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Uniklinik plant massive Gehaltseinschnitte:

Geduld am Ende?

Krankenschwestern und -pfleger haben in der Vergangenheit in Deutschland nicht gerade zu den kämpferischsten Teilen der  Arbeiterklasse gehört. Insofern sind die derzeitigen Auseinandersetzung am Kieler Uniklinikum in ihrer Schärfe fast eine Novität. Wir sprachen mit Mona, die in der Pflege arbeitet und gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen versucht, sich der Angriffe der Unternehmensleitung zu erwehren. (Den Namen haben wir auf Wunsch geändert.)

(wop)

LinX: An der Uniklinik ist mächtig was los. Am 10. Dezember waren mehrere hundert Beschäftigte zur Aufsichtsratssitzung gezogen. Hintergrund sind die laufenden Tarifverhandlungen. Für wen wird verhandelt und wie sieht das Angebot der Unternehmensleitung aus?

Mona: Verhandelt wird von ver.di für alle nichtwissenschaftlichen Beschäftigten der Klinik, also Pflege-
personal genauso wie  Ver- waltungsangestellte, ArbeiterInnen und Medizinisch/Technische AssistentInnen (MTAs) und IT Beschäftigte. Ziel ist die Umsetzung eines bereits im Sommer verhandelten Tarifvertrages Nord (als Ablösung für den zum Jahresende auslaufenden Beschäftigungspakt) für die Unikliniken in Greifs-
wald, Rostock und Schleswig-Holstein. Bisher ist lediglich für das UKSH keine Umsetzung in Sicht. Die Unternehmungsleitung wurde im Laufe der Verhandlungen der Führung des Sanierers Schleifer unterstellt und legte nach Monaten des Lavierens nun eine Vorlage vor, die Einkommenseinbussen von 10% für Pflegende, 20% für MTAs und 30% für die ArbeiterInnen vorsieht, sowie eine deutliche Reduzierung der Jahressonderzahlungen (Urlaubs/Weihnachtsgeld) für alle. Dafür sollen wir dann auch noch 0,5 bis 1,5 Stunden in der Woche länger arbeiten, was indirekt eine weitere Lohnkürzung bedeutet.

LinX: Und was halten die Schwestern und Pfleger davon?

M.: Ich denke, dass viele schon vorher die Schnauze voll hatten, haben wir doch bereits in den letzten drei Jahren auf Gehalt verzichtet, um einen Beitrag zur Sanierung der Klinik zu leisten. Des weiteren mussten wir eine zum Teil dramatische Arbeitsverdichtung aushalten, was vom Vorstand euphemistisch als „Produktionssteigerung“ (in der Pflege von Menschen!) bezeichnet wird. Wenn jetzt so ein  Angebot gemacht wird, sind natürlich viele geschockt und wütend. Das haben viele von uns dann am 10.12. endlich auch einmal öffentlich zum Ausdruck gebracht.

LinX: Die Verhandlungen betreffen nicht nur die Kieler, sondern alle nichtwissenschaftlichen Angestellten und Arbeiter am  Universitäts- klinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Welche Standorte gibt es außer Kiel, wie viel sind insgesamt am UKSH beschäftigt und von den derzeitigen Verhandlungen erfasst, und wie ist die Zusammenarbeit mit den anderen Kliniken?

M.: Zum UKSH gehören die beiden Campi in Kiel und Lübeck, sowie die Tochtergesellschaft BIZ (Bildungseinrichtung, die u.a. Krankenpflegepersonal ausbildet) und in Teilen die bereits ausgegliederte Psychiatrische Klinik ZIP GmbH mir einem geteilten Personalstamm aus unterschiedlich entlohnten Alt- und Neubeschäftigten. Insgesamt sind ca. 9000 Beschäftigte von den  Tarifver- handlungen betroffen. Die Zusammenarbeit zwischen Kiel und Lübeck verläuft auf der Personalvertretungsebene kontinuierlich, die Unternehmenspolitik mit all ihren Destabilisierungsmaßnahmen konnte hier noch keine Spaltung bewirken, trotzdem haben die Kollegen an beiden Standorten natürlich auch eigene Sichtweisen und Probleme. Die Kollegen in Lübeck haben bereits zwei Demonstrationen mit jeweils ca. 1000 TeilnehmerInnen durchgeführt, zu denen auch KielerInnen angereist waren.

LinX: Welche Rolle spielt ver.di? Der Organisationsgrad ist vermutlich nicht besonders hoch, oder?

M.: Ver.di ist die verhandlungsführende Gewerkschaft und hat von den organisierten KollegInnen den Auftrag erhalten, keine weiteren Einbußen mehr hinzunehmen und die Arbeitgeber darauf hinzuweisen, das eine Entschuldung der Klinik nur durch das Land SH möglich sein kann. Der Organisationsgrad ist mit ca. 10% sehr niedrig, was zum Teil daran liegt, das im Klinikum lange ein relativer sozialer Frieden herrschte, zum anderen sind vielen KollegInnen die Mechanismen einer Tarifvertragsfindung nicht bekannt. Es ist schwer zu vermitteln, warum wir eine zahlenmäßig starke Mitgliedschaft brauchen, um den Angriff der Unternehmensleitung abzuwehren. Gewerkschaftsarbeit wird halt heutzutage mehr als Dienstleistung gesehen denn als politische Notwendigkeit. Aber natürlich ist auch ver.di nicht ganz unschuldig daran, dass sich viele nicht gut vertreten fühlten, durch eine überbetont sozial-partnerschaftliche Ausrichtung in den letzten Jahren. Ich hoffe, dass im Zuge der anstehenden Auseinandersetzungen Beschäftigte und Gewerkschaft stärker zueinander finden, denn anders werden wir unsere Forderungen in der Zukunft nicht durchsetzen können.

