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Über den wahlpolitischen Tellerrand hinausschauen

Überlegungen zur Kommunalwahl Mai 2008

Am 25. Mai 2008 finden Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein statt. Unter den linken Kräften Kiels hat die Debatte darüber  be- gonnen, in welcher Form (sprich Formation), mit welchen Forderungen und mit welchen Aktionen in die wahlpolitische  Auseinander- setzung eingegriffen werden soll. Dabei steht die Frage nach der Rolle der Linkspartei im Zentrum der Debatte, wobei diese Diskussion - nach unserer Auffassung-  vielfach zu sehr wahlpolitisch eingeengt wird. Richtig ist: Die Linkspartei hat in der parlamentsfixierten Bevölkerung gute Chancen Einfluss in Parlamenten auf allen Ebenen, also auch bei den Kieler Kommunalwahlen, zu erringen. Sie steht für die Hoffnung auf einen „gezähmten Kapitalismus“. Und es gibt vielleicht nicht wenige in der Linkspartei und ihrem Umfeld, die die Hoffnung (Illusion?) haben, die „Hausmarke DIE LINKE“ sei aus dem Stand heraus imstande, jetzt auch im Westen die parlamentarischen Hürden von sich aus zu überspringen und würde dann im Parlament „stellvertretend“ „die Linke“ vertreten und „für sie“ die unter den gegebenen politischen Konstellationen „mögliche Politik“ entwickeln.

Ein derartiges Herangehen wäre aus unserer Sicht nicht erfolgversprechend – weder für die Linkspartei selber, noch für die Formierung von linkem kommunalem Widerstand – von  Gegenmacht ganz zu schweigen.

Was sind die Rahmenbedingungen, in dem der Wahlkampf stattfindet?

• Wie in den Städten landauf landab wurde städtisches Eigentum auf Teufel komm raus verkauft (Teile der Stadtwerke, städtisches Wohneigentum, Verkehrsbetriebe, Teile der Abfallwirtschaft), weitere Privatisierungen stehen nach dem Willen des CDU/Grünen-geführten Rates für die kommende Zeit an (weitere Teile der Stadtwerke und der Abfallwirtschaft sowie Krankenhausbetriebe) und führen damit konsequent das weiter, was vorher von der SPD in Gang gesetzt wurde.

• E.ON will ein neues Kohlekraftwerk bauen, dass jährlich Millionen Tonnen CO2 in den Kieler blasen wird und die Kieler Förde mit 100.000 Kubikmeter Kühlwasser aufheizen würde. Also schlecht für die Kieler Umwelt – gut aber für die Gewinnerwartungen des Stromkonzerns auf dem boomenden Strommarkt. Die Ratsmehrheit signalisiert grünes Licht.

• Das von der CDU-Oberbürgermeisterin initiierte Programm „Kiel: Kinder-und familienfreundliche Stadt“ stellt -gemessen an der Realität der Politik des Rates- eine Verhöhnung aller Betroffenen dar. Selbst nach offiziellen Angaben der Stadt wachsen knapp 10.000 Kinder unter 15 Jahren in Kiel in Armut auf , das sind etwa ein Drittel aller Kieler Kinder. Damit hat Kiel bundesweit eine unrühmliche Spitzenposition.

• Im Rahmen der Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer weltweit agierenden Truppe wird Kiel zu einem immer wichtigeren Kriegshafen und zu einer Rüstungsschmiede (Kriegsschiff-, U-Boot- und Panzerbau, Kriegsgeräteelektronik) ausgebaut. Der Anteil von „Militärspektakel“ auf der jährlich stattfindenden Kieler Woche nimmt von Jahr zu Jahr zu, ohne das der Rat auch nur im Ansatz diesem militaristischen Treiben einen Riegel vorschiebt.

Soweit einige kommunalpolitische Themen, die in der Stadt diskutiert werden und zu denen sich in unterschiedlicher Form und Intensität die unterschiedlichen außerparlamentarischen Kräfte zu Wort melden und Aktivitäten und Aktionen initiieren. Insbesondere in der Frage der anstehenden Privatisierungen bzw. Möglichkeiten der Rekommunalisierung gibt es gute Ansätze für eine breite Bewegung der Betroffenen, von Gewerkschaften, Sozialverbänden, attac und politischen Parteien (Linke, DKP).

An diesen sich entwickelnden Bewegungen anzuknüpfen und diese weiter zu entwickeln muss Ausgangs-
punkt der Überlegungen sein, die die linken Kräfte in Kiel hinsichtlich der Kommunalwahl im Mai 2008 anstellen. Ausgehend von gemeinsamen Gesprächen zwischen der Linkspartei und der DKP sowie weiteren Gesprächen mit Menschen aus Initiativen, Bündnissen und Organisationen der  außerparlamentarischen Bewegung in Kiel sind wir uns in folgendem einig: Die Linkspartei bedeutet heute objektiv eine Stärkung linker Positionen und ist für viele Hoffnungsträger für eine andere Politik, auch auf kommunaler Ebene. Gleichzeitig wissen wir, dass auch Kommunalpolitik nicht allein in der Ratsversammlung gestaltet und durchgesetzt wird, sondern dass wir außerparlamentarische, gesellschaftliche Bewegung brauchen. Und wir brauchen einen ständigen Diskussions- und  Verständigungsprozess zwischen einer möglichen Linksfraktion im Rat und den sozialen Bewegungen. Denkbar wäre ein sich regelmäßig treffendes linkes kommunal-
politisches Netzwerk, das sich grundlegende alternative Positionen erarbeitet und den Mitgliedern der Ratsfraktion und den Mitgliedern der Ausschüsse zuarbeitet.

Unter solchen Prämissen – so waren sich die Beteiligten einig-, wäre eine offene Liste der Linkspartei, auf der Vertreter der sozialen Bewegungen, Antifaschisten, linke Gewerkschafter und Kommunisten vertreten sind, eine wirkliche Alternative, um endlich frischen Wind in die Kieler Ratsversammlung zu blasen und Kommunalpolitik „vor Ort“, mit den unmittelbar Betroffenen, zu entwickeln.

Jetzt ist es an der Linkspartei, in ihrer Mitgliedschaft um eine derartige kommunalpolitische Ausrichtung zu ringen, die in einer für sie erfolgreichen Wahl am 25.5.08 nicht das Ziel aller Bemühungen sieht, sondern als einen Mosaikstein auf dem langen Weg zu einer anderen Politik – auch in den Städten und Gemeinden. Dazu ist die Bündelung aller linken Kräfte und die Verankerung in den außerparlamentarischen Bewegungen unumgänglich. In einem solchen Prozess gewinnen alle Beteiligten neue Erfahrungen und Einsichten, wird Politik in der Praxis dem Tauglichkeitstest unterworfen.

Günther Stamer, DKP Kiel