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LESERBRIEF:

Antikommunismus?

In der letzten Ausgabe der LinX ist das Grußwort der DKP-Bezirksvorsitzenden, Bettina Jürgensen, an den Parteitag der Linken abgedruckt. So weit, so gut, aber an einer Stelle spricht Bettina sinngemäß von antikommunistischen Vorbehalten innerhalb der Linken, mit denen diese Partei sich noch auseinandersetzen müsste. Nun ist ein Grußwort sich sicher nicht der geeignete Beginn einer politischen Debatte, und ich weiß auch nicht, ob es überhaupt eine Reaktion hierauf gegeben hat. Wenn aber das Wort ‚Antikommunismus’ innerhalb der linken Szene fällt, schrillen bei mir die Alarmglocken, und das hat seinen Grund:

Als sich in den Jahren nach dem Krieg SPD und CDU/CSU noch stärker voneinander unterschieden, scheute Adenauer nicht davor zurück, mit den durch Kriegserlebnisse geprägten Ängsten der Bevölkerung zu spielen und bezeichnete die SPD als ‚5. Kolonne Moskaus’. Führende SPD-Mitglieder wurden wegen ihrer kommunistischen Vergangenheit angeprangert. Darüber erschrocken begann die SPD, sich besonders staatstragend und antikommunistisch zu gebärden. Die Folgen sind sattsam bekannt: KPD-Verbot und später der sogenannte Radikalenerlass, mit dem KommunistInnen aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten und vom befürchteten ‚Marsch durch die Institutionen’ abgehalten werden sollten. Betroffen waren (nicht nur, aber auch) besonders die Mitglieder der 1968 neu gegründeten DKP.

Durch konsequente Mitarbeit in Betriebsgruppen und bei Vertrauensleuten gelang es der DKP und ihren Schwesterorganisationen aber zu einer festen Größe innerhalb der Gewerkschaften zu reifen. Sie verankerte sich auch im Gewerkschaftsapparat; einzelne Mitglieder wurden bis in die Bundesvorstände von Einzelgewerkschaften gewählt. Wegen der oftmals zögerlichen Politik wurde die  Gewerkschaftsführung immer stärker von den nicht DKP-orientierten, häufig maoistisch oder trotzkistisch geprägten  Gewerkschaftslinken kritisiert. Die sozialdemokratisch dominierte Gewerkschaftsbürokratie schlug mit den  ‚Unvereinbarkeitsbeschlüssen’ zurück, mit denen eine  Mitgliedschaft (oft reichte der bloße Verdacht) in diesen Organisationen als unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in einer  DGB-Gewerkschaft bezeichnet wurde. Um die Sache ausgewogen erscheinen zu lassen, war auch eine NPD-Mitgliedschaft verboten – es gab jedoch so gut wie keine NPD-Mitglieder in den Gewerkschaften, so dass der Beschluss sich in der Praxis nur gegen außerhalb der DKP richtete. Die DKP trug diesen Unvereinbarkeitsbeschluss ausdrücklich mit, denn links von ihr durfte es in den Gewerkschaften nach damaliger Auffassung nichts mehr geben. War das kein Antikommunismus?

Ich denke, dass wir mit dem Begriff ‚Antikommunismus’ innerhalb der linken Szene äußerst vorsichtig sein müssen. Besonders nach den gescheiterten Versuchen in der DDR, der SU, der VR China und anderen Staaten mit dem ‚Realsozialismus’ muss die Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft erst behutsam neu entwickelt werden. Ein Rezept hierfür kann ich bei keiner Organisation erkennen, schon gar nicht bei der DKP. Wir können aber solidarisch darum streiten.

In diesem Sinne beste Grüße
Karl-Heinz Suenkens