LinX: Die Ärzte haben mit dem Marburger Bund (MB) im letzten Jahr erhebliche Verbesserungen durchsetzen können und am UKSH ist davon die Rede, dass das wissenschaftliche Personal bis zu 15 Prozent mehr bekommen soll. Vertieft das den Graben zwischen den Gruppen im Personal?

M.: Ich hoffe nicht. Der Alltag der Assistenzärzte im Klinikum ist auch alles andere als ein Zuckerschlecken und die vom MB erkämpften Verbesserungen sollten vom Pflegepersonal als Beispiel angesehen werden, für unsere eigenen Belange zu kämpfen. Nichtsdestotrotz werden die Kürzungen für uns vom Vorstand teilweise mit dem Mehraufwand für die Ärzte begründet. Die Belegschaft sollte sich nicht spalten lassen, und keine Berufsgruppe sollte sich auf Kosten einer anderen in Sicherheit wähnen, das betrifft auch das Verhältnis der Pflegenden zu den ArbeiterInnen. Es ist sehr wichtig, dass ver.di während der Verhandlungen eine solidarische Position einnimmt, um die Situation aller Beschäftigten im Klinikum als Ganzes zu verbessern.

LinX: Am unteren Ende der betrieblichen Hierarchie der Krankenhäuser befinden sich gewöhnlich die Arbeiterinnen und Arbeiter. Wie ist deren Lage? Hat es bereits Ausgründungen und damit verbundene Lohnkürzungen gegeben?

M.: Die ArbeiterInnen sind weitgehend bei der so genannten „Service GmbH“ beschäftigt und mussten schon im Zuge des Beschäftigungspaktes in den letzten drei Jahren zusätzlich zum Verzicht auf das Urlaubsgeld 2,5% Lohnsenkung hinnehmen, als Gegenleistung dafür wurden sie bisher nicht aus dem Gesamtklinikum ausgegliedert und zu „branchenüblichen Tarifen“ wie z.B. in der Gebäudereinigung bezahlt. Viele haben jedoch lediglich kurze Zeitverträge, eine starke Arbeitsbelastung und sind aufgrund ihrer prekären Beschäftigung das schwächste Glied in der Belegschaft, was auch die Wahrnehmung ihrer Arbeitsrechte einschränkt. Vom Vorstand geplante Ausgründungen würden sie als Erste treffen, wobei sich, wie gesagt, niemand im Klinikum in Zukunft davor in Sicherheit wähnen sollte.

LinX: Wie geht es nun weiter? Was passiert, wenn es zu keiner Einigung in den Tarifverhandlungen kommt?

M.: Das es zu einer Einigung zum 31.12. kommt ist nicht zu erwarten. Ver.di wird auf der Grundlage des besagten Angebotes nicht verhandeln. Ab 1.1.2008 wäre der größte Betrieb im Lande somit im tariflosen Zustand. Nach Auffassung von ver.di währe dann der alte BAT in der Nachwirkung, es würde keine Friedenspflicht mehr bestehen und Arbeitskampfmaßnahmen wären möglich.

LinX: Durch die verschiedenen so genannten Reformen im Gesundheitssytem ist die wirtschaftliche Grundlage für viele Krankenhäuser und auch für niedergelassene Ärzte im gewissen Grade in Frage gestellt worden. Inwiefern geht der Angriff auf die UKSH-Beschäftigten auf diesen veränderten Rahmen zurück, und inwiefern spielt die geplante Privatisierung eine Rolle?

M.: Der Angriff ist insgesamt als Teil der neoliberalen Deregulierung zu betrachten, und das Defizit am UKSH ist durch Teile der Gesundheitsreform erst entstanden, wie z.B. die Reform in der Vergütung von Leistungen. In Hamburg beispielsweise können für gleiche Leistungen höhere Vergütungen (so genannte Base-Rate) abgerechnet werden. Würden in SH dieselben Sätze abgerechnet wie in HH, hätte das UKSH laut Vorstand bereits jetzt eine ausgeglichenen Jahresbilanz. Es ist bezeichnend für die Landespolitik, dass statt an der Abrechnung auf Bundesebene etwas zu verändern, ein Privatisierungsdruck aufgebaut und den Beschäftigten in die Tasche gegriffen wird. Werden die Personalkosten so drastisch wie geplant gesenkt, ist dies für private Betreiber natürlich schön einfach, wenn die Landesregierung durch ihren Sanierer Schleifer vorher die Drecksarbeit erledigt hat.

LinX: Was ist in Sachen Privatisierung des UKSH eigentlich der Stand?

M.: Der Vorstand hat bereits während der Tarifverhandlungen ein Markterkundungsverfahren in die Wege geleitet, um potenzielle Investoren anzusprechen. Ginge es nach Wirtschaftsminister Austermann wäre die Privatisierung schon viel weiter fortgeschritten, hier muss noch Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD genommen werden. Innenminister Stegner hat auf der Demo in Lübeck am 24.11. erklärt, dass mit seiner Partei eine Privatisierung der Krankenversorgung nicht zu machen wäre, stellte jedoch auch klar dass dies nicht für die so genannten Tertiärbereiche wie Küche, Verwaltung unter anderem gelten könnte. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir uns auf die Politik nicht verlassen können und im Zweifel deren Machenschaften auszubaden haben. Generell müssen wir annehmen, dass in der Planung der Landes-
regierung und Unternehmensleitung kein Bereich von Privatisierung und deren Begleiterscheinungen verschont bleiben wird.

LinX: Kann es sein, dass Ihr mit Euren Aktionen die schönen Pläne stört?

M.: Das wollen wir doch schwer hoffen!!