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UN-Klimakonferenz auf Bali:

Mit Kohlekraftwerken ist kein Klimaschutz möglich

Wenn diese LinX im Briefkasten liegt, geht auf der indonesischen Insel Bali die diesjährige UN-Klima-
konferenz in die zweite Woche, und damit beginnt die heiße Phase: Vermutlich ab Montag werden die Minister anreisen. In diesem Jahr sind die Gespräche besonders wichtig. Es geht darum einen Fahrplan für Verhandlungen um einen Vertrag zu vereinbaren, der schon ab 2013 die Nachfolge für das so genannte Kyoto-Protokoll die Nachfolge antreten kann.

Die Zeit ist knapp. Die kritischen Fragen sind unter anderem: Werden auch die USA endlich Ver-
pflichtungen zur Minderung der Treibhausgase eingehen, werden die anderen Industriestaaten deutlich weitergehen als die mickrigen 5,2 Prozent Emissions-Reduktion, die das Kyoto-Protokoll vorschreibt, werden sie für die Klimaschäden in den Entwicklungsländern aufkommen, die durch ihre bisherigen Emissionen verursacht werden.

Und wie werden die Entwicklungs- und Schwellenländer agieren? Besonders die ärmsten unter ihnen haben nicht nur besonders geringe Emissionen und haben daher bisher nichts zur globalen Erwärmung beigetragen, werden aber zu den am härtesten betroffenen Opfern gehören. Das Entwicklungsprogramm der UNO (UNDP) veröffentlichte Anfang Dezember eine Statistik, nach der ein Bewohner eines Entwicklungslandes zwischen 1980 und 1984 etwa eine 55mal so hohe Chance hatte Opfer von Naturkatastrophen zu werden, wie ein Bewohner eines Industriestaates. Anfang des neue Jahrtausend hatte sich das Missverhältnis noch einmal verdoppelt. Armut bedeutet eben auch das Fehlen von Katastrophenschutzorganisationen, Warndiensten, Aufklärung und ähnlichem.

Doch anstatt diese Verantwortung anzunehmen, und zu akzeptieren, dass die bisherigen Klimaver-
änderungen allein auf das Konto der reichen Staaten geht, ist es bei deren Regierungen – besonders in den USA, aber auch in Europa – in Mode gekommen, mit dem Finger auf die beiden asiatischen Giganten China und Indien zu zeigen. Die haben wegen ihrer großen Bevölkerung und wegen ihrer endlich einsetzenden ökonomischen Entwicklung natürlich relativ hohe Emissionswerte. Doch ist der Verweis auf die beiden Schwellenländer eine populistische Milchmädchenrechnung.

Ein seriöser Vergleich ist nur möglich, wenn die Bevölkerungszahl berücksichtigt wird. Schließlich kommt auch niemand auf die Idee, die deutschen Emissionen mit denen Dänemarks zu vergleichen. Hierzulande betrugen die jährlichen Pro-Kopf-Kohlendioxid-Emissionen, des wichtigsten Treibhausgases, das die chemische Formel CO2 hat, laut UNDP 2004 9,8 Tonnen. In Japan waren es 9,9, in den USA sogar 20,6 Tonnen. Verträglich für das Klimasystem wären etwa zwei Tonnen pro Jahr und Kopf der Erdbevölkerung. Soviel nehmen Ozean und Biosphäre derzeit auf, das heißt, nur was an Emissionen darüber hinaus geht, reichert sich in der Erdatmosphäre an und wirkt dort erwärmend.

