden gebraucht, damit die Öffentlichkeit nicht über die alltägliche Gewalt der G-8-Regierungen spricht, über die mörderischen Kriege im Irak, Tschetschenien und Afghanistan, über bombardierte Hochzeitsgesellschaften, über Folterlager im Kaukasus und auf  US-Stütz- punkten, über den Hunger, an dem täglich über 30.000 Kinder sterben, über die Gewalt, die es bedeutet, auch die letzten sozialen Sicher- heitssysteme zu zerstören, über den permanenten Psychoterror, mit dem ALG-II-Empfänger verfolgt werden, über den alltäglichen Mord an den Südgrenzen der EU. Über diese Gewalt sollten wir nicht aufhören immer wieder laut und vernehmlich zu sprechen. Und ja, natürlich: Wer zufällig jemand kennt, der blöd genug war, das Spiel der Polizei mitzuspielen, sollte ihn fragen, ob er sie eigentlich noch alle beisammen hat.

          (wop)