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Diskussion: Was tun gegen Neonazis?

Ein Dorf zeigt Mut

Aktivitäten von Neonazis, insbesondere aus Freien Kameradschaften und NPD im ländlichen Raum nehmen zu. Seit dem Sommer 2005 wurden Neonaziaktivitäten im schleswig-holsteinischen Dorf Rieseby publik. Jugendliche werden von den Nazis angesprochen, sollen für die faschistische Ideologie begeistert werden. Was zunächst als Naziaktivitäten an der dortigen Schule begann, hat bald den rein lokalen Rahmen gesprengt. NPD und Freie Kameradschaften aus ganz Schleswig-Holstein versuchen in das Dorf hineinzu-
wirken. In der  Um- gebung haben bekannte Nazis (Jürgen Rieger, Dieter Kern) Häuser erworben. Gegen das massive Auftreten der NPD im Dorf hat sich eine Bürgerinitiative „Wir gegen Rechtsextremismus“ und eine Antifa-Jugend gebildet.

Die CDU-dominierte Dorfgemeinschaft versucht die Probleme zu ignorieren, der Bürgermeister erklärt aktive AntifaschistInnen zu den eigentlichen Störern. Innenminister Stegner hat sich anfangs besonders in den Vordergrund gedrängt, die Notwendigkeit für  anti- faschistische Aktivitäten betont und will nun das Problem einem „Rat für Kriminalitätsverhütung“ überlassen. Das lokale antifaschistische Bündnis versucht die Dorfgemeinschaft für die Problematik zu sensibilisieren und weitere Bündnispartner zu gewinnen. Ein Bündnis von AntifaschistInnen aus ganz Schleswig-Holstein versucht den Einschüchterungsversuchen der Nazis auf der Straße mit öffentlichen Veranstaltungen, Konzerten und der massiven Präsenz von AntifaschistInnen entgegenzutreten.

Um sich über die in Rieseby entstandene Situation zu informieren, an diesem Beispiel die aktuelle Strategie faschistischer Organisationen zu erläutern und gemeinsam mit Menschen aus Rieseby Möglichkeiten gegenseitiger Unterstützung sowie der Ausdehnung des  anti- faschistischen Widerstands und offensiver antifaschistischer Arbeit zu erörtern, trafen sich am 16. November etwa 90 Menschen in der Kieler „Pumpe“. Vor der Aussprache gab es dort die Gelegenheit, im Kommunalen Kino den NDR-Film „ein Dorf zeigt Mut“ zu sehen.

Auf Einladung der Veranstalter – Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel und Kommunales Kino – nahmen auf dem Podium in der Galerie die Lehrerin Gabriele Behring von der genannten Schule aus Rieseby, gleichzeitig Vertreterin des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus, Nils von der Kampagne „Antifaschistisch lebt sich’s besser“, der Landesvorsitzende der VVN/BdA Hartmut Büchsel und der Mit-Autor des NDR-Films Stefan Schölermann sowie Axel Hoffmann vom Runden Tisch als Moderator Platz. Das ebenfalls eingeladene Innenminsterium hielt die Entsendung einer Vertreterin oder eines Vertreters für unnötig.

Nach den Eingangs-Statements entspann sich eine zunehmend lebendiger werdende Diskussion, an der sich viele Menschen aus dem Publikum beteiligten. Dabei wurde der positive Beitrag vieler junger Leute im Rahmen der Kampagne „antifaschistisch lebt sich’s besser“ ebenso herausgestellt wie die keineswegs selbstverständliche Bereitschaft vieler BürgerInnen und VerantwortungsträgerInnen des Ortes. Zu diesen zählt sicher nicht der CDU-Bürgermeister, wohl aber die stellvertretende Bürgermeisterin Dorit Indinger (SPD), die auf der Veranstaltung anwesend war und sich an der Diskussion beteiligte.

Hervorgehoben wurde, dass es in Rieseby wie auch in ähnlichen Gemeinden nicht nur in der Nachbarschaft bereits seit vielen Jahren faschistische Umtriebe gibt. Den für faschistische Ideologie anfälligen Jugendlichen müssen die Grenzen ihres Treibens klar und gegebenenfalls auch repressiv deutlich gemacht werden. Dabei darf es allerdings nicht bleiben. Die Bedürfnisse gerade sozial schlecht gestellter Jugendlicher müssen ernst genommen werden, auch darum wird sich der Arbeitskreis kümmern, wobei die Lösung durch politische und finanziell abgesicherte Maßnahmen gefunden werden muss. Im übrigen wurde deutlich, dass antifaschistische Arbeit und Widerstand gegen die zunehmend unsoziale Politik der Regierungen untrennbar zusammengehören, dass man in diesem Zusammenhang Erwachsene wie Jugendliche nicht zum Stillhalten auffordern, sondern zum Aufbegehren ermutigen muss – gegen die wahren  Verur- sacher und gesellschaftlichen Gründe ihrer Probleme und eventuelle erlebter Perspektivlosigkeit.

Der vorherrschende Eindruck nach der Veranstaltung war: Sie hat Menschen mit unterschiedlicher Motivation zu antifaschistischer Arbeit einander näher gebracht, sie hat Mut gemacht und lässt eine bessere Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung in der Zukunft möglich erscheinen.

(D.L.)