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Der unveröffentlichte Kommentar

Als ich von den letzten Äußerungen unseres Innenministers Kenntnis erhielt, stieg mir die Zornesröte ins Gesicht und blieb dort volle drei Tage lang stehen. Aus diesem Zorn heraus schrieb ich am Wochenende einen Kommentar. Einen Kommentar, so bissig und böse wie schon lange nicht mehr, trotzdem kein Wort darin, kein Satz, keine Bemerkung, keine Anspielung, zu der ich nicht voll und ganz stehen kann - einen wohlüberlegten, die Grenzen der Meinungsfreiheit wahrenden und diesbezüglich gerichtsfesten Kommentar.

Nun veröffentliche ich ihn trotzdem nicht. Es ist mir zu gefährlich. Was, wenn die Gerichte gar nicht erst bemüht, wenn die Vollstrecker auf Beweisaufnahme, Anklage und Urteil schlicht verzichten würden? Wäre ich auch dann noch bereit, die Konsequenzen zu tragen? Nein.  So viel Löwenherz steckt auch in mir nicht. Ich will mich noch möglichst lange in körperlicher Unversehrtheit am selbstbestimmten Aufenthaltsort frei und unbeobachtet bewegen können. Zum Märtyrer tauge ich nicht.

So bleibt mir also nichts anderes übrig, als Ihnen die Lektüre meines jüngsten Kommentars zu versagen, obwohl die Gesetze noch gar nicht erlassen sind. Aber wer sagt denn, dass nicht auch das, was jetzt offiziell erst als Notwendigkeit beschworen wird, schon längst inoffizielle Praxis ist?

Wie war das denn mit den Online-Untersuchungen?  Das hat man einfach gemacht!

Wie war das mit der Bundeswehr beim G8 Gipfel? Die hat man einfach ins Feld geführt!

Schon die Antwort auf die einfache Frage, welches Ressort gemeinhin als Hüter der Verfassung gilt, zeigt, wie wichtig es wäre, außen auf dem Grundgesetz geeignete Warnhinweise anzubringen:

‚Vorsicht: Zuviel Vertrauen schadet der Gesundheit’, zum Beispiel, oder

‚Keine Macht den Drogen - Recht macht süchtig!’ oder auch,

‚Paragrafen können zum Tode führen!’

Nein, dieser Kommentar bleibt unter Verschluss. Schade, tut mir leid für Sie. Aber so sind die Zeiten eben. Vorstellen kann ich mir natürlich, dass die eine oder der andere dafür kein Verständnis hat. Für die habe ich einen guten Rat: Denken Sie doch selbst einmal ein bisschen nach. Der Sheriff von Nottingham ist ja nur eine von vielen Figuren der Weltgeschichte, die sich in der Vergangenheit selbstherrlich anmaßten, wozu Herr Schäuble nun, als guter Demokrat, um die gesetzliche Ermächtigung nachsucht.

Wann und wo war es denn zuletzt Praxis, Menschen aufgrund geheimer Informationen ohne rechtlichen Schutz als "gefährlich" zu brandmarken und vom öffentlichen Leben ausschließen? Wann hat man denn zuletzt Menschen aufgrund pauschaler Verdächtigungen oder bestimmter Merkmale vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, ihnen die Rechte beschnitten, sie vorsorglich eingesperrt? Indianer, Sklavenhandel, Rassentrennung, Kommunistenhatz, Andersgläubige, Andersartige, Studenten, feindliche Kämpfer - alles Stichworte, die helfen, den Wert staatlich garantierter Rechte - auf eine faire Verhandlung zum Beispiel - wieder klarer zu erkennen und totalitäre Bestrebungen zurückzuweisen.

Denken Sie doch einmal darüber nach, welchen Unterschied es macht, ob in einer Bananenrepublik Todesschwadrone unterwegs sind, um politische Gegner zu verschleppen und zu ermorden, oder ob im Rechtsstaat die Liquidation Verdächtiger auf offener Straße per Rakete vom Hubschrauber aus praktiziert wird. Kommen Sie mir nicht damit, dass die Hubschrauber-Rakete-Version sehr viel sauberer und von chirurgischer Präzision ist, dass sie bei geringen Kollateralschäden öffentlich nachprüfbare Ergebnisse zeitigt und somit allen Anforderungen nachhaltigen politischen Handelns entspricht... Auf solche Unterschiede ist gepfiffen.

Ja, denken Sie ruhig ein bisschen nach. So lange Sie dabei keine Notizen machen, so lange Sie nicht leise vor sich hinmurmeln und so lange Sie es vermeiden, heimlich bedeutungsvolle Blicke mit Ihren Mit-
menschen zu wechseln, ist die Gefahr, der Verschwörung verdächtigt und fortan als die Ein-Mann-
Variante der terroristischen Vereinigung zum Zwecke der Verteidigung Deutschlands verfolgt zu werden, noch relativ gering. Mehr wage ich heute dazu nicht zu äußern.

Nun höre ich aber doch die eine oder den anderen laut denken: „Schade. Jetzt leidet auch der Kloogschieter an Verfolgungswahn." Das ist wahr, nur geringfügig falsch formuliert. Nicht an. Unter!

De Kloogschieter