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Landesparteitag der LINKEN:

Hausaufgaben zur Hälfte geschafft

Die Partei DIE LINKE wird von den Redaktionen des etablierten Medienbetriebs zur Zeit gern wieder einmal als zerstrittener Haufen gehandelt, und die Partei macht es – in Form einzelner Personen – der Journaille leicht: Christa Müller, Gattin des Vorsitzenden Oskar, gibt „familienpolitische“ Statements ab, die mit linker Politik nichts zu tun haben (prompt darf sie bei „Hart aber fair“ ihre unendliche Bewunderung für alle äußern, die ihre alten Eltern „zu Hause pflegen“); der Spitzenkandidat zur hessischen Landtagswahl stellt  unaus- gegorene Vergleiche zwischen DDR-Grenztruppen und ISAF-Einheiten der Bundeswehr in Afghanistan an – und nimmt seinen Hut; in Rheinland-Pfalz tauschen die einen Genossen das Schloß eines Parteibüros aus, damit die anderen Genossen nicht mehr reinkommen. Ein Mitglied der Landesschieds-
kommission gibt daraufhin unter Getöse seinen Parteiaustritt bekannt, so wird berichtet. Gemessen an solcherart Turbulenzen haben die Delegierten des ersten hiesigen Landesparteitags am 2. September im Kieler  Gewerkschaftshaus politische Reife und Disziplin bewiesen. Nach Konstituierung der Versammlung, Wahl diverser Kommissionen und formaler Gründung des neuen Landesverbandes entspann sich eine mehrstündige Satzungsdebatte, zu der rund 30 Anträge vorlagen. Die Auseinandersetzung zwischen „Traditionalisten“ und eher der WASG entstammenden „Basisdemokraten“ entzündete sich – wie erwartet – an der Frage der Rolle und Zusammensetzung des Landesrates, den es in der Linkspartei bisher nicht gab. Die Delegierten entschieden sich für ein Modell, das dem aus je zwei VertreterInnen aller Kreisverbände zu bildenden Gremium zwischen den Landesparteitagen höchste  Entscheidungsbefugnis zubilligt, und somit die Macht des Landesvorstandes einschränkt.

Der Vorstand selbst wird nicht von Vorsitzenden geleitet, sondern als kollegiales Gremium von einer Sprecherin und einem Sprecher nach außen vertreten; allerdings ließen es sich die Delegierten nicht nehmen, diese selbst zu wählen – ein Kompromiß, mit dem beide Strömungen leben konnten. Weitere wichtige Beschlüsse wurden u.a. zur Rolle von Jugend- und Hochschulverband, innerparteilichen Zusammen-
schlüssen, Ämterhäufung und Trennung von Amt und Mandat, zur Finanzordnung sowie zur Unterstützung der Klage der GRÜNEN gegen die 5-%-Klausel gefaßt.

Dem hohen Zeitdruck fiel die Verabschiedung eines politischen Leitantrages, für den zwei Entwürfe vorlagen, zunächst zum Opfer. So gab es für die KandidatInnen der gegen Abend eingeleiteten Vorstandswahlen keine Landesprogrammatik, auf die sie sich zu beziehen hatten. Entsprechend nebulös wirkte so manche Vorstellung: Wollte die eine dieses, so wollte der andere jenes erreichen, mal gegen Hartz IV, mal etwas für Frauen, mal für den Frieden – allesamt gutgemeinte Vorhaben, die sich nicht widersprachen, eher ergänzten, und irgendwann eine Kandidatin zu der Erkenntnis trieb, es sei ja nun „eigentlich schon alles gesagt“ worden.

Die dann in diversen Wahlgängen (quotiert) Gewählten entstammen mehrheitlich den Parteiorganisationen der kreisfreien Städte. Als Sprecherin wurde Antje Jansen bestimmt (Lübeck), als Sprecher Lorenz Gösta Beutin (Stormarn); weitere Mitglieder: Angelika Hannappel (Kiel), Angela Whyte (Kiel), Asja Huberty (Lübeck), Brigitte Sawirucha (Flensburg), Ernst Molkenthin (Steinburg), Hans-Werner Machemehl (Segeberg), Heinz-Werner Jezewski (Flensburg), Jörn Seib (Neumünster). Weder das „Forum Demokratischer Sozialismus“, weder „Antikapitalistische Linke“ noch „Kommunistische Plattform“ bilden im Vorstand die Mehrheit – eine gute Grundlage für sachorientierte Politik in enger Kooperation mit dem Landesrat als direktem Vertreter der Basis. Grußworte gab es vom Bundesvorsitzenden Lothar Bisky, von Heiko Winckel-Rienhoff als Vertreter der GEW und von Bettina Jürgensen (DKP), die deutliche, kämpferische Worte gegen Nazis fand und starken Beifall erntete. Und es wurde gegen Ende ein großer Blumenstrauß überreicht an Eva Dockerill zum Achtzigsten.

Fazit: dieser Tag war ein guter Beginn für die LINKE in Schleswig-Holstein. Hundert-Prozent-Bescheid-
wisser und Erbsenzähler verschiedener Couleur hielten sich zurück. Die Fortsetzung des Parteitages im Oktober wird noch stärker inhaltlich-politisch gewichtet sein: außer dem politischen Leitantrag stehen u.a. Anträge zur Friedenspolitik, zur Energiepolitik und Rekommunalisierung, zu Hartz IV und Kürzung der Prozesskostenhilfe zur Diskussion. Brisant könnte die Entscheidung zum Thema „Anerkennung parteinaher Bildungseinrichtungen“ werden; die der Rosa-Luxemburg-Stiftung nahestehende Werkstatt „Utopie und Gedächtnis“ hat Konkurrenz durch die der bisherigen WASG nahestehende Bildungsgemeinschaft „SALZ“ bekommen. Bleibt zu hoffen, daß dieses Problem auf solidarische und konstruktive Weise gelöst wird.

 
(Rainer Beuthel)