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Interview mit den Spizenkandidaten von Die Linke

Nach der Verabschiedung des Kommunalwahlprogrammes haben Die Linken in Kiel die Kandidaten zur Kommunalwahl festgelegt. Uwe Stahl interviewte für die LinX die Spitzenkandidaten Ayse Fehimli (Sozialarbeiterin), Frank Bretschneider (Lehrer) und Florian Jansen (Student). (uws)

LinX: Welche Ziele setzt sich Die Linke um gegen die Privatisierung der Daseinsvorsorge voranzukommen?

Frank: Erstmal ist es wichtig, dass wir eine öffentliche Aufklärung machen. Die Bevölkerung weiß ja z. T. überhaupt nicht, in welcher Art und Weise Privatisierung vorangetrieben wird und wie man mit dem Allgemeingut verfährt. Wir wollen einen Katalysator für die Bevölkerung im Stadtparlament spielen, um mit der Bevölkerung zusammen klar gegen die Privatisierung zu arbeiten.

Ayse: Keine weitere Privatisierung, weil diese Stadt dadurch die Einflussmöglichkeiten verliert und weil bundesweit Strom und Wasser teurer werden. Diese Betriebe gehören den Bürgerinnen und Bürgern und nicht dem Rat. Die sollen die Finger davon lassen, denn wir können die Erträge auch zur Querfinanzierung für andere Aufgaben, wie z. B. den öffentlichen Nahverkehr oder Kulturprojekte verwenden.

Florian: Vielen ist noch nicht bewußt, welche Folgen die Privatisierung hat. Unser Ziel muss die Rekommunalisierung sein, das Kommunaleigentum wieder rückgängig machen. Um Druck aufzubauen ist hierfür die Zusammenarbeit mit anderen notwendig, z. B. mit Attac.

LinX: Hat die Linke Vorschläge, wie die Verschuldung der Stadt Kiel gestoppt werden kann?

Frank: Man muss zunächst analysieren, was im Haushalt drin steht. Es kann nicht sein, dass Subventionierung von Wirtschaft, die kaum eine Gegenleistung bringt, weiter aufrecht erhalten bleibt. Wir müssen Gegenvorschläge machen und als Linke sehen, was für uns besonders unterstützenswert ist. Es gibt jetzt keinen direkten Vorschlag gegen die Verschuldung der Stadt Kiel. Langfristig ist eine Entschuldung der Stadt nur dadurch möglich, dass man Steuereinnahmen durch die arbeitende Bevölkerung erreicht, indem viele wieder in eine gerechte Bezahlung hineinkommen und dann auch gerecht Steuern zahlen. Wenn man 1-Euro-Jobs ausbaut, braucht man sich über die Abnahme der Steuerzahlung nicht zu wundern. Ganz klar: Abschaffung der 1-Euro-Jobs. Faire Bezahlung der Arbeit führt zu erhöhten Steuereinnahmen und zur Reduzierung der Verschuldung. Man sollte Investitionen in der Stadt machen, in Projekte, die auch in der Stadt bleiben und keine Investitionen an Unternehmen außerhalb der Stadt. Es muss in die Stadt zurückfließen.

Florian: Es kann nicht sein, dass die städtischen Gelder, die eh schon knapp sind in Prestigeobjekte gesteckt werden und Millionen in Sand gesetzt werden, wie z. B. das Science Center das geplant ist oder das Kohlekraftwerk, was jetzt erst mal nach der Wahl herausgeschoben wurde, aber das ist nicht vom Tisch, das liegt noch in der nächsten Legislaturperiode. Wenn das gebaut werden sollte, werden da auch wieder Mio. städtischer Mittel schwendet, ohne dass irgendwas für die Stadt dabei raus kommt. Es ist Einsparungpotenzial vorhanden, wenn es z. B. in kommunalem und lokalem Rahmen stattfindet und Geld wieder zurückfließen kann.

Ayse: Steuerhöhungen für die Bevölkerung mit wenig Einkommen sind immer hart. Es wird immer von denen, die sowieso nichts haben und die in Armut leben abgezogen. Während bei den Reichen immer weniger Steuern abgezogen werden. Das ist eine soziale Ungerechtigkeit.

