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Kommentar:

Zweierlei Maß

Dieser Tage kann man mal wieder in aller Hässlichkeit die Doppelzüngigkeit der uns Regierenden bewundern. Einerseits ermuntert man jahrelang die albanischen Parteien im Kosovo, sich von Serbien loszusagen, ohne sich groß um die Folgen für den Balkan oder auch um Spannungen mit Russland zu scheren. Angesichts der vielen europäischen Kriege, die in den letzten 200 Jahren auf dem Balkan ihren Ausgang nahmen, zeugt das schon von besonderer Verantwortungslosigkeit. Andererseits sieht man in aller Ruhe zu, wie die türkische Armee in den Nordirak einmarschiert um die PKK zu bekämpfen. Im einen Fall beruft man sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, im anderen Fall wird nicht einmal der Kampf für Autonomie und kulturelle Rechte akzeptiert. Deutlicher kann man eigentlich kaum machen, dass es allein um Machtfragen geht, allein darum, wie sich die großen Staaten die kleineren gefügig machen. Das Unterstützen und Aufpäppeln genehmer nationaler Minderheiten gehört seit gut 100 Jahren zum Instrumentarium deutscher Außenpolitik.

Aber auch die hiesige Linke hat ein Problem. Einige berufen sich auf Lenin und fordern wie ehedem das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. – Doch was ist ein Volk? Und was ist mit den Rechten der Minderheiten im Kosovo? Und wie verhindert man, das  Minder- heiten vor den deutschen oder einen anderen Karren gespannt werden? Andere wollen von dem kollektiven  Selbstbestimmungsrecht nichts mehr wissen (es sei denn, es geht um Israel). Und wieder andere sind ganz schizophren, halten einerseits die serbische Fahne hoch und pflegen ansonsten ganz altmodisch baskische oder kurdische Revolutions-
romatik.Dieser Streit lässt sich kaum lösen, aber man könnte trotzdem sagen, wie eine auf Frieden zielende Politik Deutschlands im Falle Kosovos hätte aussehen müssen: Man hätte Serbien und dem Kosovo umfangreiche Wirtschaftshilfen zusagen können, die an ein paar Bedingungen zu knüpfen gewesen wären:  Gewalt- verzicht, Abrüstung, Vertagung der Entscheidung um 25 Jahre. Ähnliches hätte man schon vor 18 Jahren mit Jugoslawien machen können. Die wirtschaftliche Entwicklung, die die reichen Staaten der EU ohne weiteres finanzieren könnten, wenn sie denn wollten, hätte mit der Zeit die Spannungen abgebaut. 


(wop)