Nächste Seite
Teilerfolg vor Gericht:
Verbot verfassungswidrig

Am 7. Juni sollte zum Ort des Geschehens des G-8-Gipfels, dem Zaun von Heiligendamm ein Sternmarsch stattfinden. Die Demonstration war seit Monaten geplant und angemeldet, doch die Polizeibehörden hatten sich bis drei Wochen vor dem Ereignis Zeit mit einer Antwort und Ablehnung gelassen, Ganz offensichtlich wollte man den Rechtsweg für die Anmelder unmöglich machen. Diese gingen dennoch nach Karlsruhe vors Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die der Behörde und dem OVG in Greifswald,  Verfassungs- bruch bescheinigten. Das OVG war der Ansicht gewesen, man könne hierzulande Demonstrationen mit dem Argument verbieten, dass ausländischen Staatschefs keine Kritik zugemutet werden muss, wenn damit die „Interessen Deutschlands“ gefährdet werden.

Letztendlich hat die von der Polizei in Rostock betriebene Eskalation und die im Anschluss daran massiv verbreiteten Lügen dazu geführt, dass die Karlsruher Richter die Versammlungsverbote dennoch aufrecht erhielten, obwohl es zuvor deren Begründungen verworfen hatte. Wir dokumentieren aus einer Pressemitteilung des Sternmarschbündisses:

Das Gericht „hat den Sternmarsch für den 7. Juni verboten, ebenso die drei Ersatzveranstaltungen außerhalb der beiden Verbotszonen. Grundlage ist allerdings das aktuelle Demonstrationsgeschehen seit dem 2. Juni und die diffamierende Darstellung durch die Polizei. Das Gericht erklärt die Allgemeinverfügung und die Entscheidung des OVG Greifswald für verfassungswidrig. Das BVerfG betont, der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst das Interesse der Veranstalter auf eine „Beachtungserfolg in möglichst großer Nähe zum symbolhaltigen Ort“.

Die „bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ könne ein Versammlungsverbot ebenso wenig tragen wie „Empfindlichkeiten ausländischer Politiker“. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sei gerade „dem Schutzbedürfnis der Machtkritik“ erwachsen. Dies gelte auch für ausländische Staatsgäste.

Das BVerfG rügt das polizeiliche Sicherheitskonzept als verfassungswidrig, weil es von vornherein der Versammlungsfreiheit nicht Rechnung trägt. Ein "Schutzraum" für die "staatliche Veranstaltung" des Gipfeltreffens sei nicht zu beanstanden, die Ausdehnung des Schutzraumes auf die Verbotszone II mit einem mehrtägigen absoluten Versammlungsverbot allerdings nicht zu rechtfertigen. Das Gericht bezeichnet das Sicherheitskonzept darüber hinaus als ausdrücklich "gegen die Durchführung von Versammlungen gerichtet", da von Beginn an die Versammlungsfreiheit „keine Chance zur angemessenen Verwirklichung“ hatte.

BVerfG: „Die von Kanzlerin Merkel betonte Möglichkeit, den Protest "in wirklich sichtbarer Form" öffentlichkeitswirksam vorzutragen, erhalte in dem "Sicherheitskonzept" keine Verwirklichungschance“.

Obwohl auch das BVerfG davon ausgeht, dass die VeranstalterInnen eine friedliche und legitime Protestdemonstration durchführen wollen, wurde letztlich die Sichtweise der Polizei maßgebend. Das BVerfG tritt im Eilverfahren an die Stelle der Versammlungsbehörde, daher legen die Richter fern in Karlsruhe letztendlich die Darstellung der Polizei über die aktuellen Gefahren ihrer Entscheidung zugrunde.

Rechtsanwältin Ulrike Donat und Carsten Gericke: „Auch wenn wir das Ergebnis zutiefst bedauern, weil den Veranstaltern die  Mög- lichkeit zu friedlichem Protest genommen wird: Diese Entscheidung ist inhaltlich - nach der Begründung - ein voller Erfolg für die Versammlungsfreiheit und eine schallende Ohrfeige für die obrigkeitlichen Vorstellungen der Polizeibehörde Kavala und des OVG Greifswald.