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Prozess gegen Kieler Antifaschisten:

Zivilcourage nicht erwünscht

Am 19. Oktober findet vor dem Amtsgericht Kiel ein Prozess gegen einen Kieler Antifaschisten statt, dem "gefährliche Körperverletzung" an einem stadtbekannten Neonazischläger vorgeworfen wird. Die Anklage geht zurück auf eine Auseinandersetzung vor einem Supermarkt in Gaarden am 1. April letzten Jahres. Mehrere stadtbekannten Kieler Nazischläger haben versucht, eine Gruppe Antifaschisten einzuschüchtern und griffen diese an. Die Antifaschisten setzten sich zur Wehr. Einer der Neonazis zückte dabei ein Messer und verletzte einen der Antifas schwer.

Bereits einen guten Monat nach den Ereignissen wurde klar, dass Staatsanwaltschaft und Polizei die Auseinandersetzung zum Anlass nehmen würden, sich Erkenntnisse über Strukturen der linken Szene Kiels zu verschaffen, als es am 11. Mai 2006 zur polizeilichen Durchsuchung der Privatwohnung des Angeklagten kam. Außerdem wurde der PKW einer weiteren Person durchsucht.Für diese, bei unpolitischen Körperver-
letzungsdelikten absolut unübliche Ermittlungsmaßnahme, unter dem Vorwand, vermeintliche Tatwerkzeuge sicher stellen zu wollen, genügten der Staatsanwaltschaft die Zeugenaussage und Anzeige durch den messer-
stechenden Neonazi. Er will den Antifaschisten als einen der Beteiligten vom 1. April wieder erkannt haben. Neben der Anklage gegen diesen Betroffenen kam es darüber hinaus in den vergangenen eineinhalb Jahren zu Ermittlungsverfahren gegen mindestens zwei weitere Menschen unter dem gleichen Vorwurf. In einem dieser Fälle stützen sich Ermittlungen allein auf die Zeugenaussagen der Neonazis.

Für den 13. Oktober ist daher eine Protestkundgebung gegen dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft geplant. Die Aufrufer sehen die Vorfälle in einer Reihe mit verschiedenen staatlichen Unterdrückungs-
maßnahmen der letzten Monate. So verweisen sie auf die abenteuerlichen Vorwürfe mit denen im Sommer die Proteste gegen den G-8-Gipfel als „terroristisch“ und „kriminell“ diffamiert worden waren, oder auf die Hausdurchsuchung die es kürzlich in Eckernförde bei dem Anmelder einer Demonstration gegeben hatte, die sich gegen das Verbot eines Antifa-Festivals richtete.

Im Aufruf zur Demo, dem auch die obigen Informationen entnommen sind, wird darauf verwiesen, dass von Zeit zu Zeit auch  bürger- liche Politiker die Bürger aufrufen, gegen rassistische und Neonazigewalt vorzugehen. So zuletzt nach den brutalen Überfällen in Mügeln geschehen. Doch offensichtlich sie das nicht ernst gemeint: „Die Quittung (...) haben nun die Betroffenen der  Ermittlungsverfahren und vor allem der Angeklagte zu tragen. Denn eine Forderung nach Einschreiten, Nicht-Wegsehen, Zivilcourage und Kampf gegen  Neonazi- gewalt bedeutet noch lange nicht die Erwünschtheit ihrer Umsetzung.

Wenn PolitikerInnen oder sonstige RepräsentantInnen der deutschen Gesellschaft solche Forderungen aufstellen, bedeutet dies zu allererst die Sorge um regionale Wirtschaftsstandorte, wo ein "ausländer-
feindliches Image" InvestorInnen abschrecken könnte. Auch auf internationaler Ebene, machen sich öffentlich gewordene Neonazigewalt schlecht, wenn mit einer angeblichen Lehre aus der eigenen deutschen Nazivergangenheit Angriffskriege und eine politische Vormachtstellung Deutschlands gerechtfertigt werden sollen. Das Problem ist in ihrer Logik also nicht die Existenz von Rassismus und Neonazismus, sondern der Imageschaden, den die Nation oder die Stadt erleidet, wenn sie öffentlich wird.“
 

(wop)

 
 

Demo: Samstag 13. Oktober 14 Uhr Asmus-Bremer-Platz. Siehe auch Terminkalender.

Zur Demonstration rufen auf:  AAZ (Kiel/Hamburg), Antifa Jugend Kiel (ajk), Antirepressionsgruppe 1. April, Autonome Antifa Eckernförde (AAE), Autonome Antifa Ostholstein (AAOH), Avanti-Projekt undogmatische Linke Kiel,Bündnis Autonomer Antifas Nord (BAAN), Die BewohnerInnen der Alten Meierei, Gruppe Zunder (Kiel), Rote Hilfe OG Kiel, Soliplenum §129a zusammenfalten (Kiel).