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G-8-Regierungen drücken sich vor Verantwortung:

Für Klimaschäden zahlen

Es gibt im Bezug auf die Auswirkungen des Klimawandels eine große Ungerechtigkeit. Reiche Länder haben das Problem verursacht, indem sie über viele Jahrzehnte Treibhausgase emittierten und dabei reicher wurden. Aber arme Länder sehen sich nun größeren Dürren, Überschwemmungen, Hungersnöten und Seuchen ausgesetzt. Sie werden von den Klimaveränderungen am schlimmsten betroffen.“ Mit diesen Worten fasste dieser Tage die internationale Hilfsorganisation Oxfam eines der Kernprobleme der Klimadiskussion zusammen.Die Gruppe, die in zahlreichen Ländern des Südens mit Entwicklungshelfern vor Ort tätig ist, hat sich aufbauend auf deren Erfahrungen einmal die Mühe gemacht, nachzurechnen. An vielen Küsten müssen Siedlungen gegen den steigenden Meeresspiegel geschützt oder verlegt werden, vielerorts muss die Landwirtschaft auf die sich verändernden Bedingungen eingestellt werden, um nur zwei Beispiele herauszugreifen. Wie viel würden diese Maßnahmen den Ländern kosten, von denen viele seit über 20 Jahren unter der Last kaum bezahlbarer Auslandsschulden stöhnen?

Das Ergebnis der Oxfam-Berechnungen: Jährlich müssten derzeit in den Entwicklungsländern 50 Milliarden US-Dollar (38 Milliadren Euro) aufgebracht werden. Je länger sich die Industriestaaten Zeit lassen, die Konzentration der Treibhausgase in der Erdatmosphäre zu stabilisieren, desto größer wird dieser Betrag werden. Für eine Stabilisierung der Konzentration wäre nach Angaben der Klimaforscher vom britischen Metoffice eine Reduktion der globalen Klimagasemissionen um 70 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau notwendig.

Die Frage ist, woher dieses Geld angesichts der durch die Schuldtilgung ausgebluteten Staatsfinanzen vieler afrikanischen und  latein- amerikanischer Staaten kommen soll. Bei Oxfam hat man dafür eine naheliegende Antwort: Die Verursache sollen zahlen. Um eine ungefähre Vorstellung von der Verteilung der Veran-
twortung zu bekommen, hat die Organisation die Emissionen zwischen 1992 und 2003 zusammengezählt und verglichen. 1992 hatten sich die Industriestaaten verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahre 2000 auf das Niveau von 1990 zurückzufahren, was die meisten Länder jedoch unterließen. Angeblich war die entsprechende Klausel in der Klimaschutzrahmenkonvention, die alle unterschrieben und ratifiziert haben, nicht rechtlich verbindlich.

Wie dem auch sei – Oxfam kommt aufgrund der Emissionen zwischen 1992 und 2003 sowie aufgrund der Zahlungsfähigkeit der einzelnen Länder zur folgenden Lastenverteilung: Die USA  müssten 44 Prozent der Anpassungskosten schultern. Japan stünde mit 13 Prozent an zweiter Stelle, und an dritter folgte bereits der selbst ernannte Klimaschutzvorkämpfer Deutschland, der gut sieben Prozent zu tragen hätte. Der Rest entfiele auf Großbritannien (fünf Prozent), Italien, Frankreich und Kanada (je vier bis fünf Prozent) sowie Spanien, Australien und Südkorea (je drei Prozent).

Bei Oxfam legt man Wert auf die Feststellung, dass es sich nicht um Hilfszahlungen handelt, sondern vielmehr um Kompensation. Die reichen Länder müssten die ärmeren für Schäden bezahlen, die durch die industriellen Tätigkeiten im Norden verursacht wurden. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Lateinamerika, Asien und Afrika sprechen in diesem Zusammenhang schon lange von Umweltschulden, die der Norden bei den Ländern des Südens hat.

Nach den Oxfam-Zahlen würden die deutschen Verbindlichkeiten jährlich 3,5 Milliarden US-Dollar oder rund 2,6 Milliarden Euro betragen, eine Summe, die mit Leichtigkeit aufzubringen wäre. Sie macht in etwa die Hälfte des Betrages aus, der in der neuesten Runde per Steuergeschenk an Konzerne und Unternehmen verteilt werden soll. Man könnte das Geld aber auch direkt bei der größten Verursachergruppe abschöpfen, den deutschen Energiekonzernen, die mit ihren Stein- und Braunkohlekraftwerken etwa 36 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verursachen. E.on kündigte zum Beispiel Anfang Juni an, man wolle allein sieben Milliarden Euro aufwenden, um Aktien des eigenen Unternehmens aufzukaufen. Zweck der Übung: die Aktienkurse zum Wohle der Coupon-Schneider in die Höhe zu treiben. Mit diesem Geld könnte man fast drei Jahresraten der deutschen Umweltschulden begleichen.

Doch derlei Schuldeingeständnis ist mit den „westlichen Werten“, wie sie der staunenden Weltöffentlichkeit Anfang Juni in Rostock und Heiligendamm demonstriert wurden, offenbar nicht vereinbar. Ende Juni wird sich in Washington eine Geberkonferenz treffen, die über die Ausstattung eines Klima-Anpassungsfonds beraten soll. Lächerliche 48 Millionen US-Dollar sind in diesen bisher eingezahlt worden. Allein ihren kleinen Terror-Gipfel an der Ostsee haben sich die G-8-Staaten mehr als das Dreifache kosten lassen. In ihrer von der Bundesregierung als Durchbruch für den Klimaschutz gelobten Abschlusserklärung, hielten sie die Washingtoner Konferenz nicht einmal für erwähnenswert.

(wop)