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Antifaschismus:
Zur Antifaaktion am 26. März in Lübeck

„Das da hätt einmal fast die Welt regiert. Die Völker wurden seiner Herr. Jedoch ich wollte, daß ihr nicht schon triumphiert: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ Diesen Satz, den Bertold Brecht 1955 in seiner Kriegsfibel schrieb, habt ihr bestimmt alle schon einmal gehört – aber was ist eigentlich damit gemeint?

Brandanschläge, gewalttätige Übergriffe, Hetzjagden und Mord – so zeigt sich uns heute die hässliche Fratze der deutschen Faschisten! Die Ideologie, die dahinter steht, kostete über 50 Millionen Menschen bis 1945 das Leben. Sie war und ist verantwortlich für Mord, Folter und Verfolgung in den faschistischen Diktaturen in Spanien, Chile, Griechenland und in der Türkei. Rassistisch und völkisch nationalistisch sind ihre Gedanken, unsägliches Leid bringen ihre Taten. Seit 1990 haben Nazis in Deutschland weit über 100 Menschen ermordet. Migrantinnen und Migranten, Obdachlose, Linke und Punks sind ihre bevorzugten Opfer. Also alle die, die aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft für die Nazis nur „Untermenschen“ sind.

In Deutschland  existieren über 160 sog. „Freie Kameradschaften“. Nach außen hin wird gerne das Bild von losen Zusammenhängen dargestellt. Doch so „frei“, wie der Name sagt, sind die einzelnen Nazi-Zirkel nicht. Sie sind regional über „Aktionsbüros“ miteinander vernetzt, in denen altbekannte Nazischergen den Ton angeben.

Hinter den Faschisten steht das Kapital!

Antifaschistische Aktivitäten, wie die geplante in Lübeck, sind nur eine Bekämpfung der Symptome, trotzdem sind sie dringend notwendig und dürfen sich nicht durch die Gesetze des Staates behindern lassen, denn dieser Staat, der nichts weiter ist als ein politisches Machtinstrument der deutschen Kapitalisten, schützt die Faschisten, wo er nur kann. Er braucht sie, um dem Volk einen Scheinfeind vorzugaukeln, damit es nicht auf die Idee kommt seinen wirklichen Feind zu erkennen und zu handeln. Und noch schlimmer: Der kapitalistische Staat entwickelt sich immer mehr nach rechts, schafft demokratische Rechte ab: Er erhält Arbeitslose wie moderne Sklaven mit ALGII am Leben, er duldet, dass Jugendliche keinen Ausbildungsplatz erhalten, er beantwortet Bürgerprotest wie z. B. beim G8-Gipfel mit Polizeiübergriffen, er schafft einen grenzenlosen Überwachungsstaat, er setzt Rentenbetrug als Gesetzgeber und Lohnraub als staatlicher Arbeitgeber durch, er schickt seine Truppen in fremde Länder, um wie z. B. in Afghanistan die freie Entfaltung des ausländischen Kapitals zu schützen. Unser Feind ist das Kapital in all seinen widerwärtigen Facetten und dieses müssen wir bekämpfen – dann bekämpfen wir auch die Glatzköpfe, die sich durch Lübecks Straßen schleichen wollen.Das allherrschende Monopolkapital ist die Ursache für Ausbeutung, Unterdrückung und Kriege auf dieser Welt. Das ist der Schoß, den Brecht meinte, der aber nur so lange fruchtbar ist, wie wir es dulden!

kb/halil

 

Presseerklärung zum 29.3. in Lübeck

„Wir können sie stoppen“

Das Bündnis „Wir können Sie stoppen“ zieht eine gemischte Bilanz der Proteste und Aktionen gegen den Lübecker Naziaufmarsch am 29.3.2008.

Etwa 2.500 Menschen haben an der zentralen Kundgebung gegen den „Trauermarsch“ von etwa 300 Neonazis am Holstentorplatz teilgenommen und gemeinsam deutlich gemacht, dass in Lübeck kein Platz für faschistische Aufmärsche und Propaganda sein darf.Weit über 1.000 Menschen nahmen anschließend an den Versuchen teil, auf die Marschstrecke der Neonazis zu gelangen, um diese zu blockieren. Diese Aktionen des Zivilen Ungehorsams konnten von der Polizei trotz einer riesigen Aufgebots von 1.900 Einsatzkräften nur durch die vollständige Abriegelung eines kompletten Stadtteils und die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit aller dort lebenden Menschen durchgesetzt werden. Erfreulicherweise kam es dennoch zu verschiedenen kreativen Störaktionen von BewohnerInnen des Stadtteils. Hervorzuheben ist auch die erfolgreiche Sitzblockade von gut 40 überwiegend Jugendlichen AntifaschistInnen auf der  Hanse- straße. Mit ihrer mutigen Aktion schafften sie es, den Abmarsch der Nazis um mehr als eine Stunde zu verzögern.

