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Geschäftsöffnung am Sonntag

Kiel will Bäderregelung ausweiten

Die Landeshauptstadt Kiel plant, die sogenannte Bäderregelung auf das gesamte Stadtgebiet auszudehnen. Damit wäre eine Öffnung der Geschäfte an fast allen Sonn- und Feiertagen im Jahr zwischen 11 und 19 Uhr möglich. Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz (CDU) sagte, angesichts des boomenden Kreuzfahrtgeschäfts und immer mehr Tagesgästen sei eine solche Sonderregelung vor allem für Kiels Innenstadt sinnvoll. Allerdings stieß sie mit ihrem Vorhaben  auf massive Kritik. Die evangelische und die katholische Kirche protestierten gegen den Plan, die Bäderregelung, die vom 15. Dezember bis zum 31. Oktober gilt, auszudehnen. Der Einzelhandel reagierte nach Angaben der Industrie- und Handelskammer zurückhaltend auf den Vorstoß.

2005 mit entsprechendem Antrag gescheitert

Das Wirtschaftsministerium muss sich nun mit dem Kieler Antrag befassen. Laut Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) kann aber erst nach einer Neufassung der Bäderregelung über Anträge der Kommunen entschieden werden. Die jetzige Version gilt noch bis 2008. Bereits im Dezember 2005 hatte die Stadt Kiel einen entsprechenden Vorstoß gemacht - ohne Erfolg. Das Ministerium argumentierte damals, dass die Genehmigung nur Gebiete erfasse, die vom Urlaubstourismus geprägt sind - wie etwa Schilksee.

Gute Position im Wettbewerb sichern

Volquartz ist aber nun zuversichtlich, dass Kiel nach einer Neufassung die Möglichkeit erhält, zumindest der ständig wachsenden Zahl von Fähr- und Kreuzfahrttouristen mit erweiterten Ladenöffnungszeiten ein attraktives Angebot zu machen. Die Stadt habe viele Millionen Euro in die entsprechende Infrastruktur investiert. Der Lohn seien 1,3 Millionen Menschen, die pro Jahr mit den Fähren und 190.000 Passagiere, die mit Kreuzfahrtschiffen nach Kiel kommen. „Um unsere gute Position im Wettbewerb zu sichern und auszubauen, brauchen wir geöffnete Geschäfte", sagte Volquartz.

Kirche spricht von eklatantem Rechtsbruch

Ganz anderer Ansicht ist der Vorsitzende der Kirchenleitung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Bischof Hans Christian Knuth. Seiner Meinung nach führt der Kieler Antrag die gesamte Bäderregelung ad absurdum. „Die Auflösung des auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Feiertagsschutzes wäre für uns ein eklatanter Rechtsbruch." Kritisch äußerte sich auch der stellvertretende Leiter des Katholischen Büros Schleswig-Holstein, Martin ichLätzel: „Von der Oberbürgermeisterin und bekennenden Christin Angelika Volquartz bin ich sehr enttäuscht." Sie interessiere sich offensichtlich nur für das Wohlergehen der Wirtschaft.

IHK befürchtet zu hohe Kosten

Dabei scheint auch Branche selbst von einer Ausdehnung der Regelung nicht überzeugt zu sein. Der Einzelhandel sei davon nicht begeistert, erklärte die Industrie- und Handelskammer. „Die Kosten einer zusätzlichen Sonntagsöffnung stehen jedenfalls in keinem Verhältnis zu den möglichen Erträgen durch Einkäufe von Kreuzfahrttouristen", sagte der für den Handel zuständige Kieler  IHK- Geschäftsführer Michael Zeinert. Allenfalls an ‚großen Kreuzfahrersonntagen’, an denen mehrere Schiffe im Hafen liegen und die Passagiere die Innenstadt bevölkern, könnten zusätzliche Aktivitäten lohnend sein.

Mecklenburg-Vorpommern als Vorreiter?

Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) hat den Geschäften in Zentren kreisfreier Städte die Sonntagsöffnung in Aussicht gestellt und stößt damit auf erbitterten Widerstand von Kirchen und Gewerkschaft. Die Regierung versuche, das erst im Frühjahr vom Landtag verabschiedete Ladenschlussgesetz zu unterlaufen, das die Öffnung nur an vier Sonntagen im Jahr erlaubt, sagte der stellvertretende Vorsitzende des DGB Nord, Ingo Schlüter. Ausnahmen gewährt die Bäderregelung. Sie ermöglicht seit Jahren die Sonntagsöffnung in den Kur- und Badeorten des Landes und soll nun offenbar neu gefasst und erweitert werden. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist die Neufassung bereits in der Endabstimmung. Einbezogen werden sollen demnach die Zentren der Welterbestädte Wismar und Stralsund sowie andere ‚touristisch relevante Innenstädte’, etwa von Schwerin und Rostock. Der DGB und die evangelische  Landes- kirche prüfen rechtliche Schritte und boykottieren aus Protest den Beirat für die Bäderregelung. Den Kirchen sei der Schutz des  Sonn- tags wichtig, sagte der Schweriner evangelische Oberkirchenrat Andreas Flade. Schlüter sagte: „Für ein Unterlaufen des  Ladenöffnungs- gesetzes stellen wir uns nicht zur Verfügung."

Kuschelkurs zahlt sich nicht aus

Noch im Juli hatte der Kieler DBG-Chef Müller-Beck sich Handel und Oberbürgermeisterin als ‚verlässlicher Sozialpartner’ angedient. Er forderte die Einrichtung eines Gremiums aller beteiligten gesellschaftlichen Gruppen, das über die Frage der Sonntagsöffnungszeiten im gegenseitigen Einvernehmen beraten und der Oberbürgermeisterin eine Empfehlung abgeben sollte. Hierin sollten aus seiner Sicht der Einzelhandelsverband, die IHK, die Kirchen, die Stadt, ver.di und evtl. auch Kiel Marketing eingebunden werden. Der DBG wollte  hier- zu die Initiative ergreifen. Jetzt zeigt ihm Frau Volquarz, wie sie ‚Sozialpartnerschaft’ versteht und versucht, schon einmal Tatsachen zu schaffen. Müller-Beck muss endlich begreifen, dass er als DGB-Vorsitzender nicht Moderator einer Kungelrunde sein kann oder seinen Hut nehmen.

csk