LinX: Wie könnte nach eurer Meinung Die Linke eine stärkere Bürgerkontrolle in Kiel umgesetzten, um mehr demokratische Rechte für die Bevölkerung durchzusetzen?

Florian: Wir brauchen einen transparenten Haushalt, den die Bürger auch verstehen können. Sitzungen, die wichtig sind für die Kieler, in denen Themen besprochen werden, die für die Bürger wichtig sind, können nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Wir brauchen einen Bürgerinnenhaushalt, wo direkter Einfluss auf die Verteilung der Gelder in der Stadt genommen werden kann. Mein Traumziel, dass alle wichtigen Entscheidungen durch BürgerInnenentscheide getroffen werden. Den Abgeordnetenwatch, was es auf Bundesebene gibt, so etwas würde ich gerne für den Kieler Stadtrat haben (siehe unter www.abgeordnetenwatch.de). Damit die Bürger die Möglichkeit haben direkt und öffentlich die Fragen an die Ratsherren zu stellen, die darauf dann Antworten können.

Frank: Ich mache den Vorschlag für ein Stadtblatt, indem direkt alle Informationen und Beschlüsse veröffentlicht werden. Es kann nicht nur auf das Internet begrenzt sein, weil alte Menschen oder welche ohne Internetzugang keinen Zugriff haben. Es könnte z. B. über den Kieler Express an alle Haushalte geliefert werden.

LinX: Welche Vorschläge macht Die Linke in Kiel um mehr Rechte für die Migranten in Kiel zu bekommen?

Ayse: Ich bin für eine sozial gerechte Politik für alle Menschen, die in Kiel leben. Es sollte nicht von Integration gesprochen werden, wo überhaupt gar keine stattfindet. Die Linken sind für eine Gleichbe-
rechtigung, eine soziale Gerechtigkeit für alle Bürger die im Lande leben. Auch für MigrantInnen brauchen wir eine gleichberechtigte Politik, so dass auch unsere Kinder gemeinsam in Gegenwart und Zukunft zusammen in einer friedlichen Gesellschaft leben können.In Parallelgesellschaften sollen die Bürger gegeneinander ausgespielt werden. Vorurteile werden gezüchtet, damit die Menschen sich nicht für Integration offen halten, sondern damit sie in diesen Parallelgesellschaften jeder für sich leben und Vorurteile gegenüber die anderen haben. Das ist nicht gut für unsere Gesellschaft und das ist auch nicht gut für die Zukunft. Zur Zeit wird diese falsche Politik vorangetrieben. Das muss sich ändern. Wir wollen Gerechtigkeit für alle Kinder und wollen hier ohne Diskriminierung leben. Besonders in der Flüchtlingspolitik wird ein soziales Unrecht und eine menschenunwürdige Politik in diesem Lande getrieben. Ein demokratisches Miteinander vor Ort ist unvereinbar mit jeder Form von Menschenrechtsverletzung, Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Linke fordert außerdem eine Politik für die Gleichstellung der Geschlechter. Sie thematisiert die strukturelle und tatsächliche Gewalt gegen Frauen, die in den letzten Jahren gerade bei MigrantInnen angestiegen ist. Wir wollen in den Kommunen Regelungen zur Gleichstellung auf dem privaten und auf dem öffentlichen Arbeitsmarkt durchsetzen.

LinX: Welche Ziele setzt sich die Linke in der Bildungs- und Kulturpolitik?