„Wir bedanken uns bei allen Menschen, die am Samstag gegen den Naziaufmarsch auf die Straße gegangen sind, an Aktionen des Zivilen Ungehorsams teilgenommen haben und sich von der Polizei weder haben provozieren noch einschüchtern lassen“, erklärte Joachim Nolte, Mitglied im Kirchenvorstand St.Aegidien.

Massive Kritik übt das Bündnis „Wir können sie stoppen“ an der Polizei: „Mit enormen Aufwand wurde im dritten Jahr in Folge der Naziaufmarsch durchgesetzt. Damit hat die Polizei zur Etablierung der einzigen regelmäßigen öffentlichen Nazi-Veranstaltung im Norden beigetragen.“, sagte Stefan Wiedenhöft von Avanti-Projekt undogmatische Linke.

Als Konsequenz des gelungenen Aufmarsches begann die rechte Szene bereits am Abend des 29.03. mit der Mobilisierung für den geplanten Aufmarsch 2009. Das antifaschistische Bündnis „Wir können sie stoppen!“ wirft der Polizei vor, den Nazis eine Überziehung der von der NPD angemeldeten Veranstaltungsdauer bis 15.00 Uhr um 40 Minuten ermöglicht zu haben und auch bei Vermummungen seitens der Rechten nicht eingeschritten zu sein. Gallus Bischof vom "Lübecker Bündnis gegen Rassismus": „Offensichtlich hat die Polizei mit zweierlei Maß gemessen: Während sogar auf der Titelseite der LN von Polizei umgebene vermummte Neonazis zu sehen waren, wurden einige antifaschistische Demonstranten wegen ‚Verstoß gegen das Vermummungsverbot’ verhaftet.“ Während sich Teile der Polizei z. B. an der Absperrung im Bereich der Puppenbrücke durch ein deeskalierendes Vorgehen auszeichneten, kam es auch in diesem Jahr zu wiederholten Übergriffen von Polizeikräften auf GegendemonstrantInnen. In einem offenen Brief an den  verantwort- lichen Einsatzleiter Heiko Hüttmann hatten VertreterInnen des Bündnisses "Wir können sie stoppen" im Vorwege ihre Sorge vor Polizeigewalt am 29.3. geäußert und insbesondere gefordert, dass keine gewalttätigen Spezialeinheiten wie das schwarz uniformierte BFE einsetzt. Dieser Aufforderung hat die Einsatzleitung nicht Folge geleistet mit dem Ergebnis, dass insbesondere die eingesetzte Berliner BFE-Einheit durch massive Gewalttaten gegen DemonstrantInnen und Unbeteiligte, darunter Kinder und alte Menschen, auffiel. Einige dieser Vorfälle sind bereits in der Erklärung der Demonstrationsbe-
obachterInnen der Humanistischen Union dokumentiert.

In diesen Zusammenhang gehört auch die skandalöse Behandlung der festgenommenen SitzblockiererInnen. Während die Räumung der Hansestraße vor den Augen der Presse noch zurückhaltend und weitgehend korrekt ablief, waren die überwiegend jugendlichen BlockiererInnen im Polizeigewahrsam entwürdigender Behandlung ausgesetzt. So mussten sie -darunter ein 14jähriger- sich trotz niedriger Temperaturen und zum Teil vor gegengeschlechtlichen BeamtInnen ausziehen. „Es darf nicht geschehen, dass ohne Gefahr im Verzug ein vierzehnjähriger Junge von der Polizei gezwungen wird, sich nackt auszuziehen“, sagt Pfarrer Kirchhoff von der katholischen Kirchengemeinde St. Birgitta. „Erschwerend kommt hinzu, dass er dieses in Gegenwart von Frauen tun musste. Der Jugendschutz hat hier deutlich Vorrang.“

Das Bündnis „Wir können sie stoppen“ dokumentiert derzeit die Polizeiübergriffe und hat juristische Schritte in die Wege geleitet.

Am Sonntag fand eine spontane Demonstrationen gegen Polizeirepression statt „Aufgrund der Vorkommnisse sind wir spontan mit 100 Menschen vor die Mengwache gezogen, um unseren Protest deutlich zu machen.“, erklärte Nils Corduwisch vom „Bündnis Autonomer Antifas Nord“. Bündnis „Wir können sie stoppen“ 


(Lübeck, 30.3.2008: Presseerklärung von "Wir können sie stoppen" zum 29.3.2008)