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Kommentar:
Gierige Umverteiler

Es ist fast schon obszön: Kaum läuft die Konjunktur nach Jahren mal etwas besser, kaum hätten die öffentlichen Kassen und  Sozialver- sicherungen die Gelegenheit, sich ein wenig zu erholen, da schallt es laut aus CDU/CSU und FDP, Steuern und Abgaben müssen gesenkt werden. Pflicht des Staates sei es, den Bürgern möglichst viel zu belassen, meint der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Röttgen. Wie man sieht, ist das Menschenbild der Christdemokratie noch ein ganz klassisches: Bürger ist nur, wer Geld hat. Die Millionen Arbeitslosen und Billigjobber zählen nicht dazu, und in der Tat arbeitet Röttgens Parteifreund Wolfgang Schäuble ja auch mit großer Intensität daran, die Bürger- und Menschenrechte all jener, die sich gegen diese Zustände, gegen wachsende Verelendung und Aus-
grenzung wehren, einzuschränken wenn nicht gar abzuschaffen. Das ihm unterstehende Bundeskriminalamt verfolgt jetzt schon kritische Wissenschaftler, die die Vertreibung der Armen aus den City-Wohnlagen der großen Städte thematisieren, als vermeintliche Terroristen.

Schäubles Feldzüge haben mitunter etwas Paranoides, doch sie fügen sich logisch ins Bild. Wenn weiter umverteilt werden soll, dann müssen allen, die sich wehren könnten, frühzeitig die Flügel gestutzt werden. Die Forderungen der Union laufen nämlich darauf hinaus, die maroden Finanzen der Kommunen weiter in ihrem erbärmlichen Zustand zu belassen. Das bedeutet, dass spätestens im nächsten Abschwung der Gürtel noch enger geschnallt werden muss. Dann heißt es wieder: Gruppengröße in den Kindergärten erhöhen, kein Geld für Schulsanierung, keine Hilfe für Problemstadtteile.

Dabei haben sich Deutschlands Kapitalisten mit der Umverteilungspolitik ihres Regierungspersonals längst einen Platz an der Sonne verschafft. In kaum einen anderen großen Industrieland kann so billig produziert werden, sind Lohnstückkosten und Steuern so niedrig. Aber die Schrauben sollen weiter angezogen werden, und man fragt sich wirklich, wo eigentlich unsere Gewerkschaften sind? Wie lange sollen wir uns das eigentlich noch alles gefallen lassen?

      (wop)