Oder man kann es auch so sehen: Die meisten Entwicklungsländer nutzen diese zwei Tonnen pro Kopf und Jahr gar nicht aus wie Indien, das es nur auf 1,2 Tonnen pro Einwohner bringt und Brasilien (1,8 Tonnen) , oder haben den Grenzwert erst kürzlich  über- schritten wie Ägypten (2,3) oder China mit 3,8 (2006 lag der Wert allerdings schon fast bei 5 Tonnen). Sie haben den  Industrie- ländern also in gewisser Weise Platz abgegeben. Nun wäre es an diesen, ihre Emissionen schnell und drastisch zu reduzieren, damit die ärmeren Länder mehr Raum haben, sich zu entwickeln. Schließlich kann man weder von einem Land wie Bangladesh noch Indien oder China erwarten, dass sie ihre Volkswirtschaft auf den gleichen oder gar höheren Stand der Energieeffizienz bringen, wie ihn die Industriestaaten inzwischen erreicht haben, und dazu noch die Energieversorgung vollständig auf erneuerbare Energien einstellen. (Davon abgesehen wird auf diesen Feldern insbesondere in Indien und China wesentlich mehr getan, als es in der westlichen Öffentlichkeit wahrgenommen wird.)

Was wäre zu tun?

Hierzulande heißt das, dass das von der Bundesregierung verkündete Ziel, bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 senken zu wollen, keinesfalls ehrgeizig, sondern eher unzureichend sind. Zu 21 Prozent-Punkten ist die  Bundes- regierung ohnehin schon völkerrechtlich durch das Kyoto-Protokoll verpflichtet, und das meiste davon ist allein schon durch die Zerschlagung der ostdeutschen Industrie erreicht worden. Außerdem entspräche eine Reduktion um 40 Prozent gegenüber 1990 noch immer einem jährlichen Pro-Kopf-CO2-Ausstoß von mindestens 7,3 Tonnen.

Davon abgesehen reicht das von der Bundesregierung im August auf ihrer Klausurtagung in Meseburg beschlossene Maßnahmenpaket nicht einmal, um dieses bescheidene Ziel zu erreichen. Schon gar nicht wird das möglich sein, wenn die von der Bundesregierung unterstützten neuen Braun- und Steinkohlekraftwerke gebaut werden. Wir wären also gut beraten, wenn wir der Kanzlerin nicht das immer wieder inszenierte Klimavorkämpfer-Theater abnehmen würden, sondern echten Klimaschutz einfordern.

Dazu gehört nicht nur, dass die Privatisierung der Bahn unbedingt verhindert werden muss, damit dieses wichtige Instrument zur Umsteuerung in der Verkehrspolitik nicht aus der Hand gegeben wird. Vor allem muss die Stromversorgung rasch auf erneuerbare Quellen umgestellt werden. Die bundesweit geplanten 25 bis 28 Kohlekraftwerke würden allein schon 130 bis 170 Millionen Tonnen CO2 im Jahr ausstoßen. Mit ihnen wären wir auf 30 bis 40 Jahre festgelegt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns gegen das geplante Kraftwerk an der Kieler Förde wehren. In Bremen, Bielefeld und zuletzt im saarländischen Ensdorf sind Bürgerproteste gegen Kohlekraftwerke bereits erfolgreich gewesen.

Die Aussichten für einen Erfolg in Kiel sind also gar nicht so schlecht. Wir sollten uns aber auch überlegen, wie wir die anderen  Kohle- kraftwerke in unserer Nachbarschaft verhindern können. In Brunsbüttel sind gleich zwei geplant. Vielleicht bietet sich ein landesweites Volksbegehren dagegen an. In Hamburg beginnt Vattenfall bereits mit den Bauvorbereitungen für ein weiteres  Steinkohle- kraftwerk. Diese Baustelle wird in den nächsten Jahren sicherlich zu einem der Brennpunkte von Mobilisierungen werden, und zu hoffen ist, dass die Auseinandersetzung zum entstehen einer regelrechten Klimaschutzbewegung wird, die sich nicht mehr vor den PR-Karren der Bundesregierung spannen lässt, wie es einige der etablierten Umweltschutz-
organisation besonders unter der Regierung von SPD und Grünen mit sich geschehen ließen.
 

(wop)

 LinX-Autor Wolfgang Pomrehn hat kürzlich beim PapyRossa-Verlag das Buch “Heiße Zeiten - Wie der Klimawandel gestoppt werden kann” veröffentlicht.

(Siehe http://wolfgangpomrehn.de/klima/Einleitung.html)