Florian: Es ist ein bundesweites Problem, dass das Bildungssystem in Deutschland dazu führt, dass es unglaublich stark vom Hintergrund der Familien abhängt. Wir haben, wie die Pisastudien auch zeigen, ein zu geringes Bildungsniveau. Dem müssen wir entgegenwirken. Auf lokaler Ebene haben wir die Möglichkeit alle weitergehenden Schulen in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln, die nach Möglichkeit auch Ganztagsschulen werden sollten, so dass auch Kinder von Beruftstätigen nachmittags auch pädagogisch betreut werden können. Dazu gehört auch eine kostenfreie Schulspeisung für Kinder und die Schulen müssen auch wieder ausreichend personell und materiell ausgestattet werden. Die Bildung ist nichts, wo man ständig dran sparen kann und Bildung muss wieder Hauptthema werden, weil es wichtiger ist als die meisten anderen Sachen die wir hier in der Stadt haben, weil es auch um die Zukunft geht. Wir müssen es auch schaffen, ohne dass es in PPP-Projekten abläuft, wie wir das jetzt an der Berufsschule sehen. Bildung muss unter staatlicher und kommunaler Hand sein und darf keine privatwirtschaftliche Angelegenheit werden, damit es gerecht wird. Dazu gehört auch, dass wir Jugendzentren haben, wo die Kinder nach der Schule etwas machen können, wo es auch für Kinder und Jugendliche die Möglichkeit geben muss einen kostenlosen Internetzugang zu haben. Viele Kinder von Hartz IV-Empfängern haben dies zu Hause nicht. Im kulturellen Bereich ist es mir wichtig, dass das, was wir an Kultureinrichtungen haben auch behalten, weiter fördern und z. B. bei den Stadtteilbüchereien nicht sparen.

LinX: Die Linke hat ja bekanntlich Forderungen, die mit den Gewerkschaften gemeinsam sind, wie z.B. den Mindestlohn, die Arbeitszeitverkürzung und gegen die Auswirkungen von Hartz IV. Welche Rolle spielt eurer Meinung nach die gewerkschaftliche Tätigkeit und wie könnte eine Unterstützung aussehen?

Ayse: Die Gewerkschaftsarbeit ist für uns Die Linken selbstverständlich. Wir bleiben in Kontakt und wir möchten auch in Zukunft in Solidarität zusammenarbeiten. Es geht um Arbeiterrechte, Privatisierung, Lohnerhöhungen und um gleiche Rechte für alle. Wir wissen, dass das sehr wichtig ist und legen viel Wert auf die Zusammenarbeit.

Frank: Ich sehe mehr Übereinstimmung der Linken mit der Gewerkschaft als die SPD und bin sicher, dass nach der Wahl die SPD wieder in ihren neoliberalen Trott zurückfällt.

LinX: Ihr habt ja des öfteren betont, dass ihr eine direkte Zusammenarbeit mit der außerparlamentarischen linken Bewegung wünscht. In welchen Fragen könnte dies in Kiel z. B. stattfinden und wie sollte das praktisch umgesetzt werden.

Florian: Es gibt keine Politikverdrossenheit, sondern eine Parteienverdrossenheit. Das sieht man an den vielfältigen  außer- parlamentarischen Bündnissen und den Organisationen, die sehr tief und gut arbeiten. Und an dieser Arbeit müssen wir anknüpfen. Konkrete Punkte in Kiel sind aktuell das Bündnis gegen Kohlekraft und die Arbeitsloseninitiative mit denen wir auch schon zusammenarbeiten. Auch mit attac und ver.di in Fragen der Privatisierung. In allen wichtigen Fragen, die wir haben, gibt es in Kiel und in S-H außerparlamentarische Organisationen und Bündnisse von Bürgern, die wir nicht unterschätzen sollten, weil sie meist fachlich besser in den Themen drin sind, als wir selber. Wir sind auf diese Organisationen, Kräfte und Strömungen angewiesen, damit wir Informationen haben und Hintergründe aufzeigen können. Das ist ein Pool, aus dem wir schöpfen können, um das im Rat einzubringen und diesen Organisationen dadurch auch im Stadtrat eine Stimme zu geben. Wir müssen aber auch auf der Straße diese Organisationen weiter unterstützen. Wir haben auf unserer Kandidatenliste auch parteilose Mitglieder die z. T. aus diesen Bewegungen kommen. Ortbeiräte und Ausschüsse könnten besetzt werden, mit BürgerInnen, die nicht in der Partei sind. Dafür könnte man gezielt Personen aus der Bewegung nehmen, die fachlich dafür gut drauf sind.